Helium-Brennen auf Weißem Zwergstern
Beobachtungen in einem Doppelsternsystem liefern Hinweise bei der Suche nach Vorläufern von Supernovae
Ein Weißer Zwergstern kann als Supernova explodieren, wenn seine Masse die Grenze von etwa 1.4 Sonnenmassen überschreitet. Ein Team unter Leitung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik fand nun ein Doppelsternsystem, in dem Materie von dem Begleiter des Weißen Zwerges auf diesen einströmt. Gefunden wurde das System aufgrund der Kernfusion, die das übergeströmte Gas nahe der Oberfläche des Weißen Zwerges erleidet, wodurch helle, sogenannte superweiche Röntgenstrahlung ausgesandt wird. Das ungewöhnliche an dieser Quelle ist, dass nicht Wasserstoff überströmt und verbrennt, sondern Helium. Die gemessene Leuchtkraft deutet darauf hin, dass die Masse des Weißen Zwerges langsamer anwächst als bisher für möglich gehalten, wodurch sich die Anzahl der von explodierenden Weißen Zwergen verursachten Supernovae besser verstehen lässt.
Explodierende Weiße Zwerge gelten nicht nur als die Hauptquelle von Eisen im Universum, sie sind auch ein wichtiges Instrument für die Kosmologie: als sog. Typ Ia Supernovae (SN Ia) werden alle in etwa gleich hell, so dass man die Entfernung ihrer Wirtsgalaxien sehr genau bestimmen kann. Allerdings bleibt auch nach vielen Jahren intensiver Forschung unklar, unter welchen Umständen die Masse eines Weißen Zwergs bis zur sogenannten Chandrasekhar-Grenze anwachsen kann.
Als mit Rosat Anfang der 1990er-Jahre superweiche Röntgenquellen mit stabilem Wasserstoff-Brennen auf ihrer Oberfläche als neue Objekt-Klasse etabliert wurden, galten diese eine Zeitlang als potentielle Kandidaten für die Vorläufer von SN Ia. Der Schönheitsfehler dieser Quellen ist aber ihr Wasserstoff-Reichtum: Supernovae vom Typ Ia zeigen keine Spur von Wasserstoff.
Doppelsternsysteme, in denen ein Weißer Zwerg Helium akkretiert und stabil an seiner Oberfläche verbrennt, werden seit über 30 Jahren vorhergesagt, wurden aber bisher nie beobachtet. Ein internationales Team unter Leitung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik hat nun eine Röntgenquelle gefunden, deren optisches Spektrum komplett von Helium dominiert ist. „Die superweiche Röntgenquelle [HP99] 159 ist bereits seit den 1990er-Jahren bekannt, als sie zuerst mit Rosat, später mit XMM-Newton und jetzt mit eRosita beobachtet wurde,” führt Jochen Greiner aus, der die Analysen zu dieser Quelle am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik leitet. „Wir konnten sie nun als optische Quelle in der Großen Magellanschen Wolke identifizieren und fanden in ihrem Spektrum hauptsächlich Emissionslinien von Helium, die aus der Akkretionsscheibe stammen.“
Damit ist das Problem der SN Ia-Vorläufer aber noch nicht gelöst: theoretische Modelle sagen vorher, dass etwa zwei bis fünf Prozent der Materie des Helium-Begleitsternes von der SN Ia-Explosion mitgerissen und in die Umgebung geschleudert werden. Diese Menge Helium wurde bei den meisten bisher beobachteten Supernovae Ia aber nicht gefunden. Es gibt allerdings eine Unterklasse mit kleinerer Leuchtkraft, die SN Iax, bei denen die Explosion schwächer ausfällt, und deshalb weniger Helium weggeblasen wird.
Das jetzt entdeckte System [HP99] 159 könnte nach derzeitigem Wissen in solch einer SN Iax enden, da die Messungen hier darauf hinweisen, dass kontinuierliches Helium-Brennen in Weißen Zwergen auch bei geringeren Überstrom-Raten möglich ist als theoretisch vorhergesagt. Die gemessene Leuchtkraft ist bei [HP99] 159 ungefähr zehnmal kleiner als bei der gängigen Akkretionsrate erwartet, wobei gleichzeitig die gemessene Röntgentemperatur exakt im erwarteten Bereich für stabiles Heliumbrennen liegt. Da frühere Messungen darauf hindeuten, dass die Leuchtkraft seit etwa 50 Jahren gleich geblieben ist, dürfte eine größere Spannbreite an Akkretionsraten für derartige Explosionen in Frage kommen.
„Sterne ohne Wasserstoffhülle wie der in [HP99] 159 gefundene Begleitstern stellen eine wichtige Zwischenphase dar, die im Lebenszyklus von etwa. 30 Prozent aller Doppelsterne vorkommen sollte“, sagt Julia Bodensteiner von der ESO, die sich seit ihrer Masterarbeit am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik mit massereichen Sternen beschäftigt. „Es sollte viele derartige Sterne geben, allerdings konnten bisher nur wenige beobachtet werden.“ Das Team hofft nun, mit eRosita noch weitere, ähnliche Quellen in den beiden Magellanschen Wolken zu finden. Dies sollte es erlauben, die Bedingungen für die Vorläufer von SN Ia noch besser einzugrenzen.