Forschungsbericht 2024 - Max-Planck-Institut für Biogeochemie

Zunehmende Windwurfereignisse im Amazonasgebiet seit 1985

Increased windthrow events in the Amazon since 1985

Autoren
Urquiza-Muñoz, José David; Magnabosco Marra, Daniel; Trumbore, Susan
Abteilungen
Max-Planck-Institut für Biogeochemie, Jena
Zusammenfassung
Starke Winde können Bäume entwurzeln oder abknicken, was als Windwurf bezeichnet wird. Durch den Vergleich kontinuierlicher Satellitenbilder von 1985 bis 2020 konnten wir die jährlichen Windwurfflächen von über 30 Hektar im gesamten Amazonasbecken kartieren. Wir fanden heraus, dass sich die Anzahl der Windwürfe in den letzten 35 Jahren nahezu vervierfacht hat, was auf eine erhöhte Sturmaktivität hinweist. Neben der gezielten Abholzung, der Brandrodung und den Waldbränden bedrohen also auch häufigere starke Stürme die Struktur und die Kohlenstoffspeicherung des Amazonas-Regenwaldes.
Summary
Windthrows are trees uprooted or snapped by strong winds. By comparing satellite images from subsequent years, we mapped windthrows ≥ 30 ha in size across the entire Amazon Basin for each year from 1985 to 2020.  We found a nearly 4-fold increase in windthrows over the past 35 years, providing evidence of increased storm activity with implications for forest structure and carbon storage.

Windwurf verändert die Waldstruktur

Starke Fallwinde in konvektiven Stürmen können eine unterschiedliche Anzahl von Bäumen auf einmal umstürzen und dabei Waldflächen von bis zu 2.500 ha (25 Quadratkilometer) beschädigen. Im Amazonasgebiet sind schätzungsweise bis zu 50 % der Baumsterblichkeit auf das Abknicken oder Entwurzeln von Bäumen zurückzuführen. Windschäden sind daher eine bedeutende natürliche Störung, die sich auf die Waldstruktur, die Artenvielfalt und den Kohlenstoffhaushalt auswirkt (Abb. 1). Unsere Forschung konzentriert sich auf die Beantwortung zweier Fragen: Gibt es erstens räumliche Muster und zeitliche Trends beim Auftreten von Windschäden in den Wäldern Amazoniens? Und zweitens, wie erholen sich Wälder von großen Windwurfereignissen?

Die Anzahl und Fläche betroffender Wälder nimmt zu

David Urquiza-Muñoz, Doktorand am MPI für Biogeochemie, nutzte Satellitendaten [1], um alle Windwurfereignisse im gesamten Amazonasbecken mit einer Fläche von mehr als 30 ha für jedes Jahr von 1985 bis 2020 zu erfassen. Dazu verglich er Bilddaten von Landsat-Satelliten mit denen des Vorjahres und identifizierte Windwürfe als Fläche ohne photosynthetisch aktive Vegetation. Er bestätigte jeden neuen Fall einzeln anhand der Form der geschädigten Fläche (Abbildung 2) und anderer Kriterien, die zwischen Windschäden und Abholzung unterscheiden. Überraschenderweise haben sich die Anzahl und die Gesamtfläche der von großen Windwürfen betroffenen Amazonaswälder in den 35 untersuchten Jahren fast vervierfacht.

Große Windwürfe traten häufiger im zentralen und westlichen Amazonasgebiet auf, wobei die Hälfte aller Ereignisse in 14 % des Amazonasbeckens und ein Drittel in „Hotspots“ auftraten, die nur etwa drei Prozent der überwachten Fläche ausmachten (Abbildung 2). Große Windwurfereignisse sind daher im größten Teil des Amazonasgebiets sehr selten. Die Zahl der Windwürfe schwankte von Jahr zu Jahr stark. Das Auftreten von sehr großen Ereignissen (über 500 ha) hat seit 1990 zugenommen, so dass ein allgemeiner Trend zu mehr Windwürfen zu verzeichnen ist. Im Gegensatz zur Anzahl, haben sich die Größe und die räumliche Verteilung der Windwürfe in den letzten 35 Jahren im gesamten Amazonasbecken nicht verändert.

Auf den Schadflächen regeneriert sich die Biomasse schnell wieder

In zwei der „Hotspots“, im westlichen Amazonasgebiet in der Nähe von Iquitos (Peru) und im zentralen Amazonasgebiet nördlich der Stadt Manaus, führten wir Feldstudien durch, um die Zusammenhänge zwischen Waldschäden, Sukzession – also der Abfolge der Arten, die das betroffene Gebiet besiedeln - und den daraus resultierenden Veränderungen der Waldbiomasse und der Kohlenstoffvorräte zu untersuchen.

Um die Erholung des Waldes im Laufe der Zeit zu verfolgen, wählten wir in jeder Region bis zu fünf Standorte aus, an denen der Windwurf nicht länger als 30 Jahren zurücklag. Die Sterblichkeitsrate der großen Bäume, die das erste Windereignis überlebt hatten, blieb in den Folgejahren hoch, während neue Pionierbaumarten die offenen Flächen schnell besiedelten [2]. Die schnell wachsende Vegetation im westlichen Amazonasgebiet in der Nähe von Iquitos erholte sich innerhalb von 25 Jahren auf 90 % der Biomasse des ungestörten Altwaldes, während es im zentralen Amazonasgebiet etwa 50 Jahre dauerte [3]. Die verlorenen Kohlenstoffvorräte regenerieren sich also innerhalb von Jahrzehnten, obwohl die natürliche Zusammensetzung der Baumarten wahrscheinlich Jahrhunderte braucht, um sich zu erholen. Langfristig können Windstörungen und ihre Regeneration Prozesse sein, welche die biologische Vielfalt der Amazonaswälder erhalten.

Ausblick mit weiteren Fragen

Die Wechselwirkungen zwischen Wind und Wald betreffen mehrere Forschungsbereiche. Aktuelle und zukünftige Forschungsthemen konzentrieren sich auf die Quantifizierung kleinerer Windwurfereignisse von weniger als 30 ha mit hochauflösenden Bildern und neue Möglichkeiten der Biomassekartierung mit Lidar-Technologie. Zusammen mit Atmosphärenforschenden in Brasilien sammeln wir neue meteorologische Daten über den Baumkronen, um herauszufinden, wie oft Fallwinde auftreten und unter welchen Bedingungen sie genug Energie haben, um Bäume umzustürzen. Da mit der globalen Erwärmung eine Zunahme der Sturmschäden erwartet wird, rechnen wir mit weiteren Auswirkungen auf die Amazonaswälder.

Literaturhinweise

Urquiza-Muñoz, J. D.; Trumbore, S.; Negrón-Juárez, R. I.; Feng, Y.; Brenning, A.; Vasquez-Parana, C. M.; Magnabosco Marra, D.
Increased occurrence of large-scale windthrows across the Amazon basin
AGU Advances, 5, e2023AV001030
Marra, D. M.; Trumbore, S. E.; Higuchi, N.; Ribeiro, G. H. P. M.; Negrón‐Juárez, R. I.; Holzwarth, F.; Rifai, S. W.; Santos, J. d.; Lima, A. J. N.; Kinupp, V. F.
Windthrows control biomass patterns and functional composition of Amazon forests
Global Change Biology 24 (12), 5867-5881 (2018)
MDPI Open Access Journals
Urquiza-Muñoz, J. D.; Magnabosco Marra, D.; Negron-Juarez, R.I.; Tello-Espinoza, R.; Alegria-Munoz, W.; Pacheco-Gomez, T.; Rifai, S.W.; Chambers, J.Q.; Jenkins, H.S.; Brenning, A.; Trumbore, S.E.
Recovery of Forest Structure Following Large-Scale Windthrows in the Northwestern Amazon Forest
Forests, 12(6), 667 (2021)
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