Forschungsbericht 2023 - Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft

Innovative Methoden zur Untersuchung von Oberflächen und molekularen Adsorbaten

Autoren
Meijer, Gerard
Abteilungen
Molecular Physics
Zusammenfassung
Am Fritz-Haber-Institut (FHI) in Berlin entwickeln und nutzen wir neue experimentelle Methoden zur Charakterisierung, Kontrolle und spektroskopischen Untersuchung von Molekülen in der Gasphase, in Flüssigkeiten und an Oberflächen. Zwei Methoden, die unter der Leitung von H.-J. Freund zum Verständnis des Zusammenhangs zwischen Struktur und chemischer Aktivität in Modellsystemen für heterogene Katalysatoren, d.h. auf einkristallinen Substraten, erarbeitet wurden, stellen wir hier vor: Oberflächenaktionsspektroskopie (SAS) und Hochgeschwindigkeits-Spiral-STM (Rastertunnelmikroskopie).

Die Infrarot-(IR)-Absorptionsspektroskopie von Molekülen liefert "Fingerabdrücke", die Informationen über ihre Struktur und Dynamik offenbaren. Bei der Anwendung auf die Oberflächenschicht von Sammelproben werden diese Fingerabdrücke jedoch häufig durch Proben- und Spektrometer-bedingte Beiträge verdeckt. Das übliche Verfahren besteht dann darin, Referenzspektren der sauberen Oberfläche aufzuzeichnen und die Informationen über die Oberflächenschicht aus den Differenzspektren zu extrahieren. Diese Differenzspektren enthalten oft Merkmale, die nicht mit den adsorbierten Molekülen in Verbindung stehen und die sich nicht eindeutig interpretieren lassen.

Bei Untersuchungen an isolierten Molekülen in der Gasphase hat sich ein Konzept etabliert, bei dem gemessen wird, welche "Aktion" das IR-Licht in den Molekülen hervorruft, und nicht, wie viel Absorption die Moleküle für das IR-Licht verursachen. Bei einer Form der "Aktionsspektroskopie" die die Abteilung Molekülphysik (MP) des FHI regelmäßig in Kombination mit dem hauseigenen IR-FEL (Freie-Elektronen-Laser) einsetzt markieren wir die zu analysierende Spezies mit Edelgasatomen oder kleinen Molekülen wie H2 als Botenstoff. Wir bestrahlen den mit einem Botenstoff markierten Komplex mit intensivem, abstimmbarem IR-Laserlicht, sodass die schwächste Bindung aufbricht und sich damit der Botenstoffs ablöst. Dabei messen wir entweder die bloße Spezies oder den abgelösten Botenstoffs in Abhängigkeit von der Photon-Energie. Das auf diese Weise erhaltene "Aktionsspektrum" gibt Aufschluss über die Schwingungseigenschaften des untersuchten Systems.

Inspiriert von diesen Ideen wurde eine Strategie entwickelt, anhand der sich die Aktionsspektroskopie auf Oberflächen von Festkörpern anwenden und dadurch die Aufnahme von Referenzspektren vermeiden lässt. Eine schematische Darstellung des Konzepts der Oberflächen-Aktionsspektroskopie (SAS), die bei Temperaturen von flüssigem Helium durchgeführt wird, um den Botenstoff zu adsorbieren, ist in Abbildung 1 zusammen mit dem Ergebnis einer Messung an einem Fe3O4(111)-Film auf Pt(111) dargestellt. [1]

Seit Jahren wird hier diskutiert, ob sich die Fe-Atome innerhalb der Oberflächenstruktur in einer tetraedrischen oder in einer oktaedrischen Sauerstoffumgebung befinden (siehe Abbildung 1). Der Vergleich des aufgezeichneten SAS-Spektrums mit Dichtefunktionalberechnungen der Schwingungen der beiden Oberflächenabschlüsse zeigt deutlich, dass die Struktur des Films tetraedrisch terminiert ist.[2] Dies ist nur ein Beispiel, in der Literatur gibt es mittlerweile noch mehr. [3,4] Die SAS-Technik bietet auch die Möglichkeit, die Struktur von Clustern bestimmter Größe, die auf einem festem Träger, beispielsweise einem Oxid, abgeschieden wurden, durch Aufzeichnung ihres IR-Fingerabdrucks zu bestimmen. Dies wäre mit der herkömmlichen IR-Spektroskopie eine schwierige Aufgabe, da die Schwingungen von Metallclustern, wie Gold oder ähnlichem, durch die Anregungen der Substratphononen überlagert würden. Ließe sich jedoch die Oberflächentemperatur genau kontrollieren, könnte man die Tatsache nutzen, dass Edelgasatome bei unterschiedlichen Temperaturen desorbieren, wenn sie auf einem Oxid im Gegensatz zu einem Metallteilchen adsorbiert sind. Dann ließe sich System so vorbereiten, dass nur die Cluster mit dem Botenstoff dekoriert sind. Das resultierende SAS-Spektrum würde dann nur die Schwingungen des abgeschiedenen Clusters wiedergeben, ohne Störung durch das Oxidsubstrat. Auf diese Weise wäre ein direkter Vergleich der Struktur des abgeschiedenen Clusters mit dem des freien Clusters in der Gasphase möglich, die beide durch Aktionsspektroskopie bestimmt wurden.

Die Rastertunnelmikroskopie (STM) ist eine der bekanntesten Techniken zur Auflösung atomarer Strukturen von flachen Oberflächen und dünnen Filmen. Mit ihr ließen sich bereits viele grundlegende Fragen in Physik und Chemie beantworten. Dynamische Proben-Systeme sind jedoch mit STM nur schwer aufzulösen, da die langen Aufnahmezeiten von typischerweise mehr als 100 Sekunden pro Bild, langsame elektronische Rückkopplungsschleifen, langsame Datenerfassung und die konventionelle Rasterscan-Methoden die Aufnahmezeit bestimmen. Bei Rasterscans wird mechanisches Rauschen in das Bild eingebracht, und die Datenerfassung erfolgt diskontinuierlich. Durch die Anwendung des quasi-konstanten Höhenmodus und die Kombination von Hochgeschwindigkeitselektronik zur Datenerfassung und innovativen Spiralscan-Mustern ließ sich die Bildrate im STM erheblich steigern [5].

Auf der Oberfläche von Ruthenium (Ru(0001)) wurden Spiralen mit konstanter linearer Geschwindigkeit und konstanter Winkelgeschwindigkeit getestet, um chemisorbierten atomaren Sauerstoff aufzulösen. Die räumliche Auflösung der Spiralscans ist vergleichbar mit der von langsamen Rasterscans, während sich die Abbildungszeit um vier Größenordnungen von 100 Sekunden auf 10 Millisekunde reduziert. Dadurch war es möglich, Sauerstoffdiffusionsprozesse atomar aufzulösen; ein Film, der die Dynamik innerhalb einer Sauerstoffüberlagerung zeigt, ist hier verlinkt: https://journals.aps.org/prb/supplemental/10.1103/PhysRevB.105.035411/video_20Hz.mp4. Die Hochgeschwindigkeits-Spiral-STM-Technik hat das Potenzial, die Aufnahmezeit um noch eine weitere Größenordnung zu verkürzen; das macht die Visualisierung von noch schnelleren Prozessen mit atomarer Auflösung möglich.

Literaturhinweise

Wu, Z.; Płucienik, A.; Feiten, F.E.; Naschitzki, M.; Wachsmann, W.; Gewinner, S.; Schöllkopf, W.; Staemmler, V.; Kuhlenbeck, H.; Freund, H.-J.
Vibrational Action Spectroscopy of Solids: New Surface-Sensitive Technique
Physical Review Letters, 119, 136101 (2017)
Liu, Y.; Wu, Z.; Naschitzki, M.; Gewinner, S.; Schöllkopf, W.; Li, X.; Paier, J.; Sauer, J.; Kuhlenbeck, H.; Freund, H.-J.
Elucidating Surface Structure with Action Spectroscopy
Journal of the American Chemical Society, 142, 2665-2671 (2020)
Liu, Y.; Wu, Z.; Kuhlenbeck, H.; Freund, H.-J.
Surface Action Spectroscopy: A Review and a Perspective on a New Technique to Study Vibrations at Surfaces
The Chemical Reccord, 21, 1270-1283 (2021)
Liu, Y.; Han, Z.; Gewinner, S.; Schöllkopf, W.; Levchenko, S.V.; Kuhlenbeck, H.; Roldan Cuenya, B.
Adatom Bonding Sites in a Nickel-Fe3O4(001) Single-Atom Model Catalyst and O2 Reactivity Unveiled by Surface Action Spectroscopy with Infrared Free-Electron Laser Light
Angewandte Chemie Intnational Edition, 61, e202202561 (2022)
Gura, L.; Yang, Z.; Brinker, M.; Kalaß, F.; Kirstaedter, W.; Marschalik, P.; Junkes, H.; Heyde, M.; Freund, H.-J.
Spiral high-speed scanning tunneling microscopy: Tracking atomic diffusion on the millisecond timescale
Applied Physics Letters, 119, 251601 (2021)

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