Resonanz mit Nachhall
Ein nicht-linearer Schwingungseffekt in Festkörpern könnte einen neuartigen elektrischen Schaltmechanismus ermöglichen
Physikern bietet sich nun eine neue Möglichkeit, Keramiken und andere Kristalle zu manipulieren. Ein internationales Team um Wissenschaftler der Max-Planck-Forschungsgruppe für strukturelle Dynamik an der Universität Hamburg hat in einem Metalloxid mit einem sehr intensiven Infrarot-Laser zwei Kristallschwingungen ausgelöst, die üblicherweise völlig unabhängig voneinander stimuliert werden müssen. Der Laserpuls regt gewöhnlich nur eine Infrarot-Schwingung des Kristalls an. Da er aber so stark ist, zieht die von ihm ausgelöste, resonante Vibration eine Raman-Schwingung nach sich. Raman-Schwingungen werden normalerweise von sichtbarem Licht angestoßen, und zwar indirekt über die Verzerrung der Elektronenwolke. Der nicht-lineare Effekt, der die Kopplung der beiden Schwingungen ermöglicht und ionische Raman-Streuung heißt, weist einen Weg, solche Metalloxide willkürlich zwischen einem elektrisch isolierenden und einem leitenden Zustand hin und her zu schalten.
Es ist ein bisschen so, als würde ein Hund so heftig mit dem Schwanz wedeln, dass gleichzeitig seine Ohren wackeln. Was im Park vermutlich lustig aussieht, war in der Physik der Festkörper bislang nicht möglich. Zwar lassen sich mit infrarotem Licht in Kristallen aus polaren Bausteinen – etwa aus Metallen und Sauerstoff – Schwingungen anregen: Die Atome können in verschiedenen Richtungen periodisch ihren Abstand ändern, etwa nach oben und unten oder seitwärts, und sie haben zahlreiche Möglichkeiten sich zu verdrehen wie die Unruh einer Uhr. Aber: Licht einer Energie oder Farbe stößt gewöhnlich nur eine dieser Schwingungsmöglichkeiten an. Um im Hundebild zu bleiben: entweder Schwanzwedeln, Ohrenwackeln, oder auch Kopfnicken.
Physiker der Max-Planck-Forschungsgruppe für strukturelle Dynamik, die zum Center for Free Electron Laser Science an der Universität Hamburg gehört, und ihre japanischen sowie amerikanischen Kollegen haben nun in einer Keramik durch eine Schwingung, die sie mit einem Laserpuls im mittleren Infrarotbereich sehr stark angeregt hatten, eine weitere Schwingung in Gang gesetzt. Die Keramik besteht aus den Metallen Lanthan, Strontium, und Mangan sowie Sauerstoff und wird mit dem chemischen Kürzel La0,7Sr0,3MnO3 beschrieben.
„Möglich ist das nur mit einem sehr intensiven Laserpuls, dessen Frequenz auf die einer Infrarot-Schwingungs des Kristalls abgestimmt ist“, sagt Michael Först, der das Experiment gemacht hat: „Wir sprechen dann von einer resonanten Anregung.“ Und da der Puls sehr intensiv ist, schwingt der Kristall besonders heftig. So heftig, dass ein nicht-linearer Effekt auftritt. Das heißt: Der Laserpuls stößt nicht nur die Schwingung an, auf die er abgestimmt ist – so wie er das bei linearen Anregungen mit mäßig intensiven Pulsen tut. Vielmehr zieht er eine zweite Schwingung mit. Der nicht-lineare Effekt, der dem zugrunde liegt, heißt ionische Raman-Streuung und wurde bereits vor 40 Jahren theoretisch vorausgesagt. Bis vor kurzem gab es jedoch keine Laser, die stark genug waren, ihn zu bewirken.
Raman-Streuung tritt gewöhnlich in Molekülen oder Kristallen auf, die sich nicht direkt durch die elektromagnetischen Felder einer Lichtwelle zu Schwingungen anregen lassen, weil sie nicht polar sind. Denn nur wenn die Atome eines Materials verschieden starke elektrische Ladungsanteile besitzen, bilden sich Dipole, die Schwingungen der elektromagnetischen Lichtwellen aufnehmen können. Fehlen die Dipole, kann Licht jedoch Elektronenwolken des Materials verzerren, weil auch diese sensibel auf das elektromagnetische Lichtfeld reagieren. Diese polarisierten Elektronenwolken ziehen die Atomrümpfe dann hinter sich her. Dabei verändert sich die Energie oder Wellenlänge des eingestrahlten Lichtes genau um den Betrag, der in die Schwingung fließt.