Forschungsbericht 2020 - Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft
Klimaneutralität mittels Katalyse
Grüner Wasserstoff (H2) sowie Energieträger und Wertstoffe, die aus anthropogenem CO2 hergestellt werden, bilden die Eckpfeiler einer CO2-neutralen Gesellschaft. Dabei spielen Wasser- und CO2-Elektrolyseure eine wichtige Rolle. Sie nutzen Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen, um emissionsfrei chemische Kraft- und Wertstoffe herzustellen. So können CO2-Elektrolyseure unerwünschte Emissionen in der Industrie mithilfe von Solar- oder Windenergie vor Ort in energiedichte, höherwertige Kohlenstoffverbindungen umwandeln, die wiederum als Rohstoff für die chemische Industrie dienen [1, 2].
Atomare Struktur von reaktiven Kupfer-Oberflächen
Kupfer ist der bisher einzig bekannte Reinmetallkatalysator, der elektrochemisch CO2 selektiv zu energiedichteren, höheren Kohlenstoffverbindungen reduzieren kann. Dabei sind jedoch die Prozesse, die Kupfer so einzigartig machen und auf atomarer Ebene ablaufen, bislang nur teilweise entschlüsselt. Großen technischen Herausforderungen zum Trotz konnten wir kürzlich die Morphologie- und Strukturmerkmale von Modelloberflächen auf atomarer Skala auflösen [3].Mit elektrochemischer Rasterkraftmikroskopie unter hoher Gasentwicklung in der Flüssigphase haben gezeigt, dass sich in Abhängigkeit vom elektrochemischen Arbeitspotential eine bisher unentdeckte Morphologie auf der Nanoskala ausbildet. Durch atomar aufgelöste Bilder unter Reaktionsbedingungen (in situ) gelang uns darüber hinaus der Nachweis adsorbierter Anionen, welche die katalytische Funktion des Kupfers stark beeinflussen. Diese Erkenntnisse sind ein wichtiger Schritt, um den komplexen Zusammenhang zwischen der Aktivität und Selektivität eines Elektrokatalysators und dessen Morphologie, Struktur und Komposition bei angelegtem Potential im Elektrolyten besser zu verstehen.
Die Morphologie von Nanokatalysatoren unter Reaktionsbedingungen
Katalysatoren in technologisch-relevanten Elektrolyseuren bestehen in der Regel aus einem Ensemble an Nanopartikeln, die miteinander wechselwirken und ihre Form und Größe verändern können. Mit Flüssig-Elektronenmikroskopie haben wir in situ die Bildung von Kupfernanowürfeln sowie deren Verhalten während der CO2-Umwandlung untersucht [4]. Dabei schrumpften die Nanowürfel beim Übergang zu katalytischen Bedingungen, bewegten sich auf der Elektrode und bildeten baum- oder strauchartige Strukturen, sogenannte Dendriten.Diese dynamische Anpassung der Katalysatorform als Folge der Reaktionsbedingungen verdeutlicht sehr gut, dass die Funktion des Katalysators stets mit der Morphologie im aktiven Zustand in Verbindung gesetzt werden muss. In diesem Fall ist die morphologische Umwandlung in Dendriten und Nanopartikel mit einer Zunahme der Wasserstoffevolution gekoppelt. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass eine exakte Kontrolle über die ideale Morphologie gewünschte elektrochemische Reaktionen wie die CO2-Reduktion oder die Wasserstoffevolution begünstigen kann.
Dynamische Reaktionsbedingungen beeinflussen katalytische Funktionsmechanismen
In der realen Anwendung werden Elektrolyseure mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen gekoppelt, die oft nicht kontinuierlich zur Verfügung stehen. Wir konnten zeigen, dass unter sich dynamisch verändernder Energiezufuhr sogar die selektivere Bildung von bestimmten Molekülen stattfindet [5]. Positive Spannungspulse während der CO2-Reduktion auf Kupferoberflächen führen zu einer gezielteren Erzeugung von Ethanol im Vergleich zu anderen Kohlenstoffprodukten (Abbildung 2). Damit haben wir aufgedeckt, dass die Spannungspulse auf der Kupferoberfläche spezielle Oxidstrukturen regenerieren und morphologische Veränderungen induzieren. Diese beiden Prozesse beeinflussen die Selektivität zur Formierung von höheren Kohlenstoffverbindungen.
Diese Erkenntnisse ermöglichen nun die optimierte CO2-Reduktion durch ein Katalysatordesign, das Kupfer-basierte und defektreiche Metall-Oxid-Grenzflächen umfasst und mit gezieltem Einsatz von Spannungspulsen unter technologisch relevanten Reaktionsbedingungen dynamisch steuerbar ist.
Einflüsse und Wechselwirkungen der reaktiven Umgebung auf katalytische Funktionsmechanismen
Eine der grundlegenden Herausforderungen in der Katalyse liegt in der Korrelation von Morphologie, Struktur und Komposition während des Betriebs mit lokaler katalytischer Aktivität und Selektivität. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass reale Katalyse nicht in Isolation (im Vakuum), sondern in einer reaktiven Umgebung stattfindet. Die ingenieurstechnische Realisierung von elektrochemischen Verfahren weicht oftmals stark von denen der Grundlagenforschung ab. Sehr hohe elektrische und ionische Stromdichten, erhöhte Temperaturen und besondere Wasser- und Gaspermeationsprozesse beeinflussen die direkte Umgebung und damit die Funktionsweise der Katalysatoren stark. Unsere Abteilung arbeitet daran, diese grundlegenden Wechselwirkungen mit den Katalysatoren in der Zukunft noch besser zu verstehen.