Begegnung am Roten Planeten
Die Marssonden bereiten sich auf den Vorbeiflug des Schweifsterns Siding Spring vor
Als der Komet mit der wissenschaftlichen Bezeichnung C/2013 A1 am 3. Januar 2013 im Blickfeld eines Teleskops am australischen Observatorium Siding Spring auftauchte, hielt er bereits Kurs auf den Mars. Sogar eine Kollision mit dem Roten Planeten erschien zunächst möglich. Genaue Beobachtungen in den Folgemonaten brachten die Entwarnung: Zu einem Zusammenstoß würde es zwar nicht kommen, der Komet jedoch würde den Mars in einem Abstand von nur etwa 132000 Kilometern passieren; dies entspricht in etwa einem Drittel der Entfernung zwischen Erde und Mond.
Dabei hätte sich der kosmische Gast keine günstigere Flugroute aussuchen können – zumindest aus wissenschaftlicher Sicht. Kein anderer Planet wird von so vielen Messinstrumenten vor Ort überwacht: Derzeit erforschen fünf Raumsonden den Mars aus einer Umlaufbahn, zwei Rover bahnen sich ihren Weg über die Oberfläche. In der Zeit des Vorbeiflugs werden all diese Instrumente ihren Blick auf das ungewohnte Forschungsobjekt richten und jedes Detail der einzigartigen Begegnung aufzeichnen.
Das gilt auch für den Teilchendetektor ASPERA-3 an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express. Das Spektrometer – wie auch die Sonde selbst – gehört zu den betagteren Instrumenten: Seit 2003 misst es geladene und ungeladene Teilchen in der Atmosphäre und Umgebung unseres Nachbarplaneten.
Anders als etwa bei der neuen NASA-Raumsonde MAVEN, die den Mars erst vor wenigen Wochen erreichte, sind daher nicht zu strenge Sicherheitsvorkehrungen vorgesehen, um die Sonde vor dem heranrasenden Kometenstaub zu schützen. „ASPERA-3 wird während des gesamten Vorbeiflugs aktiv sein“, sagt denn auch Markus Fränz vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung.
„Wir erwarten, dass sich der Kometenschweif und die Marsatmosphäre zum Teil vermischen werden“, so Fränz. Die Wissenschaftler schätzen, dass Siding Spring pro Sekunde etwa 100 Kilogramm fremden Materials in die Marsatmosphäre eintragen wird. Das entspricht der Menge an Teilchen, die der Mars kontinuierlich ins All verliert. „Diese geringen Teilchendichten machen die Messungen zu einer großen Herausforderung“, so Fränz.
Dennoch hoffen die Forscher verfolgen zu können, wie sich die Zusammensetzung der Marsatmosphäre durch den vorbeirauschenden Gast verändert. Neben anderen Ionen und Molekülen müsste ASPERA-3 etwa Wassermoleküle aufspüren, die normalerweise in der oberen Marsatmosphäre nicht vorkommen. „Die Zusammensetzung des Schweifs von Siding Spring auf diese Weise zu entschlüsseln, liefert uns ein weiteres Puzzleteil zum Verständnis der Entstehung unseres Sonnensystems“, sagt Markus Fränz.
Die langperiodischen Kometen, zu denen auch Siding Spring zählt, entstammen der sogenannten Oortschen Wolke, einer Region in den Tiefen des Weltraums weit jenseits der Umlaufbahn des Neptuns. Fern der Sonne hat sich dieser Teil des Alls seit der Geburtsstunde des Planetensystems kaum verändert. Welche Stoffe liegen dort in welchem Verhältnis vor? Durch welche Vorgänge bildeten sich Kometen und andere gefrorene Brocken?
„Jeder Komet ist ein wenig anders“, meint Fränz. „Indem wir möglichst viele genau untersuchen, können wir uns ein immer besseres Bild von ihrem Entstehungsort machen.“ Am Mars könnte Siding Spring ein Teil dieses Geheimnisses preisgeben.
BK / HOR