Forschung als globale Marke

Die Rede von Präsident Peter Gruss auf der 59. Jahresversammlung der Max-Planck-Gesellschaft

30. Juni 2008

"Die Max-Planck-Gesellschaft ist von allen deutschen Forschungsorganisationen am stärksten dem globalen Wettbewerb ausgesetzt", sagte Peter Gruss. "Um unsere Mission - exzellente Grundlagenforschung an den Grenzen des Wissens - zu erfüllen, haben wir keine Alternative als diesem globalen Wettbewerb um die Besten erfolgreich zu sein."

Meine Damen und Herren,

Wissenschaft verändert unsere Welt. Und das oft unerwartet:

Max Planck stand als junger Mann vor einer schwierigen Berufswahl. Er schwankte zwischen Physik und Musik, denn er spielte mit Begeisterung und wohl auch mit Talent Klavier. Ein befreundeter Physikprofessor riet ihm, vernünftig zu sein und Musik zu studieren. 300 Jahre nach Newton gebe es in der Physik nichts Neues zu entdecken. Wie Sie wissen, hat Max Planck diesen Rat nicht befolgt und der Rest ist Geschichte: Mit seiner Forschung brachte er die Grundfesten des damaligen physikalischen Weltbildes zum Einstürzen. Seine Quantentheorie hatte weitreichende Konsequenzen für die Entwicklung modernster Technologien. Die Weiterentwicklung zur Quantenmechanik bildete den Ausgangspunkt für neue Disziplinen wie die Nanotechnologie, die Lasertechnik oder die Mikroelektronik. Wissenschaftler wie er haben die Grundlage für unser weltumspannendes Informationszeitalter gelegt.

Aber nicht nur Information und Wissen sind global. Auch unsere Probleme sind es zunehmend. Wir müssen die Folgen des Klimawandels, die Frage der Energieversorgung sowie die Ernährung und die Gesundheitsversorgung von fast acht Milliarden Menschen bewältigen. Wissenschaft als Schlüssel zur Problemlösung ist gefragt wie nie zuvor. Dazu sind weltweite Forschungsanstrengungen nötig!

Aber trotz ihres transnationalen Charakters hat Wissenschaft eine nationale Basis. Staaten fördern sie aus gutem Grund: Schon immer konnten die Nationen ihre politische und wirtschaftliche Position verbessern, die Wissen als erste nutzbar machten. Staaten stehen daher auf der ganzen Welt im Bereich Forschung und Entwicklung in einem produktiven und kreativen Wettbewerb. Neu ist, wie sehr sich dieser globale Wettbewerb in den letzten Jahren verschärft. Er geht um Patente und Lizenzen, produktive Forschungsstrukturen - vor allem aber um die besten Forscherinnen und Forscher. Dabei ist der Pool der "international Besten" überschaubar: Die großen wissenschaftlichen Fortschritte werden von nur etwa fünf Prozent aller Wissenschaftler erzielt. Ob Universitäten, Forschungseinrichtungen oder die forschende Industrie, ob in Nordamerika, Asien oder Europa - alle wollen genau diese Besten gewinnen. Forschungsnationen wie die USA und Japan verstärken ihre Anstrengungen. Aber auch Länder in Asien und dem Nahen Osten gehen mit großen Schritten voran.

Lieber Herr Minister Sibal, ein wunderbares Beispiel ist Indien: Auf dem Subkontinent werden die Forschungskapazitäten massiv ausgebaut. Indiens 380 Universitäten und 1.500 Forschungsinstitute bilden heute bereits jährlich viermal mehr Ingenieure, Techniker und Informatiker aus als die USA.

Soll sich unser alter und vor allem alternder Kontinent nicht künftig am Rande des Weltgeschehens bewegen, dann müssen wir in diesem globalen Wettbewerb der Innovationen bestehen, dann müssen wir am Austausch der besten Köpfe untereinander und über die Grenzen hinweg teilhaben. Dafür wird entscheidend sein, wie viele Menschen Zugang zu Bildung haben, wie viele Absolventen eine wissenschaftliche Laufbahn wählen und wie attraktiv Europa im globalen Austausch der Wissenschaftseliten ist. Ein wichtiger Schritt dorthin ist das vereinbarte 3%-Ziel von Lissabon.

Deutschland verbessert für diesen Wettbewerb seine Ausgangslage. Nach den neuesten Daten des Bundesforschungsministeriums fließen inzwischen 2,7% des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung. Damit sind wir dem 3%-Ziel ein gutes Stück näher. Hinzu kommen Maßnahmen, die unser Forschungssystem reformieren.

Verehrte Frau Bundeskanzlerin, Ihre Regierung hat gezeigt, dass Deutschland für durchgreifende forschungspolitische Reformen und damit für Innovation und Erneuerung bereit ist. Und das ist unabdingbar. Anfang des 20. Jahrhunderts standen wir mit Planck, Einstein, Heisenberg, Haber und vielen anderen an der Spitze der Wissenschaftsnationen. Die gegenwärtige Konkurrenz ist im Vergleich zu damals um ein vielfaches größer, ambitionierter und bereit, enorm zu investieren.

Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund trete ich heute meine zweite Amtszeit an. Ich möchte keine Bilanz der vergangenen Jahre abarbeiten, sondern aufzeigen, wo wir heute stehen, welche Vorstellungen wir für die Zukunft entwickeln.

Die Max-Planck-Gesellschaft ist von allen deutschen Forschungsorganisationen am stärksten dem globalen Wettbewerb ausgesetzt. Um unsere Mission - exzellente Grundlagenforschung an den Grenzen des Wissens - zu erfüllen, haben wir keine Alternative als diesem globalen Wettbewerb um die Besten erfolgreich zu sein. Dies beschreibt die Größe der Aufgabe, die die Max-Planck-Gesellschaft und mich konkret erwartet. Gleichzeitig dürfen wir alle stolz sein, dass die Max-Planck-Gesellschaft diese Rolle international spielt. Persönlich freue ich mich über das Vertrauen, diese Institution gemeinsam mit einem hervorragenden Team weiter führen zu dürfen!

Meine Damen und Herren, es ist richtig und wichtig, dass die deutsche Politik auf Forschung und Entwicklung als maßgebliche Wohlstandsfaktoren setzt. Mit dieser Fokussierung rückt aber leicht die Forderung in den Mittelpunkt, aus Forschungsergebnissen wirtschaftlich vermarktbare Produkte zu machen. Hier schwingt eine Gefahr für die Grundlagenforschung mit: Sie hat nämlich gerade nicht den Auftrag, vom Markt getriebene Verbesserungen vorzulegen. Sie muss bahnbrechende Neuerungen eröffnen. Und sie muss - im Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften - Orientierungswissen generieren: Wissen, das hilft, sich in einer sich wandelnden Gesellschaft und in der zunehmend globalisierten Welt zurechtzufinden.

Grundlagenforschung kann - wie Sie es, verehrte Frau Bundeskanzlerin, kürzlich so treffend formuliert haben - nicht darauf reduziert werden, dass man morgens schon weiß, welcher wirtschaftliche Nutzen mittags heraus kommt. Neugiergetriebene Grundlagenforschung muss sich frei entwickeln können. Ich zitiere in diesem Zusammenhang gerne Mark Twain, der sagte: "Man konnte Kolumbus Schiffe geben, aber ihm nicht befehlen, Amerika zu entdecken". Das wirklich Neue lässt sich eben nicht erzwingen.

Dennoch: Die Wissenschaftler der Max-Planck-Gesellschaft stehen mit beiden Beinen im Leben. Sie sind daran interessiert, dass ihre Forschung zum Wohl unserer Gesellschaft umgesetzt werden kann. Die Mitarbeiter unserer Transfereinrichtung Max-Planck-Innovation gehen seit über 30 Jahren in die Institute und helfen Wissenschaftlern, Ergebnisse zu identifizieren, die für die Wirtschaft interessant sein können. Produkte unserer Grundlagenforschung aus jüngerer Vergangenheit sind die FLASH Technologie, die die Kernspintomographie praktikabel gemacht hat, oder das neue Krebsmedikament Sutent. Vor zwei Wochen erhielt Max-Planck-Innovation einen begehrten internationalen Preis für herausragende Leistungen im Technologietransfer. Damit reiht sich MI in die Reihe früherer Träger dieses Preises ein, wie die NASA, IBM und die Stanford University.

Die Max-Planck-Gesellschaft bietet nicht nur Know-how. Unsere Institute tragen auch wesentlich dazu bei, dass wissenschaftliche Cluster entstehen, die sich positiv für die wirtschaftliche Leistungskraft einer Region auswirken. Dies zeigt auch das Beispiel Dresden. Die Stadt setzt unter anderem auf Biotechnologie. In den 90er Jahren wurde das MPI für molekulare Zellbiologie und Genetik hier angesiedelt. Die sächsische Landesregierung unterstützte die Entwicklung großzügig; weitere Forschungsinstitute und Firmen kamen hinzu. Großartig, wie sich innerhalb einer Dekade diese Biopolis entwickelt hat!

Damit Grundlagenforschung überhaupt als Innovationstreiber bahnbrechende Neuerungen hervorbringen kann, braucht sie eine nachhaltige und langfristige Förderung. Eine Förderung, die uns vertraut und für die wir gerne Rechenschaft ablegen. Gute Wissenschaft steht im dauernden Wettbewerb. Deshalb setzen die beiden Reformmaßnahmen, Exzellenzinitiative und Pakt für Forschung und Innovation, genau richtig an, denn die Politik fördert damit den Leistungsgedanken im bestehenden Forschungssystem.

Gerade die Exzellenzinitiative hat auf die Universitäten eine strukturbildende Wirkung entfaltet; sie bricht mit der bisher gewünschten Nivellierung und bringt Unterschiede öffentlich ins Bewusstsein. Die neun nationalen Eliteuniversitäten brauchen dennoch weiterhin kräftigen Rückenwind, um zu den international anerkannten Klassenbesten aufzusteigen! Ein Wissenschaftssystem muss es sich leisten, Geld zu konzentrieren und die Teile des Systems besser auszustatten, deren Leistung dies rechtfertigt. Neid ist dabei kein guter Ratgeber! Was wir brauchen, sind einige echte Stars! Oder um einen Vergleich aus dem Fußball zu nehmen: nicht nur DFB-Pokalsieger, sondern Champions League Gewinner!

Die Reformmaßnahmen stärken auch die anderen Bereiche unserer differenzierten Forschungslandschaft. So hat der Pakt für Forschung und Innovation den Forschungseinrichtungen finanzielle Planungssicherheit gebracht. Bis 2010 können wir uns darauf verlassen, dass unser Haushalt jedes Jahr um drei Prozent steigt. Drei Prozent bedeuten für die Max-Planck-Gesellschaft jährlich rund 30 Millionen Euro mehr. Dass die Entscheidung für den Pakt in wirtschaftlich schwierigen Zeiten getroffen wurde, rechne ich der Politik hoch an! Allerdings wird diese Haushaltssteigerung gegenwärtig aufgezehrt durch die erhöhten Energiekosten und die Tarifsteigerung - so sehr ich sie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gönne. Für die im Pakt vereinbarten zusätzlichen Maßnahmen bleibt den Forschungsorganisationen kein Spielraum.

Manche von Ihnen werden einwenden, dass auch andere Branchen mit Preissteigerungen zu kämpfen haben - zugestanden. Und natürlich ist die Planungssicherheit ein hohes Gut. Aber wir müssen die deutschen Bemühungen in Relation zu den Anstrengungen in anderen Ländern setzen. Und da genügt es nicht, den Status Quo zu halten.

Stellen Sie sich vor, in einer prosperierenden Stadt wie Dresden dürften keine neuen Bauten mehr entstehen. Im Bestand dürfte man umbauen oder aufstocken, das ein oder andere Haus auch abreißen und an der Stelle ein Neues bauen - aber nicht mehr. Könnte sich die Stadt noch entwickeln? Könnte sie als Standort im Wettbewerb bestehen?

Auch für die Forschung gilt: Wenn die Max-Planck-Gesellschaft sich entsprechend dem internationalen Standard weiterentwickeln will, wenn sie wettbewerbsfähig sein und als Forschungsorganisation interessant bleiben will, brauchen wir eine jährliche Steigerung von drei Prozent - allerdings echte drei Prozent zu den Kostensteigerungen hinzu. Wir freuen uns, dass wir Ministerin Schavan und - hoffentlich auch - alle Fachminister der Länder auf unserer Seite wissen, die für die Fortsetzung des Paktes bis 2015 einen realen Haushaltszuwachs anstreben.

Warum ist das für die vergleichsweise gut ausgestattete Max-Planck-Gesellschaft so essenziell? Sie erwarten von uns mit Recht, dass wir höchste Qualität im Bereich der Grundlagenforschung liefern. Das gelingt uns: Die Max-Planck-Gesellschaft zählt nach internationalen Rankings zu den führenden Forschungseinrichtungen weltweit. Ein guter Teil der Max-Planck-Direktoren gehört zu den 250 meistzitierten Forschern in ihrer Kategorie.

Diesen Standard können wir nur halten, wenn wir weiterhin aus dem Pool der weltweit Besten berufen. Dabei konkurrieren wir mit Princeton, Harvard, Cambridge oder mittlerweile Singapur. Unsere Erfahrung ist: Eine hohe Reputation der Einrichtung, das wissenschaftliche Umfeld, hervorragende Kolleginnen und Kollegen, ausgezeichnete Ausstattung und gute Bezahlung sind entscheidende Kriterien, ob ein Spitzenwissenschaftler einen Ruf annimmt.

Die Max-Planck-Gesellschaft ist vor allem wegen ihrer High trust-Förderung attraktiv. Das heißt, wir geben unseren Forscherinnen und Forschern die Sicherheit einer langfristigen Finanzierung. Sie müssen keine Anträge stellen, um auskömmliche Mittel für ihre Forschung zu haben. Eine Evaluierung der Leistung erfolgt ex post durch einen international hochrangig besetzten Fachbeirat. Denn unsere Forscher sollen neue Wege beschreiten und bisher unbekannte Forschungsgebiete ergründen. Dass uns das gelingt, hat die Max-Planck-Gesellschaft mit 17 Nobelpreisträgern in ihrer 60-jährigen Geschichte immer wieder dokumentiert.

In den vergangenen sechs Jahren haben wir 95 Rufe ausgesprochen, zwei Drittel der Berufenen sind diesem Ruf gefolgt. Bei den Berufungsverhandlungen erlebe ich eindrücklich, wie sehr diese kleine Gruppe von Top-Wissenschaftlern umworben wird. Die internationale Sichtbarkeit der Max-Planck-Gesellschaft macht zudem viele unserer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu Zielen für Abwerbungsversuche. Ein wachsender Teil meiner Verhandlungen sind daher Bleibeverhandlungen. Ich kann Ihnen für beide Verhandlungstypen versichern: Das Beamtenverhältnis mit Vergaberahmen und Besserstellungsverbot ist nicht mehr die angemessene Beschäftigungsform für international umworbene Eliten! Wenn die deutsche Forschungslandschaft für die besten Köpfe attraktiv sein soll, sind größere Spielräume unabdingbar. Ich hoffe sehr, dass der Vorstoß der Bundesforschungsministerin Erfolg hat, ein Wissenschaftsfreiheitsgesetz auf den Weg zu bringen. Wir brauchen diese Spielräume dringend!

Wir brauchen gute Leute auf allen Stufen der Karriereleiter. Wenn es uns nicht gelingt, junge Nachwuchswissenschaftler für uns zu gewinnen, verspielen wir unsere Zukunft! Selbstverständlich müssen wir uns auch noch mehr anstrengen, Frauen zu fördern. Wenn wir Wissenschaftlerinnen in den Spitzenpositionen haben wollen, müssen wir dafür sorgen, dass sie auf allen Karrierestufen gut vertreten sind - vor allem nach der Promotion. Dabei setzen wir auf Anreiz statt Quote!

Meine Damen und Herren, als Steuerzahler ist es Ihr Interesse, dass wir unsere Abteilungen nur in die fähigsten Hände geben! Denn: International wettbewerbsfähige Forschung kostet viel Geld, besonders in den Naturwissenschaften. Apparate in der Höhe von zwei bis drei Millionen Euro sind keine Seltenheit. Generell haben sich die Investitionen für Berufungen im Laufe der vergangenen 20 Jahre fast verdoppelt.

Für die Max-Planck-Gesellschaft ist die Fähigkeit, Top-Wissenschaftler zu berufen, existenziell. Für mich als Präsidenten dieser Gesellschaft ist es unabdingbar, dass ich auf diese Kolleginnen und Kollegen zählen kann, um die Gesellschaft weiter zu entwickeln; kurzum, die Max-Planck-Gesellschaft erfolgreich in die Zukunft zu führen. Unsere Direktoren müssen wegen unserer Autonomie große Verantwortung übernehmen: Sie identifizieren neues Führungspersonal, sie bestimmen die wissenschaftliche Ausrichtung der Institute bei Neuberufungen oder bereiten Institutsgründungen vor. Mit diesen Entscheidungen legen wir uns für Dekaden fest! Einfach nur gut zu sein oder gar behagliches Mittelmaß würde diese Gesellschaft zerstören, denn nur die besonders kreativen Geister vermeiden es, auf vertrauten Wegen zu verweilen.

Denken Sie noch einmal an Kolumbus: Seine Reisen waren mit hohen Risiken verbunden. Und für unsere Max-Planck-Flotte brauchen wir die besten und wagemutigsten Seefahrer! Darauf fußt das Prinzip "Max Planck"! Denn die Max-Planck-Gesellschaft muss flexibel innovative Themengebiete aufnehmen, neue Wege bahnen und dafür ausgetretene Pfade auch wieder verlassen. Diesen konstanten Erneuerungsprozess haben wir in den vergangenen Jahren weiter verbessert. Aber auch in den kommenden sechs Jahren liegt hier ein Schwerpunkt. Hier, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte ich Sie auch weiterhin um Ihre Unterstützung, Ihre Tatkraft!

Wir brauchen im Gegensatz zu den Universitäten nicht sicherzustellen, dass Studierende bei uns die Grundlagen ihres Faches vermittelt bekommen. Mit jeder Emeritierung können wir die thematische Ausrichtung der Abteilung hinterfragen. Bis 2014 wird an 26 Max-Planck-Instituten mindestens die Hälfte der Direktoren emeritiert. Das gibt uns erheblichen Spielraum, unsere Institute wirklich an den Grenzen des Wissens entlang zu entwickeln.

Und faszinierende Forschungsgebiete haben die Perspektivenkommissionen der Max-Planck-Gesellschaft in Fülle identifiziert. So zum Beispiel autonome Systeme mit Robotik, Sensorik, lernenden Maschinen und Schnittstellen zwischen Mensch und Computer. Ein vielversprechender Forschungsansatz ist in diesem Bereich der Vergleich zwischen biologischen und technischen Konzepten.

Oder nehmen Sie die "Experimentelle Ästhetik". Warum bestehen manche ästhetische Ideale über Zeiten und Kulturen hinweg, während andere sich zwischen den Kulturen, Generationen oder Individuen unterscheiden? Nehmen Menschen in verschiedenen Kulturkreisen Musik unterschiedlich wahr? Wird sie sogar im Gehirn unterschiedlich verarbeitet?

Eine der spannendsten Fragen in der Wissenschaft ist die nach dem Ursprung des Lebens auf die Erde. Beobachtungen von Mikroorganismen, die unter extremen Bedingungen existieren, zum Beispiel in heißen Quellen oder im ewigen Eis, haben uns hier auf neue Spuren geführt. Mithilfe neuer Methoden der synthetischen Biologie könnte es gelingen, wichtige Erkenntnisse zu den chemischen und strukturellen Voraussetzungen für die Darwinsche Evolution zu gewinnen. Und wir könnten die Grundlage für das Verständnis von Leben auf anderen Planeten legen.

Sie sehen, an wissenschaftlichen Fragen mangelt es der Max-Planck-Gesellschaft nicht! Die großen Herausforderungen sind für uns eher die finanziellen Rahmenbedingungen, um über Institutsgründungen neue Themenkomplexe anzugehen. Darum freut es mich umso mehr, dass der Senat gestern der Gründung des MPI mit dem klangvollen Namen "für die Physik des Lichts" zugestimmt hat. Unser jüngstes Institut entsteht in Erlangen aus der außerordentlich erfolgreichen Max-Planck-Forschungsgruppe an der Universität Erlangen. Dieses Institut sowie das MPI für Softwaresysteme in Saarbrücken und Kaiserslautern und das MPI für Biologie des Alterns in Köln konnten nur gegründet werden, weil alle vier Sitzländer erheblich über den üblichen Anteil hinaus Erstinvestitionen und Gebäudekosten getragen haben. Dafür meinen ausdrücklichen Dank!

Trotz der Unterstützung der Länder muss ich leider feststellen, dass wir mit diesen Instituten den Rahmen für Neugründungen aus unserem regulären Haushalt auf absehbare Zeit ausgeschöpft haben.

Meine Damen und Herren, in unserem Streben die wissenschaftliche Zukunft mit zu gestalten, sehen wir uns daher gehalten, zunehmend neue Wege zu gehen. So konnten wir unser Portfolio im Bereich Neurodegeneration bzw. Neurosensorik vor zwei Jahren mit der Übernahme der Verantwortung für das Forschungszentrum caesar in Bonn erweitern. Mit dem neuen Konzept haben wir nicht nur die wissenschaftliche Neuausrichtung gestaltet, sondern auch die regionale Vernetzung intensiviert.

Im präkommerziellen Bereich haben wir eine Plattform für den Technologie-Transfer geschaffen. Bei caesar gelten nun die Prinzipien der Max-Planck-Gesellschaft, die Finanzierung erfolgt über die vom Bund und von Nordrhein-Westfalen getragene Stiftung caesar. Übrigens ist dort zusammen mit dem MPI für Biologie des Alterns, den Universitäten Köln und Bonn, dem Forschungszentrum Jülich sowie der Ansiedelung des Demenzzentrums in Bonn innerhalb kürzester Zeit ein leistungsstarker Life Science Cluster entstanden.

Für ein weiteres Institut sind wir mit Privatpersonen im Gespräch. Sie haben vor, aus eigenen Mitteln ein Institut im Bereich der Lebenswissenschaften zu gründen. Der Vertrag wird in Kürze unterzeichnet, und wir werden im Juli die Öffentlichkeit informieren. Diese Privatpersonen stecken auch deswegen ihr Geld in dieses Institut, weil sie erwarten, dass die Kooperation mit der Max-Planck-Gesellschaft zum Erfolg führt.

Ein Engagement von Privatleuten für die Forschung in dieser Größenordnung ist für Deutschland nach wie vor außergewöhnlich! Aber noch ein weiteres Beispiel stimmt mich für die Zukunft optimistisch: Zu Beginn meiner Amtszeit haben wir in der Max-Planck-Gesellschaft ein strukturiertes Fundraising etabliert. Heute freue ich mich zu sagen: Uns ist es gelungen, private Mäzene so sehr für unsere Arbeit zu begeistern, dass sie eine eigene Stiftung zur Förderung der Max-Planck-Gesellschaft gegründet haben. Innerhalb kurzer Zeit konnte die Stiftung sage und schreibe mehr als 350 Millionen Euro einwerben. Erträge dieser Stiftung helfen uns auch, hervorragende Wissenschaftler auf allen Stufen der Karriereleiter zu gewinnen, das heißt vom Doktoranden bis hin zum renommierten Direktor. Den Stiftern und Spendern vielen Dank für Ihr Vertrauen!

Meine Damen und Herren, Wissenschaftler werden immer dort hingehen, wo sie die at¬traktivsten Arbeitsbedingungen vorfinden. Nicht immer werden wir sie für den Standort Deutschland gewinnen können. Zudem entstehen weltweit viele neue kreative Forschungscluster, an deren Potenzial wir teilhaben möchten. Dafür müssen wir uns auch als Organisation bewegen.

Die Max-Planck-Gesellschaft ist dazu prädestiniert: Unsere Stärke liegt darin, Forschungsinstitute erfolgreich zu führen. Wir besitzen auch die Erfahrung, Institute da aufzubauen, wo sie den größten Gewinn für unsere Forschung bringen. Zugleich haben wir seit langem ein breit gespanntes Netzwerk an Außenstationen, Kooperationen mit Forschern und Einrichtungen weltweit. Bemerkenswert ist auch die Internationalität unserer Wissenschaftler auf allen Karrierestufen.

All das nutzen wir für ein stärkeres institutionelles Engagement im Ausland. Voraussetzung ist, dass wir die Finanzierung für Institute außerhalb Deutschlands überwiegend vom Sitzland erhalten. Gerade Länder, die diese Strukturen selbst nicht aufbauen können, sind an einem Max-Planck-Institut, dem Portfolio und dem Prinzip "Max Planck" interessiert.

Doch die Hürde liegt hoch! Neben der Höhe der Mittel ist in anderen Ländern oft schwer nachvollziehbar, dass die Finanzierung keinen Einfluss auf das Institute und seine Forschung bedeuten kann. Wir lernen aus den Gesprächen mit ausländischen Partnern, dass die auflagenfreie Finanzierung ein Alleinstellungsmerkmal der Max-Planck-Gesellschaft ist und - wie wir finden - eine Errungenschaft des deutschen Forschungssystems. So wissen wir umso mehr zu schätzen, dass die deutsche Politik uns dieses Vertrauen schenkt und diesen Weg seit 60 Jahren mit uns geht. Herzlichen Dank!

In den letzten zwölf Monaten erleben wir ein großes Interesse am Aufbau von Max-Planck-Instituten. Sei es in Kanada, Südkorea oder Luxemburg. Unsere wissenschaftlichen Gremien prüfen, ob die Angebote und die Standorte wissenschaftlich ergiebig sind und das Forschungsportfolio der Max-Planck-Gesellschaft davon profitiert. Sicher ist: Die Internationalisierung fußt auf einer Stärke der Max-Planck-Gesellschaft und wird auch künftig von ihrer nationalen Stärke abhängen. Umgekehrt werden unsere Institute im Inland, ja die deutsche Forschungslandschaft insgesamt, von unserer Präsenz im Ausland profitieren.

Weit gediehen ist inzwischen unsere Institutsgründung in Florida. In Kooperation mit dem Forschungsinstitut Scripps und der dortigen Universität wollen wir ein Zentrum im Bereich Bio-Imaging aufbauen. Der Senat hat der Institutsgründung zugestimmt und die Biologisch-Medizinische Sektion identifiziert bereits die Gründungsdirektoren. Der Staat Florida und das County Palm Beach finanzieren gemeinsam unsere Forschung mit etwa 190 Millionen US-Dollar. Damit erhalten wir ein Standbein in der wichtigsten Wissenschaftsnation der Welt.

Echte Max-Planck-Institute im Ausland werden weiterhin Einzelfälle bleiben. Aber wir haben andere Instrumente, die wir nutzen wollen. Dazu gehören Partnerinstitutionen in Argentinien oder China. Bei letzterem unterstützt uns das BMBF. So wollen wir die Basis für eine vertiefte Kooperation legen und den Austausch von Wissenschaftlern von und nach Deutschland fördern. Dies bringen wir verstärkt mit Indien auf den Weg: Schon heute ist jeder zehnte ausländische Doktorand in den International Max Planck Research Schools Inder. Zwölf Max-Planck Partnergruppen arbeiten in Indien. Mit den "Max Planck-India Fellowships" haben wir ein Programm entwickelt, das junge indische Spitzenforscher nach Deutschland holt. Und wir hoffen, dass wir dort auch bald eine erste Partnerinstitution aus der Taufe heben können. Minister Sibal, wir freuen uns sehr auf die weitere Zusammenarbeit!

Meine Damen und Herren, für die Max-Planck-Gesellschaft eröffnet sich eine Fülle von Chancen. Ob wir sie erfolgreich nutzen können, wird in erster Linie von den Leistungen und dem Handeln der Max-Planck-Gesellschaft selbst abhängen. Aber wir brauchen dabei die große Unterstützung der Politik, der Wirtschaft, der Gesellschaft und unserer Mäzene!

Daher wünsche ich mir, dass Sie meine Vision von einem Land teilen, das noch weltoffener und damit attraktiver für Menschen aus aller Welt wird. Ein Land, das seine Kinder fördert, Chancengleichheit lebt und Leistung honoriert. Aber vor allem wünsche ich mir, dass Sie meine Vision von einer Max-Planck-Gesellschaft teilen, die als nationale Einrichtung für Grundlagenforschung auf höchstem Niveau in der Welt präsent ist und davon profitiert; von einer Max-Planck-Gesellschaft, die die besten Forscher gewinnt, die sich wiederum für ihre Max-Planck-Gesellschaft einsetzen. Wenn ich das Engagement der letzten Jahre betrachte, können wir das gemeinsam Realität werden lassen!

Ich danke allen, die beigetragen haben, die Max-Planck-Gesellschaft durch die Zeiten zu steuern. Mein besonderer Dank gilt den Vizepräsidenten Baumert, Jäckle, Mehlhorn und Stock sowie Rüdiger Wolfrum, der bis zu seiner Wahl zum Präsidenten des Seegerichtshofs dieses Amt wahrgenommen hat. Sie haben Enormes geleistet! Für heute nur die dürren Worte des Danks, wir kommen bald im kleinen Kreis zusammen!

Und danke natürlich den Sektionsvorsitzenden sowie den Mitgliedern in Senat und Verwaltungsrat, die in den vergangenen Jahren diesen Weg mit uns gegangen sind. Mein Dank geht ebenfalls an die Kolleginnen und Kollegen in der Generalverwaltung, stellvertretend an Frau Bludau und Herrn Willems.

In die zweite Amtszeit begleitet mich Herbert Jäckle als Vizepräsident der Biologisch-Medizinischen Sektion. Für die Geistes-, Sozial- und Humanwissenschaftliche Sektion kommt Wolfgang Schön dazu, für die Chemisch-Physikalisch-Technische Sektion Martin Stratmann. Ich freue mich, dass neben Günther Stock nun auch Stefan Marcinowski, Mitglied des Vorstands der BASF, als Vizepräsident unser Team verstärkt. Mit ihm haben wir aus der Wirtschaft einen weiteren herausragenden Vertreter für das Vizepräsidentenamt gefunden. Ich danke Ihnen, dass Sie mich unterstützen, die Max-Planck-Gesellschaft als eine national verankerte und international präsente Organisation zu führen. Ein wenig nach dem Slogan: In Deutschland daheim, in der Welt zu Hause.

Dass Sie, lieber Herr Minister Sibal, der Wissenschaftsminister einer der großen aufstrebenden Wissenschaftsnationen heute bei unserer Festversammlung zu Gast sind, nehmen wir als ein gutes Omen für unsere Internationalisierungsstrategie.

Ganz besonders herzlich danke ich Ihnen, sehr verehrte Frau Bundeskanzlerin, liebe Frau Merkel. Für die Wissenschaft in Deutschland ist es nicht nur ein beruhigendes Gefühl, dass eine Physikerin, die die Wissenschaft von innen kennt, die Geschicke dieses Landes lenkt. An Ihrer Politik erkennen wir auch, dass Sie der Wissenschaft weiterhin verbunden sind. Es ist uns eine ganz besondere Freude und große Ehre, dass Sie uns heute auf unserem Weg begleiten!

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