Kinderleicht: Gerechtes Teilen nach gemeinsamer Anstrengung
Schon Dreijährige geben einem anderen Kind Spielzeug ab, wenn beide es sich zusammen verdient haben
Kinder im Alter von gerade einmal drei Jahren teilen ihre Spielzeugbelohnungen bereitwillig mit einem anderen Kind – aber nur, wenn beide diese zuvor im Rahmen einer gemeinsamen Aktivität verdient haben. Ein internationales Forscherteam um Katharina Hamann vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig fand nun heraus, dass es sich um ein rein kollaboratives Phänomen handelt, wenn so junge Kinder miteinander teilen: Wenn Kinder nicht aufgrund kooperativer Handlungen, sondern ohne ersichtlichen Grund oder für eine selbständig gelöste Aufgabe belohnt wurden, behielten sie den Großteil der Belohnung für sich. Bei Schimpansen, den nächsten Verwandten des Menschen, gibt es hingegen keine Verbindung zwischen dem Teilen von Beute und gemeinsamen Anstrengungen. (Nature, 20. Juli 2011)
Erwachsene Menschen produzieren die Mehrzahl ihrer Güter mittels kooperativer Arbeit. In der Regel verteilen sie diese Güter dann basierend auf sozialen Normen wie Fairness und Verteilungsgerechtigkeit. In Hinblick auf Kinder zeigten frühere Studien jedoch: Wenn Erwachsene einem Kind ohne ersichtlichen Grund eine Belohnung zukommen lassen und es anschließend bitten, diese mit einem anderen Kind zu teilen, verhalten sich dreijährige Kinder relativ egoistisch.
Die aktuelle Studie von Katharina Hamann vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und ihren KollegInnen zeigt, dass bereits Dreijährige wissen, ob sie sich eine Belohnung durch eine gemeinsam bewältigte Aufgabe verdient haben oder nicht. Abhängig davon teilen sie die Belohnung mehr oder weniger gerecht.
Um dies herauszufinden, bedienten sich die Wissenschaftler einer Studienanordnung, bei der jeweils zwei Kinder gemeinsam Murmeln gewinnen konnten. Im ersten Teil der Studie mussten die 2- bzw. 3-Jährigen gleichzeitig an den Enden eines Seils ziehen, um ein Brett mit Murmeln zu sich heranzuziehen. Anschließend konnten sie die Murmeln an sich nehmen; ein Kind erhielt drei Murmeln, das andere nur eine. In einer anschließenden Kontrollstudie erhielten beide Kinder auch ohne das gemeinsame Ziehen am Seil die Belohnung von drei bzw. einer Murmel.
Im zweiten und dritten Teil der Studie wurden folgende drei Szenarien durchgespielt:
- Die Kinder lösten eine Aufgabe gemeinsam.
- Sie erhielten ohne ersichtlichen Grund eine Belohnung.
- Sie lösten die Aufgabe parallel zueinander – ohne einander zu helfen. Beim diesem Szenario war der Arbeitsaufwand bei beiden Kindern gleich groß und vergleichbar mit dem Arbeitspensum im Szenario, in dem beide Kinder zusammenarbeiten. Nun konnte jedoch jedes Kind unabhängig von dem anderen an dem Seil ziehen.
In allen drei Studien teilten dreijährige (und teilweise auch zweijährige) Kinder ihre Murmeln nur dann mit dem anderen Kind, wenn eine Aufgabe gemeinsam erledigt wurde und nicht, wenn sie die Belohnung für eine selbständig ausgeführte Arbeit oder ohne ersichtlichen Grund erhalten hatten. „Die aus ontogenetischer Sicht erste kindliche Vorstellung der Bedeutung von Verteilungsgerechtigkeit bildet sich möglicherweise in kollaborativen Situationen heraus, wenn eine gerechte Aufteilung des Gewinns durch die gemeinsame Anstrengung nahegelegt wird“, sagt Katharina Hamann.
Schimpansen hingegen teilen nach gemeinsam verrichteter Arbeit nicht häufiger mit anderen Artgenossen, als wenn ihnen die Beute ohne Arbeit zufällt. Auch im Freiland kooperieren Schimpansen bei der Beschaffung von Nahrungsmitteln nur selten aktiv miteinander. Aus diesem Grund haben sie möglicherweise keinen Hang dazu entwickelt, Ressourcen dann gerechter aufzuteilen, wenn diese in Zusammenarbeit mit anderen Gruppenmitgliedern erlangt wurden.
„Dieser Unterschied zwischen Menschen und Schimpansen zeigt, dass das gerechte Verteilen von Ressourcen beim Menschen seinen evolutionären Ursprung im Teilen gemeinsam erlegter Beute haben könnte“, so Hamann.