Gehirnregion kann Alzheimer und andere Demenzen im Frühstadium anzeigen
In der unteren frontalen Kreuzungsregion treten bei Demenzerkrankungen bereits früh Veränderungen auf
Schon wieder den Schlüssel verlegt oder einen Namen nicht parat? Wer vergesslich wird, bekommt es schnell mit der Angst zu tun. Wird man einfach nur alt oder sind das die ersten Symptome einer drohenden Alzheimer-Erkrankung? Diese Frage lässt sich bisher im Frühstadium nicht einfach beantworten. Das aber könnte sich ändern: Forscher des Leipziger Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften und der Universität Leipzig haben mit Hilfe von modernen bildgebenden Verfahren einen Knotenpunkt im Gehirn identifiziert, der mit Denkfunktionen zusammenhängt, die häufig bei Demenzen betroffen sind. Dies könnte eine bessere Vorhersage über die Entwicklung einer Demenz ermöglichen.
Demenzerkrankungen gehören zu den großen Problemen einer Gesellschaft, in der die Menschen immer älter werden. Die am häufigsten auftretende Form ist die Alzheimer-Erkrankung, die meist im Alter von über 60 Jahren beginnt. In der Regel geht der Krankheit eine Phase leichter kognitiver Beeinträchtigungen voraus, die allerdings die Lebensqualität der Betroffenen noch nicht einschränkt. Den Schlüssel zu vergessen oder zweimal nach der Post zu schauen – mit einem leicht gestörten Erinnerungsvermögen lässt sich gut leben. Nur etwa die Hälfte dieser von Vergesslichkeit Betroffenen entwickelt erfahrungsgemäß innerhalb der nächsten Jahre eine Alzheimer-Erkrankung oder eine andere Demenzform.
„Neben dem Gedächtnis sind bei Demenzen häufig auch noch andere Denkfunktionen betroffen, nämlich die so genannten exekutiven oder Kontrollfunktionen“, erklärt Matthias Schroeter vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften. Sein Leipziger Team von Wissenschaftlern versucht, mit Hirnscans und modernen Bildgebungsverfahren frühe Diagnosen möglich zu machen. „Diese Kontrollfunktionen benötigen wir unter anderem in neuen und unerwarteten Situationen, um flexibel reagieren zu können. Wenn sie zusätzlich zu den Gedächtnisfunktionen betroffen sind, können die Patienten sich nicht mehr auf ihre Beeinträchtigungen einstellen, indem sie zum Beispiel Merkzettel schreiben.“ Tatsächlich weisen Defizite in diesen Kontrollfunktionen auf eine baldige Demenz hin.
In einer aktuellen Studie können die Wissenschaftler über Messungen des Gehirnstoffwechsels zeigen, dass sich Beeinträchtigungen in den Kontrollfunktionen der Betroffenen in einem bestimmten Gebiet des Stirnhirns, der so genannten unteren frontalen Kreuzungsregion (inferior frontal junction), widerspiegeln. Dieser Knotenpunkt, an dem sich zwei Gehirnfurchen treffen, scheint demnach für die Entwicklung einer Demenz und die damit zusammenhängenden Beeinträchtigungen von großer Bedeutung zu sein.
Die Forscher haben für diese Studie 54 Patienten mit verschiedenen Demenzformen im Frühstadium, unter anderem Alzheimer-Krankheit, untersucht. Die Betroffenen absolvierten typische Demenztests, die kognitive Defizite aufzeigen können. Ein Beispiel ist der klassische Stroop-Test, bei dem Wörter gelesen werden müssen, die für bestimmte Farben stehen (gelb, rot, blau ...), dabei allerdings jeweils in einer anderen Farbe gedruckt sind. Hier gilt es, möglichst schnell die Farbe zu benennen, in der das Wort gedruckt ist. Eine Aufgabe, die schnelles Umdenken im Gehirn erfordert. Ein anderer Test, in dem es um die Sprachkompetenz geht, ist der Supermarkt-Test: Die Patienten sollen in kurzer Zeit möglichst viele Dinge benennen, die man in einem Supermarkt erhalten kann. Mit einem anderen Verfahren wird direkt das Problemlösen untersucht. Diese und weitere Tests geben ein gutes Bild der kognitiven Defizite, die bei Demenz auftreten können und vor allem jene für unser Handeln wichtigen Funktionen betreffen. Parallel zu den Demenztests wurde bei allen Patienten der Gehirnstoffwechsel mit Hilfe der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) untersucht. Dabei zeigten die PET-Bilder, dass Probleme in den Demenztests mit einem geringeren Zuckerumsatz der Nervenzellen in der unteren frontalen Kreuzungsregion einhergehen.
Wenn sich diese Korrelation in weiteren Untersuchungen bestätigt, könnte in Zukunft ein Hirnscan im Stirnhirn Antwort auf die bange Frage vieler Betroffener geben: Nur vergesslich oder auf dem Weg in eine Demenz?
KN/HR