Forschungsbericht 2014 - Max-Planck-Institut für Chemie
Feuer und Rauch: Mit Satellitenaugen beobachtet
Feuer im Erdsystem
Savannen-, Wald- und andere Vegetationsfeuer sind ein weltweites Phänomen. Sie sind integraler Bestandteil verschiedenster Ökosysteme, in denen sich die Feuer in Abständen von einem Jahr bis zu einigen Jahrhunderten wiederholen. Vegetationsbrände treten natürlich auf, und können mit versteinerten Holzkohlefunden bis zum Devon zurückverfolgt werden. Heutzutage überwiegt die absichtliche oder versehentliche Entzündung durch Menschen, die andererseits auch die Feuerausbreitung bekämpfen. Abbildung 1 zeigt links die globale Feuerverteilung während eines Jahreszyklus.
Feuer verursachen einen jährlichen Kohlenstofffluss von ca. zwei Gigatonnen in die Atmosphäre. Das entspricht etwa 20 Prozent des Flusses aus fossilen Brennstoffen und ist somit ein wichtiger Teil des globalen Kohlenstoffkreislaufs. Zwar wird der Großteil des freigesetzten Kohlendioxids durch erneuten Pflanzenwuchs wieder aufgenommen, aber die Abholzung und Verbrennung tropischer Wälder sowie Torf- und Tundrafeuer sind irreversibel.
Toxische Rauchgase und -partikel beinträchtigen die lokale und regionale Luftqualität. Beispielsweise haben Feuer in Sumatra im Juni 2013 in Singapur zu einer zwölffachen Überschreitung des Feinstaubrichtwertes der Weltgesundheitsorganisation geführt. Die Feuer wurden im Zusammenhang mit der Anlage von Palmplantagen gelegt. Feuer sind eine signifikante Quelle für viele atmosphärische Spurenstoffe. Global tragen sie rund ein Drittel zu den Emissionen von Kohlenmonoxid und Feinstaub bei. Der relative Anteil an den gesamten Feinstaubemissionen ist in Abbildung 1 rechts illustriert.
Rauchpartikel beeinflussen auch das Klima. Sie enthalten Ruß und organisches Material in unterschiedlichen Anteilen. Die beiden Anteile haben entgegengesetzte Wirkungen auf die Energiebilanz der Erde: Dunkler Rauch mit hohem Rußanteil bewirkt eine Erwärmung. Heller Rauch mit niedrigem Rußanteil bewirkt eine Abkühlung. Im globalen Mittel überwiegt der Kühlungseffekt. Auf Eis und Schnee abgelagerte Rußpartikel erhöhen die Absorption von Sonnenlicht und tragen so zu der vermehrten Eisschmelze in der Arktis bei. Die Rauchpartikel fungieren auch als Wolkenkondensationskerne und haben entsprechend komplexe Wirkungen auf Wolken und Niederschlag.
Frühe Feuerquantifizierung
Schon im 19. Jahrhundert berechnete Alexander von Danckelman [1] die Menge der in Afrika südlich des Äquators jährlich verbrannten Biomasse aus Abschätzungen der verbrannten Savannenfläche und der Biomassedichte (kg m-2). Seiler und Crutzen erweiterten den Ansatz 1980 auf die gesamte Erde und die Abschätzung von Spurengasemissionen [2]. Der Berechnungsansatz beruht auf der Multiplikation der verbrannten Fläche, der pro Flächeneinheit verbrannten Biomasse und der Emissionsfaktoren (pro Kilogramm verbrannter Biomasse freigesetzte Spurengase oder Rauchpartikel). Diese Berechnungsgrößen werden jeweils vom Vegetationstyp abhängig parametrisiert. Mangels besserer Alternativen mussten die Berechnungsgrößen mittels Extrapolation von demographischen Statistiken und Landnutzungsdaten abgeschätzt werden.
In den darauffolgenden zwei Dekaden konnte ein Teil der Unsicherheiten durch weiterführende Arbeiten deutlich reduziert werden. So wurden bei gezielt gesetzten Vegetationsbränden in den Tropen und in borealen Gebieten Feldmessungen am Boden und von Flugzeugen aus durchgeführt. Daraus konnten wesentliche Erkenntnisse über das Brand- und Emissionsverhalten gewonnen werden. Abbildung 2 zeigt eines der größten Experimente dieser Art. Parallel wurde der Einfluss der Rauchwolken auf die atmosphärische Umwelt und das Klima erstmalig beleuchtet [3].
Globale Satellitenbeobachtungen von Feuern
Die Satellitenfernerkundung ermöglicht seit den 1980er Jahren zunehmend genauere Abschätzungen der globalen Verteilung von Brandflächen, einschließlich ihrer zeitlichen Trends und Variabilität. Seit 1999 gibt es mit dem MODIS-Instrument (MODerate-resolution Imaging Spectroradiometer) erstmals einen Satellitensensor mit speziellen Merkmalen für die Beobachtung von Vegetationsbränden [4]. Mit dem Start des zweiten MODIS-Instrumentes wird die gesamte Erde seit 2003 alle sechs Stunden beobachtet, was aufgrund der kurzen Lebensdauer der meisten Feuer wichtig ist.
Die Vegetationsbrände werden auf zwei verschiedene Arten beobachtet:
- Die verbrannte Fläche (burnt area) wird nach dem Brand als plötzliche Verringerung der Bodenreflektion registriert. Mit diesen Beobachtungen und dem Ansatz von Seiler und Crutzen werden nun globale Emissionsinventare berechnet [5].
- Bereits während des Feuers wird erhöhte Wärmestrahlung registriert (active fire). Aus der Anzahl der detektierten Feuer lässt sich die verbrannte Fläche abschätzen, allerdings mit relativ großer Unsicherheit. Eine quantitative Auswertung ergibt auch die Leistung der Wärmestrahlung, die sog. fire radiative power (FRP). In Laborstudien hat FRP eine Proportionalität zur Verbrennungsrate der Biomasse gezeigt [6].
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Chemie (MPIC) haben in der Vergangenheit gezeigt, wie die Feueremissionen auch aus den satellitengestützten FRP-Beobachtungen berechnet werden können [7]: Zunächst werden durch Wolken bedingte Beobachtungslücken überbrückt, um kontinuierliche globale FRP-Abschätzungen zu erhalten. Daraus wird die Menge der verbrannten Biomasse mit einem zu Seiler und Crutzen alternativen, feuertypspezifischen Ansatz berechnet. Schließlich werden die Emissionen der verschiedenen Rauchbestandteile mit Emissionsfaktoren berechnet. Das ermöglicht einerseits eine globale Bestimmung der Feueremissionen in Echtzeit und reduziert andererseits Unsicherheiten, die aus geringer Kenntnis der zum Zeitpunkt des Feuers vorhandenen Biomasse und des davon tatsächlich verbrannten Prozentsatzes entspringen.
Feuerüberwachung im Copernicus Atmosphärendienst
Die Europäische Union finanziert den operationellen Copernicus Atmosphärendienst als Teil des weltweit größten zivilen Erdbeobachtungsprogramms Copernicus. In den Vorläuferprojekten GEMS und MACC-I/-II/-III haben die Forscher des MPIC die neuen, FRP-basierten Emissionsberechnungen als Global Fire Assimilation System (GFAS) entwickelt und implementiert. Derzeit leitet das MPIC die Weiterentwicklung von GFAS in MACC-III.
Der Atmosphärendienst und seine Vorläuferprojekte produzieren mit GFAS seit 2008 tagesaktuelle Emissionsdaten für 44 verschiedene Spurengase und Aerosolkomponenten. Diese sind ein essenzieller Input für die globalen Analysen und Fünf-Tages-Vorhersagen der chemischen Atmosphärenzusammensetzung und der europäischen Luftqualität, die der Atmosphärendienst täglich produziert.
Abbildung 3 zeigt ein Beispiel von interkontinentalem Transport von Rauchpartikeln aus großen Feuern in Sibirien. Dabei stammen die Feuerdaten aus GFAS, während die Aerosoldaten mit dem globalen MACC-Atmosphärenmodell, das auch Information von GFAS und satellitengestützten Aerosolbeobachtungen berücksichtigt, berechnet wurden.
Feuer ist eine sogenannte Essential Climate Variable, die durch burnt area, active fire und FRP charakterisiert wird. Deswegen tragen Forscher des MPIC seit mehreren Jahren GFAS-basierte Analysen zum jährlichen State of the Climate Report der US-amerikanischen Wetterbehörde NOAA bei [8].
Abbildung 4 zeigt die GFAS Zeitreihe der globalen monatlichen Feueraktivität im Vergleich zur burnt area-basierten GFED Zeitreihe. Die beiden Datensätze haben unterschiedliche Stärken und Schwächen. Beispielsweise repräsentiert FRP die relativ schwachen Feuer auf abgeernteten Feldern in Osteuropa, Nordamerika und Teilen Asiens besser als burnt area. Dies führt zu den weniger ausgeprägten globalen Minima. Die regionale Variabilität ist deutlich ausgeprägter als die globale. So wurde 2014 eine zweifach überdurchschnittliche Feueraktivität in Nordamerika und im tropischen Asien durch circa 15 Prozent weniger Feuer in Afrika und Südamerika ausgeglichen.
Ausblick
Trotz weltweit aktiver Forschung bestehen noch große Unsicherheiten bei der Abschätzung von Emissionen aus Vegetationsfeuern. Dies drückt sich z. B. in der Streuung der mit verschiedenen Methoden berechneten regionalen Emissionen um bis zu einer Größenordnung aus [9]. Die Analyse von Feuerbeobachtungen weiterer, insbesondere geostationärer, Satelliten wird die Unsicherheit in Zukunft verringern.
Für Feinstaub scheinen die aus Satellitenbeobachtungen der Rauchwolken indirekt bestimmten Flüsse (top-down) systematisch höher zu liegen als die aus Feuerbeobachtungen (bottom-up) bestimmten [7]. Diese Diskrepanz hängt unter anderem mit den beobachteten schnellen chemischen Prozessen in der Rauchfahne zusammen [10]. Diese Prozesse können nur in Modellen mit einer höheren Auflösung adäquat dargestellt werden, als sie derzeitige globale Modelle (40 Kilometer und mehr) verwenden.
Die umfangreiche Validierung der operationell vorhergesagten Rauchverbreitung innerhalb des Copernicus Atmosphärendienstes lässt umfassende Rückschlüsse auf die Genauigkeit der verwendeten Feueremissionen zu. Das MPIC wird diese mit seiner etablierten Expertise in globaler Atmosphärenchemie, Multiphasenchemie, Aerosol- und Wolkenphysik sowie Satellitenbeobachtungen kombinieren, um die Feueremissionen genauer zu bestimmen. Darüber hinaus hat das MPIC den Vorsitz der von der Weltorganisation für Meteorologie mit ins Leben gerufenen Forschungsinitiative Interdisciplinary Biomass Burning Initiative, IBBI).