Forschungsbericht 2020 - Max-Planck-Institut für Quantenoptik
Bilder magnetischer Polaronen im Quantensimulator
Quantensimulation mit kalten Atomen

Das Verhalten von Elektronen in Materialien wie Hochtemperatur-Supraleitern nachzuvollziehen, erfordert äußerst komplexe Berechnungen, die meistens selbst Supercomputer überfordern. Auch numerische Näherungsmethoden sind für viele Parameterbereiche nicht verfügbar. Ein vielversprechender Ansatz ist es, für die Lösung von solchen Quantenproblemen neue Technologien zu entwickeln, die selbst auf Quantensystemen basieren – und sozusagen dieselbe Sprache sprechen. Solche Quantensimulatoren, beispielsweise auf Grundlage ultrakalter Atome, sind spezielle Formen eines Quantencomputers. Sie geben bereits heute neue Einblicke in die Physik stark wechselwirkender Quantenmaterie.
Der Lithium-basierte Quantensimulator unter der Leitung von Immanuel Bloch und Christian Gross an unserem Institut hat als Ziel, die unverstandene Physik rund um Hochtemperatur-Supraleiter zu erschließen. Hierfür animiert der Simulator Lithium-Atome dazu, das Verhalten von Elektronen in Materialien wie supraleitenden Keramiken nachzuahmen. Mit aufwändiger Laser- und Mikroskopie-Technik können wir Fotos aufnehmen, auf denen jedes einzelne Teilchen mit seinem magnetischen Zustand zu erkennen ist (Abbildung 1). Diese Bilder zeigen also direkt, wie sich jedes einzelne Elektron in einem Material verhalten würde. So können wir grundlegende Mechanismen unmittelbar erforschen.
Ein Loch im Magneten

Abb. 2: Künstlerische Darstellung eines magnetischen Polarons. Ein mobiles Loch (große eiserne Kugel) bewegt sich durch ein System und verändert den lokalen Magnetismus (Eisenspäne). Die Kugel und die sie umgebende Struktur von Eisenspäneteilchen bilden zusammen das magnetische Polaron.
Vereinfacht gesagt entsteht Hochtemperatur-Supraleitung, wenn man in einem Antiferromagneten (einer abwechselnden Auf- und Abfolge der Spin-Orientierung der Elektronen) mehrere Löcher erzeugt. Das Zusammenspiel zwischen den Löchern, die sich bewegen können, und dem Magnetismus ist eines der größten Rätsel in der Festkörperphysik. Lediglich der Fall von nur genau einem Loch ist bisher ausreichend verstanden: Hier entsteht ein sogenanntes magnetisches Polaron. Dies bedeutet: Um das Loch herum bildet sich eine Wolke mit verändertem Magnetismus, die das Loch permanent begleitet (Abbildung 2). Das Loch polarisiert also seine unmittelbare Umgebung. Unklar ist jedoch, was passiert, wenn zwei magnetische Polaronen aufeinandertreffen. Diese Frage steht aber vermutlich in direktem Zusammenhang mit der Hochtemperatur-Supraleitung. Trotz ihrer enormen Bedeutung konnte in der Vergangenheit kein direktes Foto von einem magnetischen Polaron und seiner polarisierten Umgebung erzielt werden.
Mobile Polaronen verändern ihre Umgebung
Mit unserem Simulator ist es uns nun gelungen, einzelne mobile Löcher in einem zweidimensionalen System mit antiferromagnetischer Anordnung der Atome zu präparieren und genau zu beobachten. Dabei waren wir in der Lage, die magnetische Umgebung der Löcher genau zu vermessen [1]. Auf diese Weise bestätigten wir die Vorhersage, dass mobile Löcher lokal in ihrer Nähe im Radius von circa zwei Gitterplätzen des Materials stark veränderte Korrelationen aufweisen, teilweise sogar mit umgedrehtem Vorzeichen. Sie verändern also die magnetische Ordnung in ihrer Umgebung stark. Dies entspricht genau dem Bild eines magnetischen Polarons.
Als wir das Loch hingegen zuvor mit einem Laserstrahl auf der Stelle einsperrten, verschwanden die veränderten magnetischen Korrelationen größtenteils. Dieser Effekt war zu erwarten und zeigte, dass die Bewegung und Mobilität des Lochs ein wichtiger Baustein bei der Entstehung eines magnetischen Polarons ist. Im Zusammenhang mit der Hochtemperatur-Supraleitung bleiben noch die Fragen zu klären, ob Polaronen miteinander wechselwirken und unter welchen Bedingungen sie sich wieder auflösen. Diese Mechanismen haben wir in Folgeexperimenten begonnen weiter zu erforschen.
Die nächsten Schritte
Um Effekte wie Supraleitung in unserem Aufbau zu beobachten, müssen jedoch zunächst Systeme bei noch niedrigeren Temperaturen erzeugt werden. Hierfür bedarf es weiterer technischer Fortschritte. Gemeinsam mit anderen Gruppen zum Beispiel aus Harvard, dem MIT und Princeton, ist das MPQ ein Vorreiter in der Entwicklung der Quantengasmikroskopie. Allein im letzten Jahr sind uns wichtige Fortschritte in dem Bereich gelungen [2]: So ist es nun möglich, mehr als doppelt so viele Teilchen in 2D-Systemen mit voller Spin- und Dichte-Auflösung abzubilden wie bisher (Abbildung 1).
In Zukunft können mit den neuen technischen Entwicklungen effiziente Kühlmethoden ausprobiert werden. So wollen wir derart geringe Temperaturen erzeugen, dass magnetische Polaronen anfangen könnten, sich gegenseitig anzuziehen. Dies wäre ein entscheidender Mechanismus für die Entstehung von Supraleitung, nach dem bis heute intensiv gesucht wird.