Erst streiten, dann entscheiden

Schwarmintelligenz: Zankende Erdmännchen finden bessere Nahrungsplätze

5. Dezember 2013

Wenn die Mitglieder einer Gruppe unterschiedliche Interessen verfolgen, kommt die Gruppe zu besseren gemeinsamen Entscheidungen. Dies zeigt eine Studie von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung (MPIB) in Berlin und der London School of Economics (LSE), in die sie unter anderem Daten zu Erdmännchen einbezogen.

Konflikte innerhalb einer Gruppe können zu besseren Ergebnissen führen als die Übereinstimmung ohne jeglichen Widerspruch. Bisherige Studien, die sich mit dem Thema Schwarmintelligenz in der Biologie beschäftigten, haben Interessenskonflikte weitestgehend ausgeklammert. Doch nun legte die Forschergruppe des MPIB und der LSE in der vorliegenden Untersuchung einen Fokus auf das Thema. Die Wissenschaftler werteten dafür theoretische Daten von Tieren aus, die in sozialen Gruppenverbänden leben. Die Ergebnisse wurden in der Novemberausgabe der Zeitschrift „The American Naturalist“ publiziert.

Die Studie zeigt, dass es für die Erreichung eines gemeinsamen Ziels in einer Gruppe am besten ist, wenn unterschiedliche Interessen zusammen kommen. Wichtig ist lediglich, dass die einzelnen Tiere ein gemeinsames Hauptziel verfolgen, wie zum Beispiel die Futtersuche oder den Schutz vor möglichen Angreifern. Ein von den Wissenschaftlern entwickeltes Entscheidungsmodell demonstriert, dass Individuen in einer Gruppe mit unterschiedlichen Interessen weniger häufig die gleichen Fehler machen. Stattdessen machen sie unterschiedliche Fehler. Da sich in einer kollektiven Entscheidung jedoch unterschiedliche (aber nicht gleiche) Fehler gegenseitig ausgleichen, kommt es in einer Gruppe mit Interessenskonflikten zu akkurateren Gruppenentscheidungen. „Gemeinsame Entscheidungen in Gruppen basieren auf kleineren Meinungsverschiedenheiten, die Fehler ausgleichen. Dies heißt, dass sich die Qualität einer Gruppenentscheidung durch die Anzahl der unterschiedlichen Entscheidungsträger verbessern kann“, sagt Christian List von der LSE.

Ein Beispiel ist die Futtersuche: Auf der Suche nach Nahrung wählen Gruppen mit unterschiedlichen Interessen zuverlässiger die reichhaltigeren Futterplätze aus als Gruppen mit vollkommen übereinstimmenden Interessen. Auf diese Art profitiert jeder in der Gruppe von dem Konflikt, der letztendlich zum besseren Ergebnis führt. Und schließlich werden Entscheidungen trotz Konflikten getroffen, da es nicht im Interesse von sozialen Gruppen wie den Erdmännchen liegt, dass die Gruppe auseinander geht. „Unsere Ergebnisse zeigen auch, dass gemeinsame Entscheidungen, die ohne Interessenskonflikte zustande kamen, häufig überraschend schlecht sind. Dies liegt daran, dass gleichgesinnte Tiere oftmals in denselben Situationen die gleichen Fehler machen, die sich dann im Kollektiv nicht gegenseitig ausgleichen können. Es ist möglich, dass dies auch auf menschliche Gruppenentscheidungen anwendbar ist und würde dann ein starkes Argument dafür liefern, verschiedene Interessensgruppen und Minderheiten nicht von gemeinsamen Entscheidungen auszuschließen“, sagt Studienleiterin Larissa Conradt, Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin und Expertin für das Gruppenverhalten von Tieren.

SB

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