Forschungsbericht 2022 - Max-Planck-Institut für Quantenoptik

Neue Hardware für Quantennetzwerke

Autoren
Reiserer, Andreas
Abteilungen

Max-Planck-Institut für Quantenoptik, Garching

Zusammenfassung
Die Verwirklichung globaler Quantennetzwerke ist ein zentrales Forschungsthema für künftige Quantentechnologien. WissenschaftlerInnen am Max-Planck-Institut für Quantenoptik haben dafür eine neue und vielversprechende Hardware-Plattform entwickelt: Bis zu hundert einzelne Erbium-Atome werden dabei in einem optischen Resonator mit Laserlicht kontrolliert. Dies ermöglicht es, sie als stationäre Quantenbits zu verwenden und durch den Austausch von Photonen zu vernetzen – ein erster wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem Quanteninternet, das Quantencomputer und -sensoren weltweit miteinander verbindet.
 

Die Fähigkeit, Informationen digital zu verarbeiten, hat unsere Welt nachhaltig verändert. Dieser Transformationsprozess begann mit der Erfindung des Computers. Zur „digitalen Revolution“ wurde er jedoch erst, als diese Computer vernetzt wurden. Deshalb ist es heute möglich, überall und mit einem günstigen Endgerät auf die Rechenleistung und die Daten in großen Rechenzentren zurückzugreifen. Die Digitalisierung, die daraus folgte, ist heute noch in vollem Gange, aber die Wissenschaft arbeitet bereits an der nächsten Wende: der sogenannten Quanten-Revolution. Dabei werden die Besonderheiten von isolierten Quantensystemen genutzt, um neue Anwendungen zu ermöglichen, die weit über die Möglichkeiten klassischer Geräte hinausgehen. Die bekanntesten Bespiele sind Quantencomputer, die Optimierungsaufgaben effizient berechnen und chemische Reaktionen simulieren können sowie nachweisbar abhörsichere Kommunikation und die Entwicklung von Sensoren mit bisher unerreichter Präzision. Ähnlich wie in der klassischen Informationsverarbeitung könnte nun wieder die Vernetzung der Geräte – in diesem Fall Quantencomputer und -sensoren zu einem Quanteninternet – der Entwicklung den entscheidenden Ausschlag geben [1].

Quanten-Hardware

Um ein solches Quantennetzwerk aufzubauen, braucht es die richtige Hardware, die es ermöglicht, dass die lokalen Träger der Quanteninformation durch den Austausch von Lichtteilchen über große Entfernungen miteinander kommunizieren können – also das Analogon zu einem klassischen Glasfasermodem. WissenschaftlerInnen der Otto-Hahn-Gruppe Quantennetzwerke am Max-Planck-Institut für Quantenoptik haben nun gezeigt, dass sich sogenannte Erbium-Dotieratome  ideal für diesen Zweck eignen [2]. Dabei werden im regelmäßigen Kristallgitter eines Wirtskristalls, zum Beispiel Silizium [3], einzelne Atome gegen Erbiumatome ausgetauscht. Letztere weisen hervorragende Kohärenzeigenschaften auf  [4], können also Quantenzustände über längere Zeit speichern und erhalten. Außerdem lassen sich entsprechende Systeme mit etablierten Techniken der Halbleiterindustrie herstellen, und ihre Emission liegt im Telekommunikationsbereich, wo der Verlust in Glasfasern minimal ist und die Infrastruktur zur Vernetzung über große Distanzen bereits existiert.

Effiziente Wechselwirkungen

Um nun ein effizientes Quanten-Modem zu realisieren muss man dafür sorgen, dass einzelne Erbium-Dotieratome effizient mit einzelnen Lichtteilchen in Wechselwirkung treten. Dies erreicht man auf dieselbe Art, wie man eine effiziente Interaktion zwischen Personen ermöglicht: Indem man sie am gleichen Ort zusammenbringt – je kleiner, desto besser – und dafür sorgt, dass sie dort hinreichend lange verweilen – je länger, desto besser. Bei der Hardware für Quantennetzwerke wird dies erreicht, indem man die Lichtteilchen und Dotieratome in einem optischen Resonator festhält  [5]. Wenn die Erbiumatome einen ausreichenden Abstand zur Oberfläche aufweisen bleibt ihre ungewöhnlich lange Kohärenz und ihre schmale optische Linienbreite erhalten. Dies ermöglicht es, hunderte Qubits im selben Resonator durch Einstahlen von Licht passender Frequenz zu kontrollieren [2]. Dazu haben die PhysikerInnen der Otto-Hahn-Gruppe bis zu 0,002 Millimeter dünne Kristallschichten zwischen zwei Spiegeln mit über 99,99% Reflektivität eingebaut, was den Resonator bildet. In ihm können die WissenschaftlerInnen einzelne Lichtteilchen lang genug gefangen halten, um eine effiziente Wechselwirkung mit den Quantenbits zu erreichen. Dies ermöglicht es, den Quantenzustand der Erbiumatome durch Licht zu initialisieren, zu kontrollieren, auszulesen und auf einzelne Lichtteilchen zu übertragen. Dieser Vorgang schafft die wesentlichen Voraussetzungen für die Vernetzung über große Distanzen.

Der nächste Schritt wird sein, quantenmechanisch verschränkte Zustände mit hoher Qualität und hoher Rate zu erzeugen. Diese bilden eine zentrale Ressource jeglicher Quantentechnologie und bilden die Grundlage für ihre Anwendungen. Langfristig sollen die verschränkten Zustände dazu dienen, um die Genauigkeit von Sensoren zu erhöhen, die Rechenleistung von Quantencomputern zu steigern, und Endnutzern den Zugriff auf ihre Rechenleistung zu ermöglichen. Darüber hinaus sollte es die neue Hardware erlauben, sogenannte Quantenrepeater zu implementieren, und dadurch Informationen in einem „Quanten-Internet“ absolut abhörsicher über beliebige Distanzen zu übertragen.

Literaturhinweise

S. Wehner, D. Elkouss, and R. Hanson
Quantum Internet: A Vision for the Road Ahead
Science 362, eaam9288 (2018)
A. Ulanowski, B. Merkel, and A. Reiserer
Spectral Multiplexing of Telecom Emitters with Stable Transition Frequency
Science Advances 8, eabo4538 (2022)
A. Gritsch, L. Weiss, J. Früh, S. Rinner, and A. Reiserer
Narrow Optical Transitions in Erbium-Implanted Silicon Waveguides
Phys. Rev. X 12, 041009 (2022)
B. Merkel, A. Ulanowski, and A. Reiserer
Coherent and Purcell-Enhanced Emission from Erbium Dopants in a Cryogenic High-Q Resonator
 Phys. Rev. X 10, 041025 (2020)
Reiserer, A.
Cavity-Enhanced Quantum Network Nodes
ArXiv:2205.15380, Rev. Mod. Phys. (in Press) (2022).
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