Nanoscharnier – mit Licht geschmiert

Ein nanoplasmonisches System aus DNA-Bündeln lässt sich optisch öffnen und schließen

17. Februar 2016

Nanomaschinen könnten künftig diverse Aufgaben übernehmen. Sie leisten im menschlichen Körper vielleicht einmal medizinische Präzisionsarbeit oder helfen in tragbaren Labors bei der Analyse von Krankheitserregern und Schadstoffen. Ein mögliches Bauteil, mit dem sich eine solche Maschine gezielt bewegen und steuern lassen könnte, präsentieren nun Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für intelligente Systeme in Stuttgart. Sie haben ein nanoplasmonisches System in Form einer Schere entwickelt, das sie mit UV-Licht öffnen können. Sobald sie die Nanostruktur mit sichtbarem statt ultraviolettem Licht bestrahlen, schließt sie sich wieder. Die strukturellen Veränderungen können die Forscher mithilfe von Goldpartikeln beobachten, die sie mit dem Licht anregen.

In der DNA speichern tierische- und pflanzliche Zellen, aber auch Bakterien die Information über ihren kompletten Aufbau und alle lebenswichtigen Prozesse. In der Nanotechnologie nutzen Wissenschaftler jedoch nicht die Eigenschaft der DNA als Träger des Erbguts, sondern deren elastische Struktur. Sie erlaubt es, daraus Bestandteile kleiner Maschinen, wie etwa Motoren oder andere Werkzeuge zu bauen.

Um jedoch ganze Nanomaschinen entwerfen zu können, müssen Wissenschaftler Schritt für Schritt mögliche Untereinheiten einer Maschine konstruieren und weiterentwickeln. Forscher des Max-Planck-Instituts für intelligente Systeme haben nun zusammen mit Kollegen aus Japan und den USA eine Struktur aus DNA entwickelt, die als bewegliche Komponente eines Nanomotors oder – getriebes dienen könnte. Wie die beiden Blätter einer Schere haben sie zwei DNA-Bündel durch eine Art Scharnier miteinander verbunden. Jedes Bündel ist gerade einmal 80 Nanometer lang und besteht aus jeweils 14 parallel nebeneinander liegenden Strängen aufgewickelter DNA. Zunächst wird die Bewegung der scherenförmigen Nanostruktur durch eine Art chemisches Vorhängeschloss aus Azobenzolen blockiert, das sich mit UV-Licht öffnen lässt.

Das chemische Schloss öffnet sich durch Licht

Die Azobenzol-Bestandteile sind jeweils mit einem DNA-Faden verbunden, der aus jedem Bündel heraushängt. In sichtbarem Licht nehmen die Azobenzolreste eine Struktur ein, die es den heraushängenden DNA-Strängen beider Bündel erlaubt, sich miteinander zu verknüpfen – die beiden Bündel liegen dicht beieinander. Sobald die Forscher den DNA-Azobenzol-Komplex mit jedoch UV-Licht anregten, ändert das Azobenzol seine Struktur. Das führt dazu, dass sich die beiden losen DNA-Enden trennen und das Scharnier innerhalb weniger Minuten aufklappt. Das Licht wirkt also gewissermaßen wie ein Schmiermittel für die Bewegung. Sobald das UV-Licht ausgeschaltet wird, ändert das Azobenzol wieder seine Struktur, und die beiden DNA-Enden verbinden sich wieder: Das Nanosystem schließt sich. „Wenn wir eine Maschine entwickeln wollen, darf diese nicht nur in eine Richtung funktionieren sondern muss reversibel sein“, sagt Laura Na Liu, die am Stuttgarter Max-Planck-Institut eine Forschungsgruppe leitet. Die DNA-Bündel bewegen sich dabei aber nicht, weil sich das Licht verändert oder weil das Azobenzol seine Struktur wechselt, sondern alleine aufgrund der Brownschen Molekularbewegung.

Wie sich die Nanostruktur öffnet und schließt, können die Forscher live verfolgen. Dafür haben sie die DNA Nanotechnik mit der sogenannten Nanoplasmonik verknüpft: Ein Forschungsfeld, das sich mit Schwingungen von Elektronen – sogenannten Plasmonen – an einer Metalloberfläche beschäftigt. Die Plasmonen können auftreten, wenn Licht auf ein Metallpartikel trifft, und hinterlassen in geeignetem Licht eine charakteristische Signatur.

Goldstäbchen geben Auskunft über Öffnungszustand

Die Forschungsgruppe um Laura Na Liu hat solche Plasmonen auf zwei winzigen Goldstäbchen erzeugt, von denen jeweils eines auf jedem der zwei DNA-Bündel sitzt. Im Bild der Schere liegen diese beiden Goldpartikel jeweils auf der Außenseite eines Scherenblatts und kreuzen sich wie die DNA-Bündel am Scharnier der Schere. Durch die Anregung mit Licht springt nicht nur das molekulare Schloss auf, das die beiden DNA-Bündel aneinander kettet, auf den Goldpartikeln fangen auch Plasmonen an zu schwingen. Wenn sich nun die scherenförmige Struktur öffnet, ändert sich auch der Winkel zwischen den beiden Goldstäbchen, was sich auf die Plasmonen auswirkt. Diese Veränderungen können die Forscher spektroskopisch beobachten, indem sie Licht mit geeigneten Eigenschaften auf das Nanosystem strahlen und messen, wie es sich verändert. Auf diese Weise können sie sogar den Winkel zwischen den DNA-Bündeln bestimmen.

„Es ist zum ersten Mal gelungen, ein nanoplasmonisches System mit Licht zu steuern. Und genau das war unsere Motivation“ sagt Laura Na Liu. Zuvor arbeiteten die Forscherin und ihre Mitarbeiter an Nanosystemen, die sich chemisch kontrollieren lassen. Allerdings sind die chemischen Kontrollen unsauberer und hinterlassen Rückstände im System.

Für die lichtgesteuerte Scherenkonstruktion hat Laura Na Liu bereits eine Anwendung im Sinn. Das System könnte als Werkzeug dienen, um die Anordnung von Nanopartikel zu kontrollieren. „Da man den Winkel zwischen den beiden DNA-Bündeln verändern kann, bietet es die Möglichkeit, die relative Position von Nanopartikel im Raum verändern“, so Laura Na Liu. Darüber hinaus betrachten die Wissenschaftler die aktuelle Arbeit als Schritt hin zu einer Nanomaschine. Das nanoplasmonische System könnte Teil einer solchen Maschine sein. 

PH

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