Forschungsbericht 2022 - Max-Planck-Institut für Biogeochemie
Treibhausgasen auf der Spur: Die HALO-CoMet Missionen
Tracking greenhouse gases: the HALO-CoMet missions
Wichtige natürliche Quellen und Senken der Treibhausgase Kohlendioxid und Methan sind große Feuchtgebiete und die Permafrostböden der Arktis. Zu den anthropogenen Quellen gehören vor allem der Kohleabbau, die Gas- und Ölförderung sowie Mülldeponien und die Landwirtschaft. Um dem Klimawandel entgegenzuwirken und die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf "deutlich unter zwei Grad Celsius“ zu begrenzen, wie es im Pariser Klimaabkommen beschlossen wurde, müssen die anthropogenen Emissionen drastisch reduziert werden.
Mit HALO Treibhausgase direkt in der Atmosphäre messen
Um den Bestand und die Entwicklung der Treibhausgase zu ermitteln, ist deren genaue Messung in der Atmosphäre essenziell. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), die Max-Planck-Gesellschaft (MPG), verschiedene Helmholtz-Zentren sowie mehrere Universitäten nutzen dafür gemeinschaftlich den Forschungsflieger HALO (High Altitude and Long Range Research Aircraft). Dieser ermöglicht uns, Messungen auch in Regionen unserer Erde durchzuführen, die nicht durch ein dichtes Netz von Messstationen abgedeckt sind
Im Rahmen der CoMet-Missionen (CO2 und Methan) wurde HALO zur Messung atmosphärischer Treibhausgase mit dem aktiven Fernerkundungssystem CHARM-F des Instituts für Physik der Atmosphäre des DLR [1] und dem passiven, aber bildgebenden Spektrometer MAMAP-2D des Instituts für Umweltphysik der Universität Bremen ausgestattet. Diese Fernerkundungssysteme erfassen die Treibhausgase Kohlendioxid und Methan in der Luftsäule unterhalb des Flugzeugs. Unser Beitrag zu HALO besteht in einem System zur hochgenauen und kontinuierlichen in-situ-Messung von Kohlendioxid und Methan. Damit unsere Messungen die globalen Standards der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) erfüllen, wird permanent und sehr aufwendig mit Referenzgasen kalibriert. Dadurch können wir unsere Messergebnisse mit Treibhausgas-Konzentrationen vergleichen, die von anderen Systemen erfasst wurden.
Einen ersten erfolgreichen Test dieser mobilen Plattform für Treibhausgas-Messungen konnten wir im Rahmen der CoMet-1.0-Kampagne 2018 in Europa durchführen [2]. Dabei überflogen wir das Steinkohleabbaugebiet in Oberschlesien im Süden Polens. Die Belüftungsschächte der Abbaugebiete stellen die stärksten Methanquellen Europas dar. Diese Region bot damit ideale Voraussetzungen für die Tests und die Feinjustierung unseres Messsystems.
Natürliche und anthropogene Treibhausgas-Quellen in Kanada
Mit dem erprobten Treibhausgas-Messsystem ausgestattet, wurde HALO während der CoMet-2.0-Arktis-Mission im August und September 2022 über Kanada eingesetzt, und zwar mit insgesamt 17 Forschungsflügen und etwa 140 Flugstunden. Von Edmonton/Alberta aus überflogen wir große anthropogene Quellregionen, wie die Ölsandförderung in der Nähe des Athabasca-Flusses oder die Kohlefördergebiete der Rocky Mountains im Südosten von British Columbia. Aber auch großräumige natürliche Quellgebiete konnten wir abdecken, wie die Feuchtgebiete in den Hudson Bay Lowlands, das Mackenzie River Delta und das Peace-Athabasca River Delta, das größte Süßwasser-Binnendelta Nordamerikas. Zunächst überflogen wir das Zielgebiet in etwa acht Kilometern Höhe, um ideale Fernerkundungsdaten zu sammeln. Anschließend erfassten wir die Treibhausgas-Konzentrationen unterhalb der atmosphärischen Grenzschicht, die üblicherweise in eineinhalb bis zwei Kilometern Höhe liegt (siehe Abb. 1, Inset). Es zeigten sich hier stark erhöhte Methankonzentrationen im Bereich der Quellen insbesondere über den Ölsänden, aber auch über den ausgedehnten Feuchtgebieten.
HALO liefert verlässlichere in-situ-Daten
Für eine erste Beurteilung der Ergebnisse verglichen wir unsere Messungen der Treibhausgas-Konzentrationen mit globalen hochauflösenden Vorhersagen des Copernicus-Atmosphären-Überwachungssystems (CAMS). CAMS überwacht kontinuierlich die Luftqualität in Europa und auf der ganzen Welt mit satelliten- und bodengestützten Messungen, kombiniert mit modernen numerischen Vorhersage-Modellen. In diesen Vorhersagen werden auch die Quellen und Senken der Treibhausgase berücksichtigt [3] und der atmosphärische Transport entsprechend des Integrierten Vorhersagesystems (IFS) am Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF) berechnet [4]. Die hohe räumliche Auflösung von neun Kilometern ermöglicht CAMS prinzipiell die Darstellung der atmosphärischen Konzentrationsmuster der Treibhausgase. Im Falle von Methan zeigen sich jedoch gravierende Unterschiede zwischen den beiden Ansätzen: während Methan in der Grenzschicht über Feuchtgebieten nach unseren Messungen bis zu 100 ppb (parts per billion, zu Deutsch ein Milliardstel Teil) gegenüber darüberliegenden Schichten erhöht ist, zeigen die CAMS-Modellrechnungen nur eine geringe Erhöhung beziehungsweise sogar eine Abnahme (Abb. 1 Insets). Auch über anderen Quellregionen unterschätzte das CAMS-Modell sichtlich die von uns tatsächlich gemessenen Methankonzentrationen. Die bisherigen Modellrechnungen scheinen also generell die natürlichen und anthropogenen Emissionen als Treibhausgas-Quellen deutlich zu unterschätzen.
Neue Erkenntnisse durch Modellierung des atmosphärischen Transports
Mithilfe der inversen Modellierung des atmosphärischen Gastransports können wir in Zukunft die Austauschflüsse der Treibhausgase, deren Quellen und deren Unsicherheiten besser erkennen und quantifizieren. Von weiteren Auswertungen der Beobachtungen, insbesondere der Fernerkundungsdaten sowie der kombinierten Verwendung der CoMet-2.0-Daten und der Langzeit-Messungen unserer kanadischen Partner, erwarten wir zusätzliche Vorteile: Die Wirksamkeit unterschiedlicher Maßnahmen zur Emissionsminderung kann so abgeleitet werden, aber auch Erkenntnisse über Treibhausgas-Quellen, die durch den Klimawandel beeinflusst werden, liefern. Zu letzteren gehören insbesondere auftauende Permafrostböden, die den gespeicherten Kohlenstoff freisetzen, und Methanemissionen von Feuchtgebieten. Wir erhoffen uns weiterhin Detailwissen zu den Prozessen innerhalb der Ökosysteme, die den Kreislauf der Treibhausgase beeinflussen, sowie anthropogene Treibhausgasemissionen auszumachen, die bisher gar nicht oder zu gering erfasst wurden.