Forschungsbericht 2022 - Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft
Wie entwerfen wir gute grenzflächenaktive Katalysatoren?
Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin
Katalysatoren sind wichtig
Katalysatoren ermöglichen unsere heutige Lebensweise und die Energieversorgung ebenso wie die Produktion von Nahrungsmitteln für die wachsende Weltbevölfkerung. Etwa 80 Prozent aller Funktionsmaterialien, sämtliche stickstoffhaltigen Düngemittel, alle Kraftstoffe sowie die Reinigung aller Abgase aus Produktion und Mobilität gelingen nur unter Einsatz von Katalysatoren.
Wie funktionieren Katalysatoren?
Diese meist im Verborgenen wirkenden Alleskönner verändern die Geschwindigkeit chemischer Reaktionen. Damit erhalten wir andersartige oder vermehrt Produkte und sparen enorm an Energie und Abfällen im Vergleich zu nicht-katalysierter Reaktionsführung. Katalysatoren binden die Reaktanden an sich, sie aktivieren sie und entlassen die Produkte wieder in die Umgebung. Dabei treten „aktive Zentren“ in starke chemische Wechselwirkung mit den Reaktanden. Katalysatoren verhalten sich unter Betriebsbedingungen dynamisch bezüglich ihrer Struktur und schaffen damit immer wieder neue aktive Zentren. Auch die adsorbierten Reaktanden fluktuieren auf der Oberfläche des Katalysators, bis sie ein geeignetes aktives Zentrum finden. Die Reaktionsbedingungen erzeugen die Triebkraft für die Fluktuationen. Die Materialgestaltung stellt sicher, dass die Fluktuationen nicht die aktive Struktur zerstören. Eine optimale Leistungsfähigkeit des Katalysators wird dann erreicht, wenn die Fluktuationen von Reaktanden und der Katalysatoroberfläche so aufeinander raum-zeitlich abgestimmt sind, dass die Reaktanden sich nicht gegenseitig im Zugang zu aktiven Zentren behindern und diese so zahlreich entstehen, dass sie mit den dargebotenen Reaktanden pausenlos in Kontakt treten können. Abbildung 1 zeigt die wesentlichen Teile eines Katalysators und die Einflussgrößen auf seine Materialeigenschaften. Die Eigenschaften werden nicht nur an der exakten Grenzfläche zwischen Katalysator und Reaktand bestimmt, sondern auch im darunterliegenden Volumen, das durch Eintrag von Fremdatomen aus Reaktanden und von der Unterlage verändert wird. Verspannungen der Gitterstruktur kontrollieren die Fluktuationen und erzeugen atomare Stufen oder „Rauigkeit“ auf der reaktiven Oberfläche.
Wo liegt das Problem?
Arbeitende Katalysatoren sind komplexe Materialien. Die Reaktionsbedingungen am Ort der aktiven Zentren verändern maßgeblich die chemische, geometrische und damit auch elektronische Struktur des Katalysators, der sich daher nur durch laufende („operando“) Experimente beschreiben lässt.
Unser Institut nimmt eine weltweit führende Stellung in der Entwicklung und Nutzung von Operando-Methoden ein. Das komplexe Verhalten von Katalysatoren bei der Arbeit wurde bisher meist aus Mangel an Untersuchungsmethoden nicht in den Blick genommen. Vielmehr bestimmen statische Bilder von Struktur und Funktion die Vorstellungen und somit auch ihre materielle Konzeption. Die im Betrieb erfolgende massive Umgestaltung der synthetisierten „Vorkatalysatoren“ verhindert bisher eine theoretische Konzeption. Daher lassen sich die physikalisch präzisen, generellen Vorstellungen von Katalyse nicht auf arbeitende Systeme übertragen. Der Vorkatalysator wird erst im Reaktor in kaum nachvollziehbaren Schritten in die aktive Form überführt, die wir daher nur selten überhaupt kennen. Die raum-zeitliche Dynamik des Materials geschieht auf verschiedenen Skalen gleichzeitig. Sie ist eine nicht unerwünschte Nebenerscheinung einer statischen Funktion. Diese neu erkannte chemische Dynamik muss somit im Zentrum eines Entwurfes stehen.
Der Lösungsansatz
Ein substantieller Fortschritt lässt sich dann erzielen, wenn man unter Nutzung der Resultate aus der Operando-Analyse dazu übergeht, nicht einen Vorkatalysator, sondern unmittelbar die dynamische Form des Katalysators herzustellen. Damit wird die Voraussetzung für das Design geschaffen, die man verwirklichen kann, wenn eine Darstellungsmethode gefunden wird, die universell im Bezug auf Form und Zusammensetzung des fertigen Katalysators ist. Dann kann man mittels der digitalen Katalyse tatsächlich mit dem Entwurf von Katalysatoren und seinen zugehörigen Reaktionsbedingungen beginnen. Davon sind wir noch sehr weit entfernt. Allerdings wurde mit dem folgenden Konzept ein erster entscheidender Schritt in diese Richtung gemacht. Er beruht auf der aktiven Gestaltung der funktionalen Grenzfläche zwischen Unterlage und Aktivkomponente, die bisher kaum zu beeinflussen war und demnach auch nur wenig Aufmerksamkeit in der Wissenschaft erfuhr (siehe Abbildung 2).
Technische Katalysatoren (Fall A in Abbildung 2) bestehen aus auf Trägern aufgebrachten Nanostrukturen. Wir verwenden (Fall B in Abbildung 2) ähnliche Träger, bringen aber die aktive Komponente als zusammenhängende dünne Schicht auf die Unterlage, die wir sehr präzise vordefinieren können. Die Aktivierung erfolgt durch die Wahl der Reaktionsbedingungen beim hier eigesetzten Sputterprozess. Die Bilder in Abbildung 2 zeigen den Unterschied in der Struktur.
Erste Erfolge
In der Hydrierung von Acetylen zu Ethylen unter Vermeidung der Bildung von Polymeren und von Ethan konnten wir so die Wirksamkeit von Palladium-Metall von 2 mol/mol h auf über 90000 mol/mol h erhöhen. Zusätzlich konnten wir auf den bisher notwendigen Zusatz von Silber oder Gold verzichten. Die Geschwindigkeit der Umsetzung ließ sich über einen Faktor 100 pro wirksamen Palladium-Atom steigern. Derzeit finden Experimente zur Verbesserung der Stabilität der Katalyse von Tagen auf Wochen statt. Nur damit lassen sich detaillierte kinetische Experimente und Funktionsaufklärungen durchführen. Andere Katalysatoren wie Platin für Reaktionen bei hohen Temperaturen und Kupfer für die Nutzung von CO2 wurden bereits erfolgreich dargestellt. Diese Systeme bieten neuartige Einblicke in das Reaktionsgeschehen, und es lässt sich die Nutzung von elektrischer Energie zum Ersatz von Gas als Energiequelle in der chemischen Industrie vorantreiben.