Genom Editierung – noch exakter, noch treffsicherer
Weltweit arbeiten Wissenschaftler mit Hochdruck daran, die Wirkweise von CRISPR-Cas9 noch besser zu verstehen und die Genschere für den Einsatz in Forschung und Medizin weiterzuentwickeln. Sie suchen aber auch weiter nach anderen molekularen Werkzeugen, die vielleicht noch effektiver arbeiten als CRISPR-Cas9.
Höhere Treffsicherheit
So präzise die Genschere ihr Ziel auf der DNA auch findet, sie verfehlt es auch manchmal. Je kürzer beispielsweise die Erkennungssequenz ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein solcher Abschnitt mehrmals im Erbgut vorkommt und dass Cas an mehreren Stellen schneidet. Hinzu kommt, dass CRISPR-Cas9 gelegentlich auch Fehler macht und nicht nur an seine Zielsequenz andockt.
Forscher wollen das System deshalb so verändern, dass solche Fehlschüsse noch seltener werden. Dazu setzen sie beispielsweise neue Aminosäuren in das Cas9-Protein ein und verändern damit seine Architektur. So haben Wissenschaftler beispielsweise mit den Varianten eSpCas9 und Cas9-HF1 hochpräzise Cas9-Proteine entwickelt – im Fall von HF1 mit einer Treffsicherheit von mehr als 99,9 Prozent. Ob dies ausreicht, müssen weitere Untersuchungen erst noch zeigen. Denn wenn das Erbgut von Millionen oder gar Milliarden Zellen im menschlichen Körper verändert werden soll, würde sich schon eine Fehlerquote von 0,01 Prozent beträchtlich auswirken.
Ein anderer weiterer Versuch, die Treffsicherheit der Genschere zu erhöhen, sind sogenannte Nickasen, also Proteine, die nur einen der beiden miteinander verdrillten DNA-Stränge durchtrennen. Für einen vollständigen DNA-Bruch müssen dann zwei Enzyme mit ihren „guide“-RNAs an derselben DNA-Sequenz binden. Dies entspricht gewissermaßen einem „Vier-Augen-Prinzip“ und soll die Gefahr fehlerhafter Schnitte im Erbgut verringern.
Mit einem programmierbaren CRISPR-Cas9-System können Forscher künftig möglicherweise sogar einzelne Buchstaben des genetischen Codes austauschen. Sie haben dazu CRISPR-Cas9 mit einer Cytidin-Deaminase kombiniert, also einem Enzym, das Cytidin-Bestandteile der DNA in Uridin umwandeln kann. Dies hat zur Folge, dass der Buchstabe C des genetischen Alphabets (Cytosin) in ein T (Thymin), und ein G (Guanin) in ein A (Adenin) umgewandelt werden.
Angeleitet durch eine „guide“-RNA kann die neue CRISPR-Cas9-Variante einen Austausch vornehmen und dadurch beispielsweise Punktmutationen korrigieren. Auf solche Punktmutationen gehen mindestens 3000 erbliche Erkrankungen zurück, bei denen ein T durch ein C oder A durch ein G ersetzt ist. Die Wissenschaftler testeten ihre Entwicklung an einer Variante des apoE-Gens, die das Risiko für Alzheimer erhöht und sich nur in einem einzigen Buchstaben von der normalen Form unterscheidet. Es gelang ihnen, 75 Prozent der Zellen mit der Alzheimer-Variante wieder mit der gesunden Form auszustatten. Allerdings können sie den auszutauschenden Buchstaben noch nicht exakt festlegen, sondern nur innerhalb eines fünf Basen-langen Abschnitts.
Scheren für RNA
Wissenschaftler wollen nicht nur das bestehende System verbessern, sondern auch noch exakter arbeitende und leichter handhabbare Alternativen finden. Ein Beispiel dafür ist Cpf1. Dieses Enzym ist ebenfalls Teil des Abwehrsystems von Bakterien und dient dem Zerschneiden von fremder DNA. Untersuchungen haben gezeigt, dass Cpf1 auch RNA durchtrennen kann. In den Bakterienzellen entfernt Cpf1 zunächst einzelne Abschnitte des crRNA-Moleküls und fungiert so als Reife-Protein. Zusätzliche Proteine wie RNase III sind deshalb nicht erforderlich. Die fertige crRNA leitet Cpf1 dann zu seinem Zielabschnitt auf der DNA.
Cpf1 hat folglich eine Doppelfunktion: Zunächst macht es die crRNA funktionstüchtig. Dann durchtrennt es die DNA an dem von der crRNA erkannten Abschnitt. Cpf1 ist darüber hinaus im Gegensatz zu Cas9 nicht auf die Hilfe einer tracrRNA angewiesen, um zu seinem Zielort zu gelangen. Das System ist damit noch einfacher aufgebaut als CRISPR-Cas9. Zudem trennt es im Gegensatz zu Cas9 die beiden DNA-Stränge nicht an exakt derselben Stelle. An diese „überstehenden“ Abschnitte können Forscher dann leichter neue Abschnitte anfügen.
Viele Erkrankungen sind die Folge von zu hohen oder zu geringen Proteinmengen. Mit der Veränderung von RNA-Molekülen könnten sich solche Defekte behandeln lassen. Auch in Fällen, in denen die Reparaturmechanismen von Zellen so stark sind, dass sie das Editieren von DNA verhindern, könnten RNA-Moleküle besser geeignete Ziele sein. Denn die Veränderung von RNA ist anders als die DNA nicht dauerhaft und wird in der Regel nicht vererbt. Organismen werden dadurch also nicht über Generationen hinweg verändert. Dies birgt weniger ethische Risiken.
Neben Cpf1 haben Forscher mit C2c2 ein weiteres Enzym gefunden, das RNA-Moleküle zielgerichtet schneiden kann. Das Bakterium Leptotrichia shahii macht damit Viren unschädlich, die RNA als Erbsubstanz besitzen.
Sogar mit CRISPR-Cas9 können Wissenschaftler inzwischen RNA schneiden. Sie fügen dabei zur „guide-RNA“ ein kurzes DNA-Molekül mit einem „proto-spacer adjacent motif“ hinzu. Die beiden verbinden sich miteinander, so dass die „guide-RNA“ nicht mehr an DNA, sondern nur noch an RNA andocken kann. Normalerweise sind PAMs kurze Sequenzen auf der Ziel-DNA, die CRISPR-Cas9 braucht, um an seine eigentliche Erkennungssequenz anzudocken. Aus einer Schere für DNA wird so ein Schneidewerkzeug für RNA.
Ob die Weiterentwicklungen von CRISPR-Cas9 künftig als für die Gen-Editierung wichtig sein werden, ist noch nicht klar. Aber die Suche nach neuen Werkzeugen zum Editieren von Gen ist in vollem Gange.