Forschungsbericht 2008 - Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht
Mediation - Rechtstatsachen, Rechtsvergleich, Regelungen
Mediation - Empirical Data, Comparison of Laws, Model Regulations
Internationales Privat-, Verfahrens- und Wirtschaftsrecht
MPI für ausländ. und internat. Privatrecht, Hamburg
Rechtsvergleichende Forschung zur Mediation
Das Interesse an den Regelungen und Rechtstatsachen der Mediation in Europa und der Welt wird gegenwärtig aus zwei Quellen gespeist. Zum einen will die Europäische Union die Mediation als Verfahren der außergerichtlichen Streitlösung fördern. Die Mediationsrichtlinie aus dem Jahr 2008 gibt den Mitgliedstaaten auf, bis spätestens Mai 2011 nationale Regeln zu erlassen, welche die Information der Öffentlichkeit über die Mediation verbessern und grenzüberschreitende Mediationen erleichtern [1]. Für Deutschland ergibt sich daraus ein erheblicher Umsetzungsbedarf.
Zum anderen hat sich die Mediation mittlerweile neben dem Gerichtsverfahren, dem Schiedsverfahren, der Schlichtung und der Verhandlung als fünfte Säule der Konfliktlösungsverfahren in Deutschland etabliert. Der praktischen Bedeutung wird das derzeit geltende Verfahrens- und Berufsrecht jedoch nicht gerecht. Für den Gesetzgeber stellt sich daher über die Umsetzung der Mediationsrichtlinie hinaus die Aufgabe der gesetzlichen Förderung und Regelung der Mediation. In der rechtsvergleichenden Umschau befindet sich Deutschland dabei in der „Verfolgerrolle“. Wichtige Wirtschaftsländer wie die USA, England, Japan oder Frankreich stellen ihren Bürgern schon länger und erfolgreich Regeln zur Streitlösung im Wege der Mediation zur Verfügung.
Beratung des Bundesministeriums der Justiz
Vor dem Hintergrund des reichen Erfahrungsschatzes anderer Länder hat das Bundesministerium der Justiz das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht beauftragt, Regelungen und Rechtstatsachen in neunzehn ausländischen Rechtsordnungen zu ermitteln und mit Blick auf die Herausforderungen für den deutschen Gesetzgeber zu untersuchen. Unter der Leitung von Klaus J. Hopt und Felix Steffek fand sich ein Team von dreiundzwanzig Forschern zusammen, die ihre Ergebnisse im Oktober 2008 im Verlag Mohr Siebeck veröffentlicht haben [2].
Begriff der Mediation und Regelungstypen
Ausgangspunkt der Forschung war ein gemeinsames Verständnis vom Wesen der Mediation. Die Rechtswissenschaftler ließen sich von folgender Definition leiten: Mediation ist ein auf Freiwilligkeit der Parteien beruhendes Verfahren, bei dem ein Vermittler ohne Entscheidungsgewalt die Kommunikation zwischen den Parteien systematisch mit dem Ziel fördert, eine von den Parteien selbst verantwortete Lösung ihres Konfliktes zu ermöglichen. Die Mediation unterscheidet sich von dem formalisierten, durch das juristische Anspruchsdenken geprägten Gerichtsverfahren also durch ein flexibles, der Parteiautonomie überantwortetes Verfahren und den Umstand, dass sämtliche Aspekte des Konflikts – unabhängig von ihrer juristischen Relevanz – in die Streitschlichtung eingebunden werden können.
Die Flexibilität des Mediationsverfahrens und die Freiwilligkeit der daran teilnehmenden Parteien stehen einer staatlichen Regelung nicht grundsätzlich entgegen. Protagonist eines weitgreifenden Regelungsansatzes ist Österreich, wo man 2001 ein detailliertes Mediationsgesetz über die Ausbildung und Zulassung der Mediatoren erlassen hat. Als Gründe für die hohe Regulierungsintensität werden der Schutz der Verbraucher und die hoheitliche Förderung der Mediation genannt. Demgegenüber setzen andere Staaten allenfalls vereinzelte gesetzgeberische Impulse, etwa im Recht der Verfahrenskosten. Ein Beispiel dafür ist England, das die Ausgestaltung der Mediationsverfahren und die Ausbildung der Mediatoren in die Hände privater Verbände und selbstregulierender Marktkräfte gelegt hat. Die gesetzgeberische Zurückhaltung begründet man mit der Sorge, die Entwicklungsfreude der Praxis durch verfrühte Normsetzung zu ersticken. Zwischen diesen extremen Regelungsansätzen versucht eine dritte Gruppe von Rechtsordnungen, das Spannungsverhältnis zwischen der Freiwilligkeit der Mediation und dem Schutz vor Freiheitsmissbrauch in einer ausgewogenen Regulierungstätigkeit aufzulösen.
Erfolgsfaktoren der Mediation
Ein wichtiges Ergebnis der Untersuchung ist die Feststellung, dass der Erfolg der Mediation als Verfahren und Institution nicht nur von ihren klassischen Vorteilen, nämlich der Kosten- und Zeitersparnis bedingt wird. Zwar stützen die rechtstatsächlichen Auswertungen der Studie die Hoffnung, dass die Mediation Kosten und Zeitaufwand der Streitlösung senken kann, und zwar sowohl für die Beteiligten als auch für den Fiskus. Das englische National Audit Office ermittelte in einer Studie zu Familienstreitigkeiten für den Zeitraum Oktober 2004 bis März 2006 für Gerichtsverfahren im Durchschnitt Kosten von £ 1.682 und eine Dauer von 435 Tagen, während Mediationen nur Kosten von £ 752 und eine Dauer von 110 Tagen zu verzeichnen hatten.
Entscheidend ist – das zeigt die rechtsvergleichende Umschau – aber auch die institutionelle Einbindung der Mediation in die Verfahren der Streitlösung. Das bedeutet zum einen, dass der Missbrauch offengelegter Informationen verhindert und die Verjährung umstrittener Forderungen während des Mediationsverfahrens vermieden wird. Auch neutral agierende Mediatoren, qualitativ zufriedenstellende Verfahren und die Gewährleistung der Umsetzung entwickelter Lösungen spielen eine wichtige Rolle. Zum anderen ist damit die Einbindung der Mediation in die anderen Prozesse der Konfliktbewältigung angesprochen. Ein gelungenes Beispiel ist der Mediationskoordinator an niederländischen Gerichten. Der Koordinator vermittelt Informationen über die Mediation nach innen (unter den Richtern) sowie nach außen (gegenüber den Parteien) und führt die Parteien mit geeigneten Mediatoren zusammen.
Ein Vergleich der Rechtstatsachen ergibt schließlich, dass der Erfolg der Mediation auch davon abhängt, ob es gelingt, die maßgeblichen Personengruppen für dieses Verfahren zu gewinnen. Das sind namentlich die Anwälte als häufig erste Ansprechpartner bei Konflikten, die Richter als entscheidende Schnittstelle bei der gerichtsnahen und -internen Mediation und, vor allem, die Parteien selbst, die in vielen Ländern noch wenig über die Mediation wissen.
Regulierungsmodelle für das Berufsrecht
Ein weiterer Ertrag der Forschungsarbeit ist ein besseres Verständnis von Regulierungsmodellen und Regulierungszusammenhängen. Auf dem Gebiet des Berufsrechts konnte etwa nachgewiesen werden, dass die untersuchten Rechtsordnungen drei Regulierungsmodellen zuzuordnen sind. An ihnen könnte sich der Gesetzgeber bei der Entscheidung über das Ob und Wie einer Regulierung der Mediatoren orientieren.
Das Zulassungsmodell beruht auf einer hoheitlichen Zulassung zur Tätigkeit als Mediator und ist in dieser klassischen Form beispielsweise in Australien und Ungarn anzutreffen. In einer Variante ist es darüber hinaus auch im amerikanischen Bundesstaat Kalifornien, in Norwegen oder in Portugal zu finden. Dort führen Gerichte Mediatorenlisten, in die nur Aufnahme findet, wer gewisse Fähigkeiten und Kenntnisse (Fachkunde, Verhandlungskompetenz etc.) nachweist.
Demgegenüber zeichnet sich das Anreizmodell dadurch aus, dass die Mediatorentätigkeit jedermann offensteht. Für die Medianden günstige Regeln – etwa über die Vertraulichkeit und Qualität der Mediation – greifen aber nur dann, wenn das Verfahren von Mediatoren durchgeführt wird, die in Listen eingetragen sind, was wiederum die Erfüllung bestimmter Standards voraussetzt. Prominente Vertreter dieses Ansatzes sind Österreich und Japan. In Österreich gelten die besonderen Neutralitätspflichten der Mediatoren zugunsten der Medianden sowie die gesetzlichen Regeln zur Sicherstellung der Vertraulichkeit und zur Hemmung von Fristen nur, wenn die Mediation durch einen Mediator durchgeführt wird, der in die vom Justizministerium geführte Liste eingetragen ist. Daraus ergibt sich ein Anreiz für die Parteien, einen eingetragenen Mediator zu beauftragen, woraus sich im zweiten Schritt ein Anreiz für Mediatoren ergibt, die Qualitätsanforderungen für die Listeneintragung zu erfüllen und sich eintragen zu lassen.
Beim Marktmodell verzichtet der Staat weitgehend auf eine Regulierung des Berufsrechts und vertraut auf das rationale Verhalten der Marktteilnehmer, die Mediation anfragen und anbieten. Hier können sich nach einer Anfangsphase wenig geordneter Marktentfaltung nach und nach private Strukturen herausbilden, deren Regulierungswirkung den beiden anderen Modellen gleichkommt. So haben die Mediationsanbieter in England einheitliche Mediatorentitel entwickelt (zum Beispiel Associate, Member und Fellow), die den Parteien eine Qualitätseinschätzung erlauben.
Forschungsperspektiven
Die rechtsvergleichende Grundlagenarbeit des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht bereitet den Boden für eine informierte Diskussion über die Umsetzung der Mediationsrichtlinie in Deutschland. Dabei stellt sich die Frage, welche Regulierungsmodelle und Regulierungstypen, die sich im Ausland bewährt haben, für das deutsche Recht geeignet sind. Hier ist einerseits der Entwicklungsstand der Mediation in Deutschland zu bedenken, andererseits sind rechtskulturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Vergleich mit der beispielgebenden Rechtsordnung zu berücksichtigen. Diese Forschungsperspektiven wird das Institut im Blick behalten. Eine vom Verein der „Freunde des Hamburger Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht e. V.“ veranstaltete Konferenz im Juni 2009 steht daher unter dem Titel: „Mediation in Deutschland, Europa und der Welt – die Umsetzung der Mediationsrichtlinie vor dem Hintergrund internationaler Erfahrungen“.