Verschränkung mit Ansage
Eine Voraussetzung für Quantenkommunikation über große Strecken: Die Verschränkung zweier Atome lässt sich nun erkennen, ohne den Zustand zu zerstören
Die Verschränkung ist ein Phänomen, das der Intuition Hohn spricht: Zwei Lichtteilchen (Photonen) können beispielsweise so miteinander verschränkt werden, dass alle beide unpolarisiert bleiben, die Schwingungsebene ihrer Lichtwelle also nicht festgelegt ist. Trotzdem: Sendet man eines der Photonen durch einen Polarisationsfilter, sodass die Polarisationsrichtung des einen bestimmt wird, steht im gleichen Moment auch fest, was eine Messung der Polarisation am anderen ergeben wird, auch wenn es sich kilometerweit von seinem Partner-Photon entfernt hat. Albert Einstein verglich diese geheimnisvoll erscheinende Übereinstimmung der Messergebnisse mit einer „spukhafte Fernwirkung“. Die Verschränkung lässt sich nutzen, um abhörsichere Kommunikationskanäle zu verwirklichen. Denn ein Lauschangriff zerstört die Verschränkung, wodurch zwangsläufig die Übereinstimmung von Messergebnissen bei Sender und Empfänger in erkennbarer Weise abnimmt.
Doch für eine praxistaugliche Quantenverschlüsselung oder generell für ein ausgedehntes Quanten-Kommunikationsnetzwerk müsste die Verschränkung über weite Strecken möglich sein, damit Quanteninformation über große Entfernungen übertragen werden können. Bislang ist das nur bis zu einer Grenze von rund 140 Kilometern möglich, weil ein zu großer Teil der vermittelnden Lichtteilchen in Transportmedien wie Glasfasern absorbiert wird und zwar umso mehr, je länger die Strecke ist. Die Forscher um Julian Hofmann von der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität haben jetzt einen Grundbaustein für lange Übertragungsstrecken hergestellt, einen sogenannten Quantenrepeater, der die Abschwächung des Signals bei weiten Übertragungsstrecken verhindert.
Ein Signal bei erfolgreicher Verschränkung ermöglicht Ketten verschränkter Systeme
In zwei Laboren haben sie je ein Rubidium-Atom in einer sogenannten optischen Dipol-Falle gefangen gehalten. Es gelang ihnen, die 20 Meter voneinander entfernten Atome mithilfe von Photonen zu verschränken. „Damit haben wir eines der größten Quanten-Systeme geschaffen“, sagt Harald Weinfurter, Wissenschaftler der Ludwig-Maximilians-Universität und des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik. Die Lösung der Münchner und Garchinger Forscher hat zwei für weite Übertragungsstrecken entscheidende Vorteile. Erstens befinden sich die beiden Atome in separaten Aufbauten, können also unabhängig voneinander manipuliert werden. „Diese beiden Aufbauten lassen sich im Prinzip mehrere hundert Meter voneinander trennen, und wir können damit die beiden Atome auch über noch größere Entfernungen verschränken“, sagt Weinfurter. Zweitens wird bei einem erfolgreichen Versuch, die Atome zu verschränken ein Signal gesendet, das die Verschränkung bestätigt. So wird es leichter, viele Systeme von der Art des jetzt entwickelte wie die Glieder einer Kette hintereinanderzuschalten und somit die Verschränkung über die gesamte Kette zu verteilen. „Ohne dieses Signal müsste beim Aufbau einer Kette ein viel aufwendigeres Verschränkungsverfahren angewendet werden“, sagt Weinfurter. Mit der Methode, die er und seine Mitarbeiter nun präsentieren, wird es letztlich möglich, eine Verschränkung auch über größere Entfernungen herzustellen.
Die angekündigte Verschränkung könnte eine jahrzehntealte Kontroverse beenden
Die Fernbeziehung der beiden Rubidium-Atome stellten die Physiker wie folgt her: Zunächst regten sie die beiden Rubidium-Atome mit einem Laser energetisch an. Jedes der Atome emittiert dadurch ein Photon, das mit dem Rubidium-Atom verschränkt ist, von dem es kommt. Über je eine Glasfaser leiten die Forscher die Photonen zusammen und bringen sie an einem halbversilberten Spiegel zur Überlagerung. Werden die beiden Photonen an unterschiedlichen Seiten des Spiegels detektiert, so signalisiert dies die Verschränkung der beiden Rubidium-Atome. Erhält man dieses Signal nicht, so wird der Vorgang wiederholt. „Dafür benötigen wir rund eine Million Versuche“, veranschaulicht Weinfurter die Schwierigkeit der Verschränkung der Atome, die sich vor allem durch Verluste beim Einkoppeln der Photonen in die Glasfasern ergibt.
Darüber hinaus könnte der Versuchsaufbau der Münchner und Garchinger Forscher eine Kontroverse über die Quantenphysik beenden, die Albert Einstein bereits 1935 in Gang gesetzt hat. Der berühmte Physiker konnte nicht glauben, dass verschränkte Teilchen ihren Zustand gleichzeitig ändern, obwohl sie weit voneinander entfernt sind. Außerdem wollte er dem Beobachter keine so wichtige Rolle zubilligen. Denn ob der Zustand des zweiten Teilchens eines verschränkten Paares festgelegt wird, hängt laut Quantenmechanik davon ab, ob ein Beobachter am ersten Teilchen eine Messung vornimmt. Einstein schlug zusammen mit den Physikern Boris Podolski und Nathan Rosen vor, dass die Messergebnisse schon vor der Messung in den Teilchen verborgen liegen und nicht erst im Moment der Messung festgelegt werden. Diese Theorie der sogenannten verborgenen Variablen konnte man durch bisherige Experimente nicht zweifelsfrei ausschliessen. Das skalierbare Design des Experiments der Gruppe um Weinfurter sowie die Art der Detektion der Verschränkung der Rubidium-Atome ermöglicht diese Entscheidung, allerdings muss hierfür das Experiment noch weiterentwickelt werden. „Wir hoffen in wenigen Jahren die Experimente zur Theorie der lokalen-verborgenen Variablen durchführen zu können“, stellt Weinfurter in Aussicht.
CM/PH