Forschungsbericht 2018 - Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation
In den Wolken
Herausforderungen in der Wolkenphysik
Eine wesentliche Herausforderung auf dem Weg zu einem besseren Verständnis der Physik der Wolken ist der enorme Bereich von relevanten Längen- und Zeitskalen [1]. Diese reichen vom Mikrometerbereich, auf dem Aerosole für die Kondensation von Wassertröpfchen eine wichtige Rolle spielen, bis hin zu einer Skala von Hunderten von Kilometern, auf der die Wolken an großskalige Wetter- und Klimaphänomene koppeln. Turbulenz spielt auf allen diesen Skalen eine wichtige Rolle für die Dynamik. In Hinblick auf Wetter- und auch Klimamodelle, deren feinste Auflösung im Bereich einiger hundert Meter beziehungsweise einiger Kilometer liegt, stellt die effektive Parametrisierung der mikrophysikalischen Prozesse, wie turbulente Mischung und die Entstehung von Niederschlag, eine wichtige Herausforderung dar [1-4].
Ein Schlüsselproblem, das Forschende seit fast einem Jahrhundert verblüfft, ist das „Size-Gap“-Problem, das bei der Entstehung von Regen in warmen, eisfreien Wolken auftritt. Warme Wolken tragen mit etwa 30 % zur globalen und 70 % zur tropischen Niederschlagsmenge bei [5]. Für diese Wolken sind sowohl die Entstehung feinster Wassertröpfchen durch Kondensation als auch das Wachstum großer Tropfen, die durch die Wolke fallen und mit anderen Tropfen kollidieren und verschmelzen, gut verstanden. Das schnelle Wachstum mittelgroßer Tropfen mit 30 bis 80 µm Durchmesser ist nach wie vor ein Rätsel.
Darüber hinaus hängen die physikalischen Mechanismen der Wolken- und Niederschlagsentstehung vom Wolkentyp ab. Kontinentale Wolken haben eine höhere Anzahlkonzentration und kleinere Tropfen als maritime Wolken. Beide interagieren unterschiedlich mit der turbulenten Luftströmung. Angesichts der Größe der Ozeane spielen maritime Wolken eine wichtige Rolle für das globale Klima. Kontinentale Wolken hingegen beeinflussen das für den Großteil der Weltbevölkerung relevante Wetter. An Land stellt zudem das Zusammenspiel zwischen Wolken und komplexer Topographie von Städten, Hügeln und Bergen ein wichtiges Forschungsfeld dar. Besonders im Hinblick auf die Entstehung von extremen Wetterereignissen wie Starkregen und extremen Schneefall ist dies besonders wichtig.
Im letzten Jahrzehnt haben wir eine signifikante Zunahme solcher Ereignisse erlebt. Die Europäische Union erwartet schadensbedingte Kosten solcher Ereignisse von rund 20 Milliarden Euro im Jahr 2020. Diese Zahl könnte bis 2050 auf über 100 Milliarden Euro steigen, wenn keine Präventivmaßnahmen ergriffen werden. Nicht zuletzt deshalb stellt die Wolkenphysik ein wichtiges Forschungsthema dar.
Experiment und Theorie im Zusammenspiel
Neueste Messmethoden und Computersimulationen erlauben es erst jetzt, wichtige Aspekte der Wolkenphysik zu untersuchen. So ermöglichen Simulationen der Wolkenmikrophysik Kollisionen und Verschmelzungen von Tröpfchen in einer turbulenten Strömung zu simulieren. Diese können dann direkt mit experimentellen Ergebnissen aus Feldmessungen verglichen werden. Der MPIDS Cloudkite im mobilen Cloud Laboratory stellt dabei eine neuartige und umfassende Plattform zur Erforschung der Wolkenmikrophysik dar.
Der Cloudkite ist eine Kombination aus Fesselballon und Drachen (Abbildung 1a). Der Ballon besitzt eine Länge von etwa 15 m und einen Durchmesser von 10 m. Auftrieb verleihen ihm 250 m3 Helium im Innern. Eine Reihe von hochauflösenden Instrumenten ermöglichen eine gleichzeitige Messung der Wolkenmikrophysik und der atmosphärischen Turbulenz (Abbildung 1b).
Für die Jahre 2019 und 2020 sind Feldversuche an Land und im Atlantik vorgesehen. Unter anderem planen wir auch Messungen auf der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus und dem Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik in Freiburg. Diese Kampagnen zielen darauf ab, die Auswirkungen von komplexem Gelände auf das lokale Wetter besser zu verstehen. Die Kampagnen im Atlantik hingegen werden an Bord der deutschen Forschungsschiffe Maria S. Merian und Meteor durchgeführt (Abbildung 1c). Ziel der Seekampagnen ist es, den Einfluss der Wolken auf das globalen Klima zu erforschen. Theorie, Modellierung und Datenanalyse werden dabei eng verknüpft sein, von der Planung der Messkampagnen bis hin zur Analyse der Felddaten.
Diese Kampagnen werden eine Fülle von Daten liefern, die sich über eine große Bandbreite räumlicher und zeitlicher Skalen erstrecken und theoretische Modellierung und Simulationen komplementär ergänzen. Damit rückt die Lösung des Rätsels um die Rolle der Turbulenz von Wolken in greifbare Nähe. Damit leisten wir einen Beitrag zur Wetter- und Klimaforschung.
Kollaborationen
Die Kampagne im Schneefernerhaus ist Bestandteil des Projekts TWISTER (Turbulent Weather In Structured TERrain) in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IPM. Die Seekampagne ist Bestandteil des Maria S. Merian MSM82/2-Transits im April 2019 und der EUREC4A++ Messkampagne im Januar und Februar 2020 (http://eurec4a.eu)