Forschungsbericht 2017 - Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts
Licht und Bewegung in der Nanowelt

Abb. 1: Ein typisches "optomechanisches" System. (b) Ein "photonisch-phononischer Kristall", in dem auf der Nanoskala Licht und Schallwellen miteinander optomechanisch wechselwirken können.
Wenn Licht von einer Oberfläche reflektiert wird, dann erfährt diese Fläche eine – wenn auch schwache – Kraft. Solche Strahlungskräfte sollen z.B. in zukünftigen Sonnensegeln Anwendung finden, die es Raumsonden erlauben, ohne Treibstoff zu anderen Planeten zu "segeln". Auch bei den Gravitationswellendetektoren LIGO/VIRGO spielt dieses Phänomen eine Rolle: Schwankungen der auf die Detektorspiegel wirkenden Lichtkräfte sind verantwortlich für die ultimative Auflösungsgrenze der Detektoren. In der aktuellen Forschung des MPL geht es aber um viel kleinere Dinge: Wenn das Licht auf engstem Raum, nämlich in Nanostrukturen auf einem Chip, eingesperrt ist, so ist die Wirkung der Lichtkräfte noch ungleich größer. Dieses Gebiet der sogenannten Optomechanik hat sich im letzten Jahrzehnt von einer kleinen Nische zu einem wichtigen Forschungsgebiet entwickelt [1]. Die erzielten Fortschritte versprechen, bei zukünftigen Quantentechnologien eine wichtige Rolle zu spielen.
Optomechanik
Das übliche optomechanische System besteht zunächst aus einem Hohlraum (einer Kavität), beispielsweise zwei Spiegeln, zwischen denen das Licht viele Tausend Mal hin und her reflektiert wird (Abb. 1a). Die Lichtkraft wird auf diese Weise vervielfacht. Je kleiner diese Kavität, desto größer sind die entstehenden Effekte, speziell die Wirkung auf die mechanischen Schwingungen der Spiegel. In den vergangenen Jahren ist es gelungen, Strukturen dieser Art herzustellen, die etwa so groß sind wie die Wellenlänge des Lichts von ungefähr einem Mikrometer (Abb. 1b). Das ist 50-mal kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haars. Das Licht beeinflusst darin mechanische Schwingungen im Gigahertzbereich, einem Frequenzbereich, wie er in der Mobilkommunikation verwendet wird, aber auch in den wichtigsten modernen Ansätzen zum Bau eines Quantencomputers. Dadurch wird bereits nahegelegt, dass optomechanische Anwendungen sowohl in der klassischen Signalübertragung als auch in der Quantenkommunikation eine Rolle spielen können.
In den Anfangstagen der modernen Forschung in der Optomechanik war das Ziel, die mechanischen Schwingungen mit Hilfe eines Lasers möglichst weit abzukühlen. Nachdem es 2011 gelungen war, den quantenmechanischen Grundzustand, also den Zustand geringster Bewegung, zu erreichen, war das Tor zur Quantenphysik mit optomechanischen Systemen aufgestoßen. Die "quantenmechanische Werkzeugkiste" ist seitdem in rascher Folge erweitert worden. So war es z.B. möglich, das Strahlungsfeld und die mechanische Bewegung in einen verschränkten Zustand zu bringen. Dann hängen ihre Eigenschaften gegenseitig voneinander ab und können nicht mehr getrennt betrachtet werden. Für diesen quantenmechanischen Zustand gibt es keine Entsprechung in der klassischen Physik.
Optomechanische Schaltkreise
All diese Erfolge der Optomechanik sind an dem einfachsten System erzielt worden, in dem eine optische Kavität an einen mechanischen Resonator gekoppelt ist. Aufbauend auf dieser Basis haben es sich die Forscher am MPL seit einigen Jahren zum Ziel gesetzt, zu erforschen, welche komplexeren Schaltkreise und Gitter aus vielen optischen und mechanischen Komponenten realisierbar sind. Diese können in ihren Funktionalitäten weit über das einfache System hinausgehen. In einem ausgedehnten optomechanischen Gitter können sich die Lichtteilchen (Photonen) und Schwingungsanregungen (Phononen) frei bewegen, so dass sich ihr Transport studieren lässt – immer unter dem Einfluss der optomechanischen Wechselwirkung.
So haben die MPL-Forscher vorhergesagt, wie in solchen Systemen Phononen und Photonen ihre individuellen Eigenschaften verlieren und nur noch als Überlagerungszustand beschrieben werden können. Man spricht dann von Photon-Phonon-Polaritonen. Weiter demonstrierten sie , wie die Photonen Magnetfelder spüren können, obwohl sie eigentlich ungeladen sind. Diese künstlichen Felder werden mit Hilfe der mechanischen Schwingungen erzeugt..
Topologische Effekte

In einer Serie von Arbeiten hat das MPL-Team um Florian Marquardt nun gezeigt, wie das Licht und die optomechanischen Effekte einen sogenannten topologisch geschützten Transport von Schallwellen auf der Nanoskala erzeugen können.
Topologische Effekte sind im letzten Jahrzehnt zu einem zentralen Thema geworden, weil sie ihrer Natur nach robust und generisch sind, also nicht von kleinen Details abhängen. Im speziellen Fall geht es darum, dass sich durch die Wahl einer passenden Struktur und das Einstrahlen einer bestimmten Art von Laserlicht Randkanäle herausbilden, entlang derer die Schallwellen laufen (Abb. 2). Die Wellen verhalten sich dabei ungewöhnlich: Sie laufen immer nur in einer Richtung und können niemals zurückgestreut werden – selbst wenn sie auf kleine Unregelmäßigkeiten in der Struktur treffen. In diesem Sinne ist der Transport topologisch geschützt.
Die MPL-Forscher haben vorhergesagt, dass diese Effekte auftreten, wenn eine dünne Scheibe aus Silizium oder ähnlichen Materialien mit dem passenden Muster auf der Nanometerskala strukturiert wird. Wenn das eingestrahlte Laserlicht zudem sogenannte optische Wirbel enthält, entstehen topologische Effekte [2].
In Arbeiten der jüngsten Zeit [3] konnten die Forscher sogar zeigen, wie eine andere Variante des topologischen Transports von Schallwellen auch ohne Licht realisiert werden kann. Dann dient das Licht nur noch zur Anregung und zum Auslesen der Schwingungen. Zukünftig lassen sich auf diese Weise wichtige phononische Schaltkreise für die Quanteninformationsverarbeitung realisieren oder aber grundlegende Fragen in der Phononik studieren.