Jens Frahm mit einem Probanden, der in ein MRT geschoben wird.

Wie aus Wissen Wirtschaft wird

Die Zahlen können sich sehen lassen: Bisher wurden 4.975 Erfindungen betreut, ca. 3.000 Verwertungsverträge abgeschlossen, etwa 190 Ausgründungen begleitet und Verwertungserlöse von 585 Millionen Euro verbucht. Max-Planck-Innovation, die Technologietransfer-Stelle der Max-Planck-Gesellschaft, vermittelt erfolgreich zwischen Wissenschaft und Wirtschaft.

 

Text: Tim Schröder / Markus Berninger

Die Max-Planck-Gesellschaft betreibt Grundlagenforschung. Das ist ihre Aufgabe. In den über ganz Deutschland verstreuten Instituten lauschen Astronomen dem Echo des Urknalls, ergründen Anthropologen das Hirnwachstum von Homo erectus und Materialwissenschaftler die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Rissen. Die Forscher gehen den Dingen auf den Grund. Sie wollen die Welt erklären und fördern manchmal Erkenntnisse zutage, die das Weltbild ein Stück weit verändern. „Frei und unabhängig“ soll die Arbeit sein. So schreibt es die Satzung vor.

Und tatsächlich wirkt manches Forschungsprojekt so frei, unabhängig und zugleich entrückt, dass es beinahe ätherisch scheint, wie jene kosmischen Staubwolken, in denen neue Sterne entstehen – übrigens ebenfalls ein Thema der Max-Planck-Forscher. Doch das ist nur die eine Seite. Denn die Max-Planck-Gesellschaft produziert nicht allein geballtes Wissen, sondern auch eine Menge Patente und praktisch nutzbare Erfindungen; Ideen, die die industrielle Entwicklung voranbringen und die Grundlage für neue Produkte legen – die vielen Menschen zugutekommen.

Damals benötigten die üblichen Instrumente länger als eine Stunde, um einzelne Körperabschnitte von Patienten abzubilden. Das Flash-Verfahren reduzierte dank einer neuen Messmethode die Zeit auf wenige Minuten und war derart schnell, dass man erstmals bewegte Bilder des Herzens aufnehmen konnte – eine Sensation.

„Diese Entwicklung war so einschneidend, dass fortan kein Hersteller mehr ohne sie leben konnte“, sagt Jens Frahm, Kopf der damaligen Flash-Mannschaft am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen, „das war für uns natürlich eine einzigartig gute Marktposition.“ Doch bis die Wissenschaftler den Lohn ihrer Entwicklung ernten konnten, sollten Jahre vergehen. Zunächst erlebten sie mit Flash ihren eigenen Wirtschaftskrimi.

Streit um Patente für Flash-Verfahren

Grundlagenforscher sind nur selten gewiefte Geschäftsleute. Nicht jeder ist mit den harten Spielregeln des Patentrechts vertraut. Frahm und seine Mitarbeiter setzen im Jahr 1985 deshalb auf die Unterstützung von Garching-Innovation (GI), wie die Technologietransferstelle der Max-Planck-Gesellschaft damals noch hieß. Ein weiser Schritt. Garching-Innovation – Ende 2006 in Max-Planck-Innovation (MI) umgetauft – vermittelt zwischen den Welten, zwischen Wirtschaftsunternehmen und Grundlagenforschern. 1985 haben die Innovationsberater bereits 15 Jahre Erfahrung in Sachen Technologietransfer und schon viele Entwicklungen in Form von Lizenzen an Firmen übertragen.

Flash entwickelt sich zu einer Patentrechtsschlacht ungeahnten Ausmaßes: Die großen Elektronikhersteller erkennen sofort die Bedeutung der Erfindung. Frahm und die GI wollen die Technik mehreren Firmen zur Verfügung stellen und handeln zunächst mit General Electric in den USA und Siemens Kooperationen und Nutzungsrechte aus. Aus der Vereinbarung mit Siemens fließt anfangs immerhin genug Geld, um damit die Patentanmeldungen in der EU, in den USA, in Japan und in Israel zu finanzieren.

Doch GI und Frahm bleiben hart. Trotz der Übermacht. Allen ist bewusst, dass viel auf dem Spiel steht. Wie viel, wird klar, als die Gerichte 1993 endlich ihr Urteil fällen: Die Unternehmen müssen Lizenzgebühren zahlen – rückwirkend. Bis dahin hat die Max-Planck-Gesellschaft nahezu 1,5 Millionen Euro in den Rechtsstreit investiert. Die zahlen sich aus, denn der Richterspruch beschert der Max-Planck-Gesellschaft bis zum Jahr 2006 Einnahmen in Höhe von rund 155 Millionen Euro, der weitaus größte Betrag in der Geschichte von GI beziehungsweise Max-Planck-Innovation. Inzwischen ist das Patent abgelaufen. Die Technik aber ist noch heute Basis eines jeden neuen Magnetresonanztomografen.

„Flash ist nicht nur finanziell der bedeutendste Technologietransfer in der Geschichte von Max-Planck-Innovation“, sagt Jörn Erselius, Geschäftsführer der Max-Planck-Tochter. „Der Patentstreit hat uns auch international enorme Anerkennung beschert.“ So stehe Max-Planck-Innovation in den Augen vieler Industrie­unternehmen heute als kompetente Instanz mit Durchsetzungskraft da. Das ist wichtig für künftige Erfindungen aus den Labors der Max-Planck-Gesellschaft. Denn für gewöhnlich braucht eine Idee aus der Grundlagenforschung risikobereite Kapitalgeber, die helfen, sie zum reifen Produkt zu päppeln. Um die muss man sich bemühen.

Doch auch im eigenen Haus müssen Erselius und seine Mitarbeiter für ihre Arbeit werben – um die Forscher von der Bedeutung des Technologietransfers zu überzeugen. Das ist keine leichte Aufgabe, „weil viele den Wert ihrer Arbeit nicht mit Patenten oder Lizenzen, sondern mit Veröffentlichungen in renommierten Magazinen messen“, sagt Erselius.

Doch es tut sich etwas: „Bis in die 1990er-Jahre führte Technologietransfer in der Max-Planck-Gesellschaft weitgehend ein Schattendasein. Inzwischen denken viele anders“, sagt der Geschäftsführer. Beispiele wie Flash mögen dazu beigetragen haben. „Letztlich hat sich an dem Ziel der hehren, freien Grundlagenforschung ja nichts geändert – wir versuchen einfach klarzumachen, dass man nebenbei auch noch andere Dinge tun kann.“ Erfindungen an den Mann bringen zum Beispiel.

Max-Planck-Innovation unterstützt Wissenschaftler bei Wissenstranser

Max-Planck-Innovation macht das gemeinsam mit den Forschern auf zwei Wegen: über Lizenzvereinbarungen oder die Ausgründung einer Firma. Circa 30 Mitarbeiter gehören zum Team – Biologen und Physiker, Juristen, Betriebswirte und ein Chemiker. „Unsere Naturwissenschaftler verstehen zum einen die Sprache der Forscher, sind darüber hinaus aber auch in Sachen Patentrecht und im Patent- und Lizenzmanagement geschult“, sagt Erselius, selbst Biologe mit zusätzlichem MBA-Abschluss. Und noch eine Eigenschaft ist entscheidend: Sie müssen verkaufen können. Denn wer sich mit den Entwicklungschefs großer Unternehmen an einen Tisch setzt, soll überzeugen, die Erfindung angemessen präsentieren.

Die Mitarbeiter von Max-Planck-Innovation nehmen den Wissenschaftlern einen entscheidenden Teil der Außenkontakte ab: Sie führen Vertrags­verhandlungen, kümmern sich um Lizenzen, fechten Patentrechte durch oder unterstützen bei der Ausarbeitung von Business-Plänen, wenn es darum geht, eine Firma auszugründen.

Schon seit dem Zusammenbruch des Neuen Marktes im Jahr 2001 waren Venture-Capital-Geber sehr vorsichtig geworden. Erselius: „Ein-Produkt-Firmen haben heute nur noch in Ausnahmefällen eine Chance. Vielmehr muss man deutlich machen, dass die neue Technik breit anwendbar ist, dass es Perspektiven für neue, andere Produkte gibt, falls eines floppt.“ Der Businessplan muss das berücksichtigen. Aber selbst wenn diese Bedingung erfüllt ist: Inzwischen hat die jüngste Finanzkrise – nach einer leichten zwischenzeitlichen Erholung – weitere Einschnitte gebracht, sodass sogar die Existenz junger, bestehender Unternehmen etwa in der Biotech-Branche bedroht ist.

Da ist Unterstützung bei der Firmengründung umso wichtiger. So hilft die Max-Planck-Innovation auch bei der Zusammenstellung der richtigen Gründungsmannschaft. Schließlich kann eine junge Firma nur dann Investoren überzeugen, wenn neben erst­klassigen Forschern ein fähiges Management mit im Boot sitzt, das die Geschäfte führt. „Man braucht einfach Kompetenz auf beiden Seiten. Wir versuchen beides zusammenzubringen“, sagt Jörn Erselius.

Sunitinib - ein Beispiel für gelungenen Wissenstransfer

Sich selbst auf die Forschung konzentrieren und die Geschäfte verlässlichen Partnern überlassen – so hat es auch Axel Ullrich stets gehalten. „Ich bin sicher nicht dazu berufen, Unternehmer zu sein. Das übergebe ich lieber an Leute, die das können und zugleich meine Arbeit verstehen“, sagt der Direktor am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried bei München. Nichtsdestotrotz gehört der Biochemiker und Entwickler von Krebsmedikamenten wohl zu den geschäftstüchtigsten Wissenschaftlern der Max-Planck-Gesellschaft. In rund 40 Jahren Forschungsarbeit hat er vier Firmen gegründet und 60 Patente angemeldet.

Zu Ullrichs erfolgreichsten Entwicklungen gehört das Brustkrebsmedikament Herceptin®, das aus seiner Zeit bei der Ende der 1970er-Jahre gegründeten US-Firma Genentech stammt. Inzwischen hat mit Sutent® ein neuer Krebswirkstoff den großen Durchbruch geschafft. Möglichweise avanciert er in diesem Jahr zum Blockbuster – so nennen Pharmaunternehmen Medikamente, die mehr als eine Milliarde Dollar Umsatz im Jahr bringen. So könnte Sutent® ein ähnlicher Erfolg wie Flash werden – und ist wie dieses ein weiteres Beispiel dafür, wie viele Jahre von der Entwicklung einer Idee bis zum erfolgreichen Produkt vergehen können.

Die Genese von Medikamenten kostet Zeit und gipfelt in teuren klinischen Studien, die kaum eine Forschungseinrichtung allein schultern kann. Auch Sutent® hätte es ohne die Potenz eines großen Pharmakonzerns nicht gegeben. Sutent® (oder besser der Wirkstoff Sunitinib) ist ein Multikinasehemmer, der mehrere zelluläre Schalter gleichzeitig umlegt, die für das Wachstum von Tumoren und der den Tumor versorgenden Blutgefäße wichtig sind. Der Wirkstoff blockiert Rezeptoren an der Oberfläche von Krebszellen. Docken an diese Rezeptoren bestimmte Moleküle an, sogenannte Wachstumsfaktoren, löst der Rezeptor eine Reihe fataler Signale aus. Sunitinib verhindert das, der Tumor stirbt ab.

Bereits Anfang der 1990er-Jahre wird Axel Ullrich dieser zelluläre Stoffwechselmechanismus klar. Genauso klar ist, dass er Unterstützung benötigt, wenn daraus jemals eine Arznei werden soll. „Mir lag viel daran, die Idee selbst bis zur Anwendung weiterzuentwickeln“, sagt der Max-Planck-Forscher. Eine Auslizenzierung kommt also nicht in Frage. Ullrich entschließt sich, mit seinem Kollegen Joseph Schlessinger eine Firma zu gründen. In Deutschland hat zu der Zeit kaum ein Unternehmen Interesse an der biotechnologischen Forschung. Die beiden entscheiden sich deshalb für den Standort USA. Die New York University steigt als Kooperationspartner mit ein.

Ullrich will einen Alleingang vermeiden und fragt bei der GI nach. Der damalige Geschäftsführer Heinrich Kuhn glaubt an Ullrichs Idee, setzt sich für die Firma ein und erreicht schließlich, dass die Max-Planck-Gesellschaft Mitgründer der neuen Firma Sugen wird. Später wird Sugen an das schwedische Unternehmen Pharmacia verkauft, das dann von Pfizer übernommen wird. Der Pharma-Riese treibt die klinischen Studien in Rekordzeit voran. Ihre Anteile am Sutent®-Geschäft aber behalten die Max-Planck-Gesellschaft und Ullrich, dafür setzt sich Max-Planck-Innovation ein. Auch Pfizer ist nach wie vor verpflichtet, vom Umsatz abhängige Lizenzgebühren zu zahlen. Für die nächsten Jahre dürfte Sutent® der Max-Planck-Gesellschaft Lizenzeinnahmen in Millionenhöhe bescheren.

Sutent® macht deutlich, wie wichtig es ist, wertvolles Wissen zu sichern, wenn man später nicht leer ausgehen will. Jörn Erselius mahnt deshalb immer wieder dazu, in langer, mühevoller Arbeit gewonnene Erkenntnisse durch Patente zu schützen. Er weiß, dass viele Forscher dennoch zögern. „Für viele stehen Patente und eine Veröffentlichung in Fachzeitschriften im Widerspruch – die Forscher schrecken deshalb vor einer Patentanmeldung zurück.“ Ihre Befürchtung: Das langwierige Prozedere verzögert die Veröffentlichung, darf man doch nicht publizieren, bevor das Patent angemeldet ist.

Doch das stimmt nur zum Teil. „Das Veröffentlichungsverbot“, so Erselius, „gilt nur bis zu dem Tag, da die Patent­anmeldung eingereicht wird – danach steht der Veröffentlichung nichts mehr im Wege.“ Wichtig sei jedoch, dem Patentanwalt den Tag der geplanten Veröffentlichung mitzuteilen. „Letztlich kommt es nur auf die richtige Reihenfolge von Veröffentlichung und Patent­anmeldung an.“

Lücke zwischen Grundlagen- und Anwendungsforschung

Erselius empfiehlt jedem Wissenschaftler, sich im Zweifelsfalle bei Technologietransferstellen abzusichern – so wie es die Max-Planck-Forscher bei Max-Planck-Innovation tun können. Und noch eines liegt ihm am Herzen: „Zwischen Forschung und Anwendung klafft eine Innovationslücke“, sagt Jörn Erselius. „Bund und Länder geben pro Jahr fast 20 Milliarden Euro für die Förderung der Wissenschaft aus, davon gut die Hälfte für die Grundlagenforschung.“ Ein Bruchteil dieser Summe würde genügen, um viele Entdeckungen und Erfindungen so weiter zu entwickeln, dass sie von der Industrie aufgegriffen werden können. Doch dafür gibt es bislang noch zu wenig Mittel, und die Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung schlagen sich nicht in dem Maße in Innovationen nieder, wie es möglich wäre.

Um Erfindungen, die unter anderem aus der Grundlagenforschung der Max-Planck-Institute stammen, industriekompatibel oder gemäß den Anforderungen von Eigenkapitalinvestoren zu validieren und damit näher an die Industrie und den Markt heranzubringen, hat Max-Planck-Innovation in den vergangenen Jahren verschiedene Inkubatoren ins Leben gerufen.
Der von der Max-Planck-Innovation initiierte und 2009 operativ gestartete Life-Science-Inkubator bietet optimale Voraussetzungen für qualifizierte Ausgründungen im Life-Science-Bereich und somit zur Überführung der Forschungsergebnisse aus der Biotechnologie und Medizintechnik in marktreife Produkte.


Das von MPG und Max-Planck-Innovation 2008 eingerichtete Lead Discovery Center zeigt, wie erfolgreicher Technologietransfer in der frühen Medikamentenentwicklung funktionieren kann. Es beschäftigt sich mit den ersten Schritten der pharmazeutischen Wirkstoffforschung niedermolekularer Substanzen und treibt Projekte bis zur sogenannten Leitstruktur voran, die den Ausgangspunkt für die weiteren Schritte der Medikamentenentwicklung bilden. Die Leitstrukturen befinden sich am Anfang der pharmazeutischen Wertschöpfungskette und können bereits zu attraktiven Bedingungen an Pharmafirmen lizenziert werden. So lassen sich Projekte der biomedizinischen Grundlagenforschung in innovative Wirkstoffe zur Bekämpfung von Krankheiten übersetzen.

Mit dem von Max-Planck-Innovation angestoßenen Photonik-Inkubator sollen Photonikprojekte (zum Beispiel im Bereich der Lasertechnologie und der Mikroskopie) technologisch soweit entwickelt und unterstützend begleitet werden, so dass sie anschließend von Ausgründungsunternehmen weiter entwickelt und vermarktet werden können. Der Inkubator kooperiert eng mit dem Laser-Laboratorium Göttingen und konnte dort geeignete Räumlichkeiten beziehen.


Auch im IT-Bereich besteht eine Lücke zwischen dem Abschluss von Forschungsprojekten und der Möglichkeit der wirtschaftlichen Verwertung ihrer Ergebnisse. Um diese zu überbrücken hat Max-Planck-Innovation gemeinsam mit der Wissens- und Technologietransfer GmbH Ende 2013 die IT-Inkubator GmbH mit Sitz am Campus der Universität des Saarlandes gegründet und diesen Anfang 2015 offiziell eröffnet. Der IT-Inkubator kann neben Gründungsprojekten auch reine Technologieprojekte inkubieren, welche nach Abschluss der Inkubationsphase an bestehende Projekte lizenziert werden.

Für junge Forscher, die ihre Erkenntnisse in einem eigenen Unternehmen selbst vermarkten möchten, gibt es darüber hinaus einige Unterstützung, wie etwa den Exist-Forschungstransfer des Bundeswirtschaftsministeriums, den Hightechgründerfonds der Kreditanstalt für Wiederaufbau oder das ExistGo-Bio-Programm des BMBF. 2016 startete Max-Planck-Innovation das neue Projekt „Expertise Meets Innovation“ (EMI). Der Einsatz von Industrieexperten vermittelt dabei Wissenschaftlern in Gründungs- aber auch Lizenz- oder Patentprojekten primär industriespezifisches Know-how (wie Marktkenntnis, Qualitäts- und Entwicklungsstandards). Mit dem Programm „Enabling Innovation“ des Bundesforschungsministeriums unterstützt Max-Planck-Innovation darüber hinaus die Institute dabei, ihre Innovationsfähigkeit kreativ zu analysieren und zu optimieren. So erfahren Institute und ihre Mitarbeiter im Rahmen eines Workshops, über welche Innovationskraft sie jetzt schon verfügen, identifizieren versteckte Innovationshindernisse und entwickeln effektivere Innovationstrategien, die es dem Institut erlauben, Innovationen effizient voranzutreiben.

Noch vor etwa über 20 Jahren existierten kaum solche Programme – und sie wurden auch kaum nachgefragt. Zwar gab es schon damals Max-Planck-Institute – etwa jenes für Eisenforschung in Düsseldorf –, die durchaus wirtschaftsnah forschten. „Im Großen und Ganzen war die Wissenschaft aber hypothesen- und nicht technikgetrieben. Angewandte Forschung galt als anrüchig“, sagt Frahm. Doch die Welt hat sich geändert. Inzwischen wird erwartet, dass die großen, durch staatliche Gelder geförderten Forschungseinrichtungen der Gesellschaft mehr als nur wissenschaftliche Resultate zurückgeben.

Max-Planck-Innovation - eine Erfolgsgeschichte

Was Max-Planck-Innovation angeht, ist das bereits eine ganze Menge. Seit 1970 hat sie 4.975 Erfindungen auf dem Weg in den Markt begleitet und über 3.000 Verwertungsverträge abgeschlossen. Bis heute hat sie Lizenzeinnahmen von mehr als 585 Millionen Euro verbucht – einen großen Teil davon allein dank Flash. Seit 1990 berät man Existenzgründer und hat bislang über 190 Unternehmengründungen mit angeschoben. Gemessen an ihren Lizenzeinnahmen ist sie, sagt Erselius, neben der Fraunhofer-Gesellschaft führend unter den deutschen Technologietransfer-Einrichtungen. Und in den USA könne sich Max-Planck-Innovation in die erste Liga einreihen.

Das dürfte auch in Zukunft so bleiben. Denn derzeit etablieren sich neue vielversprechende Unternehmen, an denen Max-Planck-Innovation beteiligt ist: die Firma Alnylam etwa. Mitbegründer des Unternehmens ist Thomas Tuschl, ehemals Forscher am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen, jetzt an der Rockefeller Universität in New York tätig. Tuschl gehört zu jenen Wissenschaftlern, die Ende der 1990er-Jahre eine völlig neue Methode zum Ausschalten krankhafter Gene entdeckt und etabliert haben – die RNA-Interferenz.

Die Wissenschaftler bemerkten, dass die Aktivität von Genen in einer Zelle auch von kleinen RNA-Molekülen bestimmt wird, die bis dahin von der Forschung weitgehend vernachlässigt worden waren. Tuschl analysierte die Struktur dieser doppelsträngigen RNA-Moleküle (siRNAs, small interfering RNAs) und konnte erstmals deren Wirkung in Säugetierzellen nachweisen. Mit siRNAs lassen sich gezielt Gene ausschalten. Die Methode der RNA-Interferenz (RNAi) wird mittlerweile in Labors auf der ganzen Welt dazu benutzt, die Funktion von Genen in Zellkulturen und Versuchstieren zu studieren. In verschiedenen klinischen Studien konnte man bereits eine therapeutische Wirkung nachweisen. Gut möglich, dass künftige RNAi-Medikamente so vielversprechend wie Sutent® sein werden. Dass viele biochemische Erkenntnisse den Weg in die Praxis finden, ist für Axel Ullrich wenig überraschend. „Das Gebiet ist einfach sehr anwendungsnah, den Möglichkeiten für künftige Therapien kann man kaum aus dem Weg gehen.“

Doch es gibt auch Beispiele für Grundlagenwissen, das aus weiter Ferne den Weg zu irdischen Anwendungen gefunden hat – aus dem All zum Beispiel. Für gewöhnlich blicken die Mitarbeiter von Gregor Morfill, emeritierter Direktor am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, in die Tiefen des Kosmos. Mit mathematischen Methoden beschreiben die Münchner die Verteilung von Galaxienhaufen, die Anordnung der Materie in den Weiten des schwarzen Firmaments.

Vor wenigen Jahren trafen die Forscher mit Medizinern der Technischen Universität München zusammen und diskutierten die Frage, ob sich ihre Rechenmodelle nicht auch für die Untersuchung des menschlichen Körpers eignen: Galaxien sind nicht gleichmäßig über das All verteilt, sondern ordnen sich zu Strukturen, die denen eines Schwamms ähneln. Der enthält viele hohle Kammern, die von dünnen Wänden getrennt sind. Ganz ähnlich ist auch der menschliche Knochen aufgebaut.

Gemeinsam kam den Astronomen und Medizinern die zündende Idee: Könnte man mit den Programmen die Dichteverteilung im Knochen beschreiben? Schnell zeigte sich, dass das funktioniert. Mit den Gleichungen für die Charakterisierung der großräumigen kosmischen Strukturen kann man anhand von Abbildungen aus dem Computertomografen jetzt ermitteln, ob ein Patient an Osteoporose erkrankt ist. Derzeit wird die Entwicklung in klinischen Studien getestet. Die Max-Planck-Innovation hilft bei der Suche nach Industriepartnern, die das System in ein Produkt verwandeln möchten.

Die Entdeckungen der Astronomen sind also durchaus alltagstauglich. Auch andere Ideen haben den Schritt in den Markt noch vor sich. Ungefähr 150 neue Erfindungen evaluiert Max-Planck-Innovation jedes Jahr und meldet etwa die Hälfte als Patente an. Etwa 60 weitere vermarktet sie ohne Patentschutz. Ein Zeichen dafür, dass die Grundlagenforschung dem Alltag inzwischen so nah ist wie noch nie – selbst wenn sie manchmal noch so entrückt erscheint.

Kontakt
Max-Planck-Innovation GmbH
Amalienstr. 33
80799 München
Telefon: +49 89 29 09 19-0

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