Kosmischer Kauz

P/2013 P5 ist ein untypischer Asteroid, der so rasch rotiert, dass er Masse verliert und daher mehrere Schweife ausbildet

7. November 2013
Es gibt Körper, die bringen die Ordnung im Sonnensystem gehörig durcheinander – wie P/2013 P5. Ausgestattet mit mehreren deutlich erkennbaren Schweifen mutet er zwar wie ein Komet an, zieht aber innerhalb des Asteroidengürtels seine Kreise um die Sonne – und lässt sich somit keiner der beiden Kategorien zweifelsfrei zuordnen. Ein internationales Team, dem auch Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung angehören, hat den rätselhaften Körper nun mit dem Weltraumteleskop Hubble näher untersucht. Diagnose: P/2013 P5 ist ein Asteroid, der sich unter dem Strahlungsdruck der Sonne so schnell dreht, dass er Material ins All verliert.

Asteroiden sind beständige Himmelskörper. Da sie unter dem Einfluss der Sonne ihre leicht flüchtigen Bestandteile wie etwa Wasser bereits vor Milliarden von Jahren verloren haben, verändern die steinernen Brocken ihr Aussehen kaum. Zwar können Einschläge kleinerer Körper der Oberfläche hier und da einen weiteren Krater hinzufügen; grundlegende Metamorphosen gibt es jedoch keine. Kometen hingegen sind „Staub- und Gasspucker“: Unter dem Einfluss der Sonne verdampft Material von ihrer Oberfläche und reißt Staubteilchen mit sich.

Im Jahr 1996 geriet diese Sicht der Dinge ins Wanken: Auf Bildern des Asteroiden 1979 OW7, der später in Komet 133P/Elst-Pizarro umgetauft werden musste, zeigte sich ein deutlicher Schweif. Ein Komet im Asteroidengürtel? Oder ein Asteroid, der Gas und Staub spuckt? Die genaue Zuordnung dieser astronomischen Zwitter, von denen bisher kaum mehr als zehn bekannt sind, fällt bis heute schwer. Auch sprachlich wird die Verwirrung deutlich: Forscher sprechen von aktiven Asteroiden oder Hauptgürtel-Kometen. Welche Bezeichnung für P/2013 P5 zutreffender ist, sollte die neue Studie unter Leitung von David Jewitt von der University of California klären.

„Vieles spricht dafür, dass die sogenannten aktiven Asteroiden keine einheitliche Gruppe bilden“, sagt Jessica Agarwal vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau. Von der Oberfläche einiger Vertreter sublimiert vermutlich Eis (geht also sofort vom festen in den gasförmigen Zustand über). Dieses stammt wahrscheinlich aus dem tiefen Innern der Körper und wurde möglicherweise durch heftige Einschläge freigelegt. Bei anderen aktiven Asteroiden haben Zusammenstöße Fontänen aus Staub erzeugt, die noch monatelang als Schweif sichtbar waren. „Bei den meisten dieser Körper ist jedoch der Ursprung des Schweifes völlig unklar“, so Agarwal.

Auch P/2013 P5 war zunächst ein Rätsel. In den Aufnahmen vom August dieses Jahres, in denen er entdeckt wurde, schmückt er sich bereits mit einem Schweif. Der genauere Blick, den die Forscher nun mit dem Weltraumteleskop Hubble auf den Sonderling richteten, offenbarte weitere: Insgesamt sechs Schweife umgeben den Körper wie die Speichen eines Wagenrads; die Forscher haben sie von A bis F durchnummeriert.

„Allein diese Anzahl spricht dagegen, dass die Schweife auf Kollisionen oder Einschläge zurückzuführen sind“, sagt Agarwal. Sechs Einschläge innerhalb kurzer Zeit seien doch eher unwahrscheinlich. Auch Sublimation von Eis könne man so gut wie ausschließen. Da P/2013 P5 sich am inneren Rand des Asteroidengürtels bewegt – also für einen Asteroiden in großer Sonnennähe –, dürfte kein Eis mehr existieren.

Die Forscher tippten deshalb darauf, dass der Körper so schnell rotiert, dass er Masse verliert. Angetrieben wird er dabei vom Druck des Sonnenlichts. Da dieses unter verschiedenen Winkeln auf die zerklüftete Oberfläche trifft, kann sich unterm Strich ein Gesamtdrehmoment ergeben, das seine Rotation mehr und mehr beschleunigt. Irgendwann wird dadurch die Fliehkraft am Äquator stärker als die schwache Schwerkraft des mit einem geschätzten Durchmesser von 480 Metern recht kleinen Körpers: Material wird von der Oberfläche fortgeschleudert.

Entscheidende Hinweise lieferte der Vergleich von Hubble-Aufnahmen, die zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten im September dieses Jahres gelangen. „Zwischen den Beobachtungen lagen 13 Tage. In dieser Zeit hatte sich unser Forschungsobjekt stark verändert“, so Agarwal. Während ein Schweif fast unverändert geblieben war, hatte ein zweiter deutlich an Länge und Leuchtkraft zugenommen. Alle anderen waren verblasst.

In Computersimulationen gelang es dem Team, genau diese Veränderung zu rekonstruieren. Dafür berechneten die Wissenschaftler die Bahnen vieler hypothetischer Staubteilchen verschiedener Größe und verschiedenen Alters und verglichen deren Positionen mit denen der beobachteten Schweife. Einzige Annahme war, dass allein Strahlungsdruck und Gravitation der Sonne die Bewegung der Teilchen beeinflussen.

„Unsere Rechnung und die tatsächlichen Beobachtungen stimmen sehr gut überein“, bilanziert Jessica Agarwal, die die Rechnungen durchführte. „Besonders ermutigend ist, dass wir die zeitliche Entwicklung zwischen den beiden Beobachtungstagen gut wiedergeben können.“

Offenbar entstand jeder der sechs Schweife zu einem anderen Zeitpunkt, der jüngste nur wenige Tage vor den Hubble-Aufnahmen. Er konnte in den folgenden Tagen deshalb an Helligkeit zulegen, während alle anderen – je nach Größe ihrer Staubteilchen – nach und nach schwanden.

BK / HOR

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