Forschungsbericht 2012 - Max-Planck-Institut für Biogeochemie
Kraftwerk Erde: Wie das Erdsystem erneuerbare Energien erzeugt und Grenzen der Nutzung setzt
1. Die Erde als Kraftwerk
Erneuerbare Energien nutzen verschiedene, natürliche Energieformen des Erdsystems, die durch den Menschen in für ihn nutzbare Energie umgewandelt werden. So nutzen zum Beispiel Solarzellen die Energie des Sonnenlichts, Windturbinen die Bewegungsenergie des Windes und Staudämme die Lageenergie des Flusswassers, und wandeln diese Energieformen in elektrische Energie um. Die natürlichen Energieformen werden letztendlich aus dem einstrahlenden Sonnenlicht erzeugt. Die Verfügbarkeit und Nutzung als erneuerbare Energie wird daher durch die Raten bestimmt, mit denen natürliche Prozesse diese Energieformen im Erdsystem erzeugen und durch die Grenzen, mit denen diese maximal genutzt werden können. Diese Grenzen werden durch die Gesetze der Physik gesetzt, insbesondere durch die Hauptsätze der Thermodynamik. Dabei funktioniert das Erdsystem wie ein Kraftwerk und operiert nach den gleichen physikalischen Gesetzen und Grenzen wie Generatoren, Dampfmaschinen oder, allgemeiner, Wärmekraftmaschinen.
Der „Brennstoff“ des „Kraftwerks Erde“ besteht aus Solarstrahlung, aber auch aus Erdwärme und Gezeitenkräften [1]. Die Solarstrahlung liefert dabei mit etwa 175.000 Terawatt (TW, 1 TW = 1012 W) den mit Abstand größten Antrieb, während die Erdwärme mit weniger als 50 TW und die Gezeiten mit 5 TW nur sehr wenig Energie in das System einbringen [1-3]. Die Maßeinheit Terawatt beschreibt dabei Wärmeflüsse und Umwandlungsraten, also Energieerzeugung oder Energieverbrauch pro Zeit. Um diese Zahlen in Bezug zu setzen, sei angemerkt dass der menschliche Energieverbrauch in 2011 etwa 17 TW betrug, während die typische Leistung eines Kohlekraftwerks etwa 1000 MW (oder 0,001 TW) beträgt.
2. Grundlagen von Energieumwandlungen
Die physikalischen Grundlagen für Energieumwandlungen werden beschrieben durch die ersten beiden Hauptsätze der Thermodynamik. Der erste Hauptsatz beschreibt die Erhaltung der Gesamtenergie und bilanziert das Einbringen von Wärme, welches in einem Kraftwerk durch die Verbrennung von Brennstoffen erzeugt wird, mit der Abwärme sowie der produzierten Leistung. Der zweite Hauptsatz besagt, dass bei Energieumwandlungen die Gesamtenergie grundsätzlich stärker verteilt wird, was in der Physik als die Zunahme an Entropie bezeichnet wird. Damit setzt der zweite Hauptsatz der maximalen Leistung eine feste Grenze durch die Bedingung, dass die Abwärme mindestens soviel Entropie exportieren muss wie durch das Einbringen von Wärme dem System hinzugefügt wird. Diese maximale Leistung wird bestimmt durch den Wärmefluss durch das System sowie den Temperaturunterschied zwischen der eingebrachten Wärme und der Abwärme. Der damit verbundene maximale Wirkungsgrad in der Umsetzung von Wärme in Leistung ist bekannt als der Carnot-Wirkungsgrad.
Im Erdsystem entsteht der Antrieb nicht durch Verbrennung, sondern durch unterschiedlich starke Erwärmung der Erdoberfläche, die durch die unterschiedlichen Neigungen der Erdoberfläche zum einfallenden Sonnenlicht entsteht. Dadurch gibt es großskalige Unterschiede in der solaren Einstrahlung zwischen den Tropen und den Polargebieten, und die Oberflächen dieser Regionen werden unterschiedlich stark erwärmt. Dieser Unterschied in der Erwärmung agiert als Antrieb für die Umsetzung von Wärme in Windenergie und zeigt sich in der großskaligen atmosphärischen Zirkulation. Die Grenzen der natürlichen Erzeugung von kinetischer Energie lassen sich dabei mithilfe eines einfachen Modells bestimmen (Abb. 1). Das einfache Modell beschreibt die Energiebilanz der Tropen und der Polargebiete sowie eine Wärmekraftmaschine, die durch den Temperaturunterschied angetrieben wird und Windenergie erzeugt. Je mehr Wärme diese Maschine nutzt und dabei von den Tropen in die Polargebiete transportiert, desto mehr Leistung kann diese Maschine erzeugen. Allerdings wird mit zunehmendem Wärmetransport der Temperaturunterschied ausgeglichen, was die Leistung vermindert. Dies führt zu einem maximalen Wirkungsgrad von lediglich 2%, oder zu einer maximalen globalen Leistung von etwa 1000 TW [1-3]. Das Erstaunliche hierbei ist nicht, dass es diese Grenze gibt, sondern dass die aus Beobachtungen ermittelte Leistung der Atmosphäre tatsächlich in dieser Größenordnung liegt, also dass die Atmosphäre nahe der maximalen Leistung operiert. Diese Feststellung wurde mit detaillierten Modellsimulationen der atmosphärischen Zirkulation bestätigt [4].
3. Energieerzeugung im Erdsystem
Die Bewegungsenergie (oder kinetische Energie) des Windes, die aus Erwärmungsunterschieden erzeugt wird, wird über die gesamte Atmosphäre verteilt und durch Reibung an der Oberfläche wieder in Wärme umgewandelt. Ein Teil der Bewegungsenergie der Atmosphäre verrichtet weitere Arbeit: Über dem Ozean treibt Wind die Wellenbildung an, wobei ein Teil der Bewegungsenergie des Windes in Wellenenergie umgewandelt wird (Abb. 2). Ein Teil der Wellenenergie geht schließlich in der Bewegungsenergie der Ozeanströmungen auf. Ebenso treibt Luftbewegung die Verdunstung an der Oberfläche sowie die Kondensation von Wasserdampf in der Atmosphäre an, und damit den globalen Wasserkreislauf. Regnet das Wasser über Land ab, so erreicht es höhergelegene Oberflächen über dem Meeresspiegel. Die damit verbundene potentielle Energie wird genutzt für den Wassertransport in Flusssystemen.
Diese Beispiele von Energieumwandlungen zeigen auf, wie stark sie innerhalb des Gesamtsystems Erde miteinander verknüpft sind. Ferner wird bei jeder Energieumwandlung ein Teil in Wärme zurückverwandelt, um dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik zu genügen. Dies bedeutet, dass jede weitere Umwandlung mit weniger Leistung verbunden ist. So wird aus der einstrahlenden Solarstrahlung von 175.000 Terawatt nur etwa 1.000 TW Leistung in den großskaligen Winden der Atmosphäre. Weitere Umwandlungen in andere Energieformen, wie Wellenenergie oder Wasserkraft, sind noch geringer, und nur 1 TW Leistung sind letztendlich verbunden mit der windgetriebene Zirkulation des Ozeans.
4. Schlussfolgerungen
Dieser Überblick zeigt, wie verschiedene Energieformen, die als erneuerbare Energien genutzt werden könnten, in die Funktionen des Erdsystems integriert sind [5]. Die Abschätzung der verfügbaren Energiepotentiale zeigt, dass der Energieverbrauch durch die Menschen von 17 TW in der gleichen Größenordnung liegt wie die Leistung, die mit vielen Erdsystemprozessen verbunden ist. Die Verbindung von Erdsystemprozessen mit verschiedenen Formen von erneuerbarer Energie ist ebenfalls in Abbildung 2 dargestellt.
Dabei haben nur die direkte Nutzung der Solarenergie, z. B. durch Photovoltaik oder Solarthermie, und die Windenergie ein deutlich größeres Potential als der gegenwärtige Energieverbrauch durch den Menschen. Dies lässt sich dadurch erklären, dass die anderen Formen erneuerbarer Energie entweder aus sehr viel schwächeren Antrieben gebildet werden (Gezeiten, Erdwärme), oder mehrfach umgewandelte Solarenergie darstellen (z. B. Wasserkraft, Wellenkraft). Die direkte Nutzung der Sonnenenergie ist mit den geringsten Umwandlungsverlusten verbunden und stellt daher mit Abstand das größte Potential für erneuerbare Energie dar.