Sonne ist nicht schuld am Klimawandel
Zwar nimmt die Aktivität der Sonne seit dem 17. Jahrhundert zu, doch den Klimawandel löst sie höchstwahrscheinlich nicht aus
Ob der Mensch den Klimawandel verursacht ist umstritten - auch die zunehmende Sonnenaktivität könnte für die steigenden Temperaturen auf der Erde verantwortlich sein. Wie Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Astrophysik in Garching jetzt gemeinsam mit amerikanischen und schweizerischen Forschern berechnet haben, ist diese Aktivität dafür jedoch noch zu schwach. Sie fassten vorhandene Messdaten und neue theoretische Erkenntnisse zusammen und berechneten damit Klimamodelle. Die seit dem 17. Jahrhundert beobachtete Erderwärmung hätte demnach eine bis zu fünffach stärkere Sonnenaktivität erfordert. "Die Einflüsse des Menschen müssen im letzten Jahrhundert also weitaus größer gewesen sein als die der Sonnenaktivität", interpretiert der Max-Planck-Wissenschaftler Henk Spruit die Ergebnisse. Die Forscher schließen allerdings nicht aus, dass ultraviolette Strahlung der Sonne zum Klimawandel beiträgt - dazu existieren bislang noch keine zuverlässigen physikalischen Modelle. (Nature, 14. September)
Das Interesse an Sonnenaktivitäten war einst auch ökonomischer Natur: Im 18. Jahrhundert vermutete der Astronom William Herschel einen Zusammenhang zwischen Getreidepreisen und jenen dunklen Flecken, die Astronomen in der Photosphäre der Sonne beobachteten. Anders ihre Bedeutung heute: Die Aktivität der Sonne beeinflusst gemeinsam mit Fackeln - besonders hell aufleuchteten Flächen auf der Sonnenoberfläche - die Strahlungsintensität unseres Zentralsterns. Und manche Wissenschaftler verdächtigen die schwankende Sonnenaktivität, mindestens ebenso zur Erderwärmung beizutragen wie der Mensch oder natürliche Veränderungen des Klimas.
Doch nach den nun veröffentlichten Ergebnissen scheint die Fleckenaktivität als Auslöser des Klimawandels auszuscheiden. Die Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Astrophysik, des Physikalisch-Meteorologischen Observatoriums in Davos und des National Centers for Atmospheric Research in Colorado fassten die vorhandenen Messdaten und theoretischen Erkenntnisse zusammen und berechneten damit neue Klimamodelle. Satelliten beobachten seit 1978 die Strahlungsintensität der Sonne. Auswertungen ihrer Daten zeigen: Je aktiver die Sonne, desto stärker ihre Intensität. Im Jahr 2000, als Astronomen besonders viele Flecken registrierten, strahlte die Sonne 0,07 Prozent intensiver als in diesem Jahr, in dem die Sonnenaktivität schwächer ist. "Diese kleinen Schwankungen reichen nicht, um das Klima wesentlich zu beeinflussen", sagt Henk Spruit vom Max-Planck-Institut für Astrophysik.
Da erst seit 1978 genaue Messdaten vorliegen, mussten die Forscher allerdings auf ein Hilfsmittel zurückgreifen, um auch einen langfristigen Einfluss der Sonnenaktivität auf das Erdklima auszuschließen: Sie untersuchten Radioisotope von Kohlenstoff und Beryllium, die im 100.000 Jahre alten Eis Grönlands und der Antarktis nachgewiesen werden. Kosmische Strahlung erzeugt diese Radioisotope in der Erdatmosphäre. Da die Sonnenaktivität diesen Prozess beeinflusst, konnten die Forscher die Menge auftretender Flecken und Fackeln in den vergangenen Jahrhunderten rekonstruieren. Die Wissenschaftler verglichen ihre Ergebnisse mit dem Temperaturverlauf der Erde, den sie aus historischen Aufzeichnungen ermittelt hatten. Demnach hat sich die schwankende Sonnenaktivität nur schwach auf das Klima ausgewirkt. "Die Beobachtungen zeigen eine Erwärmung der Erdatmosphäre seit dem 17. Jahrhundert", sagt Spruit. "Etwa zur selben Zeit nahm auch die Anzahl der Sonnenflecken generell zu." Als Ursache für den globalen Klimawandel kommt diese verstärkte Sonnenaktivität dennoch nicht in Frage: "Um die Erderwärmung zu bewirken, hätte die Änderung der Sonneneinstrahlung drei- bis fünffach stärker ausfallen müssen", sagt Spruit.
Wie die Wissenschaftler in ihrem nun erschienenen Artikel belegen, beeinflusst nur die variierende Aktivität in der Photosphäre die Intensität der Sonnenstrahlung. Mögliche Störungen im Inneren der Sonne, etwa durch ihr Magnetfeld, könnten sich zwar auch die Menge der Energie auswirken, die die Sonne produziert. Diese Schwankungen gleicht der Stern allerdings durch seine enorme Wärmespeicherkapazität aus.
Die Zahl der Sonnenflecken und Fackeln verändert sich in elfjährigen Zyklen. Sonnenflecken sind die Folge starker lokaler Magnetfelder, die den stetigen Energiefluss zur Oberfläche verhindern. Dadurch sinken Temperatur und Strahlungsintensität - und das Gebiet erscheint auf der Sonnenscheibe deutlich dunkler. Anders die Fackeln: Sie treten zwar immer zusammen mit den Sonnenflecken auf und sind sogar auch magnetischen Ursprungs. Doch hier handelt es sich um einen anderen Effekt: Der Druck des Magnetfelds verringert die Dichte und dellt die Oberfläche der Sonne ein. Dort strahlt sie dann intensiver, da ihre tieferen Schichten heißer sind. Fackeln entstehen in der Photosphäre wesentlich häufiger als Sonnenflecken und gleichen deren Verdunkelung damit mehr als aus. Bilden sich also besonders viele Flecken, strahlt die Sonne etwas heller.
Allerdings könnte die Sonne das Erdklima auch beeinflussen, indem sie mehr ultraviolettes Licht aussendet. Zumindest schließen die Forscher dies nicht aus - ebenso wie einen Einfluss magnetisierten Plasmas, das mit dem Sonnenwind auf die Erde trifft. Doch für mögliche Auswirkungen dieser beiden Phänomene auf das Klima gibt es bislang keine zuverlässigen physikalischen Modelle.