Wissenschaft und Kunst in Europa

Beitrag von Klaus Hahlbrock zum zweiten Kolloquium "Science and Art in Europe", das 2005 in Berlin, Dresden und Jena stattfand

1. Juli 2005

Einmalige Chance und Verantwortung für Wissenschaftler der Europäischen Union in einer Zeit von historischer Bedeutung

Wissenschaft und Kunst sind jene beiden Formen menschlicher kultureller Aktivität, die keine inhärenten Grenzen kennen und daher schon aufgrund ihrer Natur wahrhaft international sind. Werden sie nicht von politischen, ideologischen oder religiösen Zwängen behindert, gibt es für Wissenschaftler wie Künstler keine geistigen oder physischen Schranken. Vor allem die Großen unter ihnen haben ihre jeweiligen Fachgebiete von jeher in hohem Maße beeinflusst, indem sie den Wettbewerb durch die Praktizierung und Förderung eines offenen, weltweiten Austauschs von Ideen belebt und an gemeinsamen Projekten zusammengearbeitet haben. Dieses wertvolle Privileg hievt Wissenschaftler und Künstler in die Position eines Schrittmachers der internationalen Zusammenarbeit und des gegenseitigen Verständnisses.

Zur Schaffung eines neuartigen Beitrags zu dieser Schrittmacherrolle hielt die Max-Planck-Gesellschaft zusammen mit einigen ihrer polnischen und deutschen Partnerinstitute im November 2002 in Warschau, Krakau und Posen eine erste Reihe von Veranstaltungen mit dem Titel ‚Wissenschaft und Kunst in Europa’ ab. In jeder der drei Städte erwies sich eine Kombination aus bilateralen wissenschaftlichen Symposien, öffentlich angekündigter Kunstausstellung, Konzert und Großempfang als äußerst erfolgreich – ganz anders, als dies angesichts der üblichen Exklusivität spezialisierter wissenschaftlicher Tagungen der Fall ist, ließen sich zahlreiche kulturell, sozial und politisch interessierte Teilnehmer aus beiden Lagern anlocken.

Angespornt durch diesen Erfolg und überzeugt davon, dass es an der Zeit ist, den Wirkungskreis zu erweitern, lädt die Max-Planck-Gesellschaft nun Kollegen und Gäste aus den östlichen EU-Nachbarländern dazu ein, gemeinsam mit uns das Netzwerk wissenschaftlicher Zusammenarbeit in ganz Europa auszuweiten und zu festigen. Unsere Überzeugung, dass die Zeit reif ist für eine erweiterte, zweite Veranstaltungsreihe ‚Wissenschaft und Kunst in Europa’ – dieses Mal in Berlin, Dresden und Jena – beruht auf zweierlei Erfahrungen. Zum einen gibt es da die ergänzende Kraft wissenschaftlicher Kompetenz aus verschiedenen Bereichen der sowohl in unseren eigenen Laboren als auch in denen unserer östlichen Nachbarländer betriebenen Forschung – eine bereits erschlossene Quelle vieler fruchtbarer bi- und multilateraler Kooperationen mit großem Erweiterungspotential.

Die zweite, zunehmend stärker wahrgenommene Erfahrung aller europäischen Länder ist der scharfe weltweite Wettbewerb um die besten jungen Wissenschaftler. Europa kann es sich nicht leisten, in diesem Wettbewerb als Verlierer dazustehen. Es liegt in unserem gemeinsamen Interesse, dass unsere jungen Talente nicht nur die bestmögliche Ausbildung genießen, wozu auch internationale Erfahrungen der Doktoranden und Habilitanden in einem herausragenden wissenschaftlichen Umfeld gehören. Sie müssen außerdem attraktive Konditionen für den anschließenden Start einer unabhängigen Karriere in ihrem Heimatland vorfinden. Nur so befinden sie sich in einer ausreichend starken Position, von der aus sie zur Etablierung eines international wettbewerbsfähigen, gesamteuropäischen wissenschaftlichen Netzwerks beitragen können.

Es gibt also viele Gründe, die Gelegenheit zur Feier des ersten Jahrestags der historischen EU-Erweiterung wahrzunehmen – einer Erweiterung, durch welche die einstmals trennende Nachkriegsgrenze zwischen ‚Ost’ und ‚West’ in einem neuen Geist einer für beide Seiten vorteilhaften, lang anhaltenden und verlässlichen Partnerschaft überwunden wurde. Die Kombination aus Wissenschaft und Kunst soll bei diesem Unterfangen dazu dienen, gleichzeitig die Reichweite persönlicher wie allgemeiner sozialer und kultureller Interaktionen zu vergrößern. Langfristig wird Europa nur dann zusammenwachsen, wenn wissenschaftliche Zusammenarbeit ebenso wie Freizügigkeit und freier Handel etc. auf gegenseitigem Respekt für die Vielfalt kultureller Werte beruht. Dies wiederum erfordert gründliche, unvoreingenommene Kenntnisse über den jeweils Anderen. Nichts dient der Erreichung des gemeinsamen Ziels besser als der persönliche Umgang miteinander.

Die Max-Planck-Gesellschaft ist als eines der großen Grundlagenforschungsinstitute fest entschlossen, zur Intensivierung wissenschaftlicher Zusammenarbeit in Europa – derzeit mit einem besonderen Augenmerk auf unseren östlichen Nachbarn – jeden nur denkbaren Beitrag zu leisten. Wir freuen uns darüber, dass wir von deren Seite zahlreiche Signale der gleichen Entschlossenheit erhalten. Vereint in einer fruchtbaren und tragfähigen Partnerschaft werden wir ohne Zweifel in hohem Maße zum Erfolg unserer Heimatländer wie zum Erfolg ganz Europas beitragen können.

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