Italienisch für Anfänger

Babys erkennen syntaktische Regularitäten in einer neuen Sprache viel früher als gedacht und sind dabei extrem schnell.

22. März 2011

Säuglinge können schon sehr früh und mit überraschender Geschwindigkeit grammatische Regeln einer neuen Sprachen lernen: In einer Studie am Leipziger Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften spielten Forscher um Angela Friederici vier Monate alten deutschen Babys italienische Sätze vor. Wie Messungen mit dem EEG zeigten, speicherte ihr Gehirn innerhalb von einer knappen Viertelstunde syntaktische Abhängigkeiten, die zwischen den sprachlichen Elementen bestanden, und reagierte auf Abweichungen von den so erlernten Mustern. Zuvor war man davon ausgegangen, dass sich diese Fähigkeit erst um den 18. Lebensmonat herum entwickelt. (PlosOne, 22. 03. 2011)

Die Geschwindigkeit, mit der Kinder Sprachen lernen, verblüfft Eltern und Sprachforscher immer wieder. In Windeseile speichern sie neue Worte und erkennen grammatische Regeln, durch die diese im Satz miteinander verbunden sind. Es ist bekannt, dass schon sehr junge Kinder Beziehungen zwischen benachbarten Silben erkennen können, wenn diese wiederholt zusammen auftauchen. Grammatische Regeln betreffen aber oft weit auseinander stehende Elemente in einem Satz. Bisher glaubten Linguisten, dass sich das Verständnis dieser Regularitäten erst um den 18. Lebensmonat herum entwickelt. „Das erschien mir immer reichlich spät“, sagt Angela Friederici, Direktorin der Abteilung Neuropsychologie am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften. Um die Lernfähigkeiten von sehr jungen Kindern zu testen, konfrontierten Friederici und ihre Mitarbeiter deutsche Säuglinge im Alter von vier Monaten mit Sätzen aus einer fremden Sprache, dem Italienischen.

Diese waren mit Bedacht ausgewählt und enthielten zwei syntaktische Konstellationen: Zum einen die Hilfsverbform „può“ (kann) und ein Verb mit der Infinitiv-Endung „-are“, wie in dem Satz „Il fratello può cantare“ (Der Bruder kann singen). Zum anderen ein so genanntes Gerundium, eine im Englischen und in den romanischen Sprachen häufige Konstruktion, die ausdrückt, dass jemand gerade im Begriff ist, etwas zu tun. Sie wird gebildet mit dem Hilfsverb „sta“ (ist) und einem Verb mit der Endung „-ando“. Ein Beispiel ist der Satz „La sorella sta cantando.“ (Auf Deutsch etwa: Die Schwester singt gerade. Entsprechend dem Englischen „is singing“).

Die Säuglinge hörten korrekte Sätze nach diesen Mustern in etwa drei Minuten langen Lernphasen, denen jeweils ein kurzer Test folgte. In den Testphasen wurden ihnen in zufälliger Reihenfolge korrekte und falsche Sätze vorgespielt, etwa „Il fratello sta cantare“ (Der Bruder ist singen) oder „La sorella può cantando“ (Die Schwester kann singt). Diesen Vorgang wiederholten die Forscher vier mal. Durch EEG-Messungen der Hirnströme war deutlich zu erkennen: Die Kinder speicherten automatisch, dass „può“ und „-are“ sowie „sta“ und „-ando“ zusammen gehören. Während die Verarbeitung falscher und richtiger Sätze anfangs noch sehr ähnliche EEG-Kurven erzeugte, führten die beiden Satztypen im vierten Durchgang - also nach einer Gesamt-Lernzeit von weniger als einer Viertelstunde - zu stark unterschiedlichen Aktivierungen.

„In diesem Alter werden natürlich keine inhaltlichen Fehler registriert,“ sagt Friederici. „Lange vor dem semantischen Verständnis erkennen und generalisieren Babys aber schon Regelmäßigkeiten an der Lautoberfläche.“ Das Gehirn filtert aus gehörten Sätzen offenbar automatisch die syntaktischen Beziehungen heraus und ist so innerhalb kürzester Zeit in der Lage, Abweichungen von den gelernten Mustern zu erkennen.

Für das spätere Sprachlernen sind diese frühen Prozesse des Regelerkennens eine wichtige Grundlage. Interessanterweise unterscheidet sich der frühkindliche Spracherwerb deutlich von der Art und Weise, wie Erwachsene eine fremde Sprache lernen. Erwachsene achten eher auf semantische Relationen, also auf mögliche Bedeutungszusammenhänge im Satz.

PZ / BA

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