Forschungsbericht 2011 - Max-Planck-Institut für Polymerforschung
Von stabilen Tröpfchen zu funktionellen Nanokapseln
Ob im Badezimmer in Form von Bodylotions, Cremes und Zahnpastas, in der Küche als Sahne, Margarine oder Mayonnaise oder beim Basteln und Arbeiten in Form von Farben (von Wasserfarben bis Dispersionsfarben) und Klebstoffen (wie z. B. Holzleim), mit Emulsionen und Dispersionen kommen wir jeden Tag mehrfach in Kontakt.
Unter Emulsionen versteht man ein System aus zwei nicht-mischbaren Flüssigkeiten, wobei eine Phase als kleine Tröpfchen in einer zweiten kontinuierlichen Phase vorliegt. Bei Milch, der Bodylotion, Creme, Sahne und Mayonnaise ist es das Fett, das als Tröpfchen in Wasser vorliegt. Bei einer Dispersion handelt es sich um feste Partikel, die in einer kontinuierlichen, flüssigen Phase feinverteilt vorliegen. Farben bestehen aus fein dispergierten Pigmenten und Polymerpartikeln in Wasser, bei Klebstoffen sind es Polymerpartikel. Um die Tröpfchen und Partikel in der kontinuierlichen Phase stabil zu halten, werden in der Regel grenzflächenaktive Substanzen wie Seifen als Stabilisatoren eingesetzt.
Eine stabile Emulsion herzustellen, ist jedoch nicht so einfach. Wenn Wasser und Öl miteinander vermischt werden, trennen sich beide Phasen in der Regel sofort wieder. Durch Schütteln und Zugabe von Stabilisatoren kann man zumindest für eine gewisse Zeit eine stabile Emulsion herstellen. Das Ergebnis lässt sich noch deutlich verbessern, wenn man deutlich kleinere Tröpfchen erzeugen kann als nur mit dem Schütteln. Das gilt auch für die Milch: Direkt nach dem Melken ist Milch als Emulsion nicht besonders stabil. Bereits nach kurzer Zeit sieht man, wie sich der Rahm oben absetzt. Wenn allerdings die Milch homogenisiert wird (d. h. wenn die vorhandenen Fetttröpfchen durch einen Hochdruckhomogenisator zerkleinert werden und insgesamt einheitlicher in ihrer Größe sind), so weist diese Emulsion eine beachtliche Stabilität auf. Woran liegt es, ob eine Emulsion stabil oder instabil ist?
Im Prinzip sind zwei Prozesse dafür verantwortlich, dass Emulsionen instabil sind:
Zum einen findet eine Koaleszenz, d. h. ein Zusammenfließen von Tröpfchen statt. Dieser Prozess lässt sich durch den Einsatz von grenzflächenaktiven Substanzen, sogenannten „Tensiden“, vermeiden. Durch die Verwendung von ionischen Tensiden wird eine elektrostatische Stabilisierung der Tröpfchen erreicht; die Tröpfchen stoßen sich aufgrund ihrer gleichen Ladung ab. Nicht-ionische Tenside erzielen eine sterische Stabilisierung der Tröpfchen indem langkettige Moleküle auf der Tröpfchenoberfläche verankert werden. Die derart „behaarten“ Tröpfchen stoßen sich ebenfalls ab.
Zum anderen findet aber in gewöhnlichen Emulsionen eine sogenannte Ostwaldreifung statt. Wenn die Tröpfchen alle genau gleich groß wären, würde in jedem Tröpfchen der gleiche Binnendruck vorliegen. Wenn sich aber Tröpfchen unterschiedlicher Größe im System befinden (und sei es, dass die Tröpfchen 95 nm und 100 nm sind), so ist der Binnendruck in kleineren Tröpfchen höher als in größeren Tröpfchen. Diese Differenz führt dazu, dass die größeren Tropfen bestrebt sind, auf Kosten der kleineren zu wachsen. Dies ist möglich, wenn Moleküle aus dem kleineren Tropfen durch die kontinuierliche Phase in den größeren Tropfen diffundieren. Und somit ist die Geschwindigkeit dieses Prozesses auch abhängig von der Wasserlöslichkeit der Tropfenkomponente. Aber alle kleinen Moleküle, auch wenn sie noch so hydrophob sind, zeigen eine gewisse (wenn auch manchmal sehr geringe) Wasserlöslichkeit, und somit finden in diesen Emulsionen auch Diffusionsprozesse statt, bis eine Phasentrennung erreicht ist.
Unterdrückt werden kann diese Diffusion nun durch Zusatz eines in den Tröpfchen sehr gut löslichen Reagenzes, das im Vergleich zur Tröpfchenphase selbst eine geringere Wasserlöslichkeit aufweist (in der Milch sind die Fetttröpfchen aus mehreren Komponenten aufgebaut und mindestens eine Komponente weist eine sehr geringe Wasserlöslichkeit auf). Die Konzentration ist nun in jedem Tröpfchen identisch. Wenn aufgrund der höheren Wasserlöslichkeit nun die Tröpfchenphase von den kleineren Tröpfchen in die größeren Tröpfchen zu diffundieren beginnt, würde sich die Konzentration der dritten Komponente im kleiner werdenden Tröpfchen immer weiter erhöhen und in den größer werdenden verringern. Ein solcher Konzentrationsunterschied führt zu unterschiedlichen osmotischen Drücken und ist thermodynamisch betrachtet sehr ungünstig. Aus diesem Grund findet keine effektive Diffusion statt und alle Tröpfchen im System sind stabil. Wichtig ist, dass dafür die Tröpfchen nicht zu heterogen in ihrer Größe sind (wie dies bei Milch nach dem Melken der Fall ist). Mit hohen Scherraten wie einem Hochdruckhomogenisator oder Ultraschall lassen sich gut recht einheitliche Tröpfchen zwischen 30 und 500 nm herstellen. Mit einem Tensid und einem osmotischen Reagenz weisen sie eine hohe Stabilität auf; solche Systeme werden als Miniemulsionen bezeichnet.
Wenn Öltröpfchen in einer wässrigen Phase vorliegen, wie dies bei Milch und Sahne der Fall ist, so spricht man von direkten Emulsionen. Bei inversen Emulsionen sind wässrige Tröpfchen in einer hydrophoben (Öl)-Phase emulgiert. Typische Beispiele sind Butter, Margarine und Niveacreme. Für direkte Miniemulsionen wird nun als wasserunlösliche und damit „osmotisch“ stabilisierende Komponente eine sehr hydrophobe Substanz gebraucht, als Modellsubstanz verwendet man Hexadekan. Für inverse Miniemulsionen werden Substanzen gebraucht, die wieder eine sehr geringe Löslichkeit in der kontinuierlichen Phase, aber eben in einer Ölphase, aufweisen, also sehr hydrophil sind. Hier können Salze oder Zucker eingesetzt werden.
Die Idee des Nanoreaktors
Die hohe Stabilität der Miniemulsionströpfchen ermöglicht es, Reaktionen in den Tröpfchen durchzuführen, ohne dass eine Diffusion von Komponenten erfolgt. Jeder Tropfen stellt damit einen unabhängigen „Nanoreaktor“ dar, in dem unabhängig zu den Nachbartropfen Reaktionen durchgeführt werden können. Das ermöglicht eine Vielzahl an verschiedenen Reaktionen in den Tröpfchen, aber erlaubt auch die Verkapselung der unterschiedlichsten Komponenten in den Partikeln und die Herstellung komplexer Morphologien. Einige Beispiele aus dem Arbeitskreis von Prof. Dr. Katharina Landfester am Max-Planck-Institut für Polymerforschung werden im Folgenden vorgestellt.
Polymere Nanopartikel
Von besonderem Interesse ist die Polymerisation in den Miniemulsionströpfchen [1]. Hiermit lassen sich Polymere für unterschiedlichste Anwendungen in einer leicht zu verarbeitenden Form als Dispersion herstellen. Im Prinzip können alle Polymerisationsarten in den Tröpfchen durchgeführt werden. Eine radikalische Polymerisation ermöglicht z. B. die Herstellung von Polyacrylat-, Polymethacrylat-, Polystyrol-, Polyisopren- oder Polybutadienpartikeln. Über die Polyaddition und -kondensation sind sehr widerstandsfähige Harze zugänglich und Polyurethane oder auch Polyester möglich.
Durch die hohe Einheitlichkeit ihrer Größe können die Nanopartikel großflächig auf Oberflächen angeordnet werden. Dies stellt einen Schlüsselschritt für eine Oberflächenstrukturierung dar, ohne teure Geräte einsetzen zu müssen. Kürzlich ist es am MPI für Polymerforschung gelungen, Monolagen aus funktionellen Kolloiden und komplexen Strukturen zu erzeugen [2]. Dazu werden Monoschichten der Nanopartikel zunächst an einer Luft/Wasser-Grenzfläche erzeugt und auf ein beliebiges Substrat übertragen. Durch die Verwendung eines sogenannten Langmuirtrogs wurde eine sehr gute Kontrolle über die Schichten erzielt, sodass sogar binäre Monolagen zugänglich waren. Besonders wirksam erwies sich die Verwendung von grenzflächenaktiven Substanzen, durch die die attraktiven Kapillarkräfte und die repulsiven elektrostatischen Kräfte der Partikel geschickt ausbalanciert werden können. Damit waren große Flächen aus Partikeln in unterschiedlichem Mengenverhältnis zugänglich (siehe Abb. 1).
In der Regel entstehen bei der Miniemulsionspolymerisation in Tröpfchen sphärische Partikel. Einheitlich anisotrope Partikel (z. B. Partikel mit Ellipsenform) zu erzeugen, ist deutlich schwieriger. In der Literatur beschriebene Streckverfahren und Lithographiemethoden führen nur zu einer geringen Menge an Material, welches dadurch sehr schwierig zu charakterisieren ist. Ein neuer Ansatz aus Mainz [3] erfolgt nun über das Verspinnen einer Mischung von Silika- und Polystyrolnanopartikeln zu hauchdünnen Fasern. Anschließend erfolgt eine Kalzinierung (d. h. Verbrennung) der Polystyrolpartikel, sodass Fasern aus Silika mit Löchern entstehen. Diese sind Sollbruchstellen und ermöglichen das gezielte Aufbrechen der Fasern (siehe Abb. 2).
Verkapselung von Materialien
Mithilfe des Miniemulsionsprozesses ist es auf einfache Weise möglich, verschiedene Substanzen zu verkapseln. Dabei können sowohl feste und flüssige, hydrophobe und hydrophile Wirkstoffe in Nanokapseln eingebracht werden [4]. Bei der Verkapselung von hydrophoben Substanzen wird in direkter (Öl-in-Wasser) Miniemulsion gearbeitet. So lassen sich zum Beispiel (Farb-)Pigmente und Magnetit [5] verpacken (Abb. 3). Nanoteilchen des eisenoxidhaltigen, magnetischen Magnetits muss ein Patient als Kontrastmittel („Marker“) gespritzt bekommen, bevor ein Arzt im Kernspintomographen einzelne Organe untersucht. Da reine Magnetit-Partikel im Wasser und somit auch im Blut nicht stabil sind und sich zudem auflösen können und so zu einem Eisenschock führen können, brauchen sie eine schützende Hülle, die über den Miniemulsionsprozess sehr gut erzeugt werden kann. Aufgrund der dichten Polymerhülle ist das Magnetit vom Dispersionsmedium zunächst chemisch nicht zugänglich. Außerdem weisen die Partikel eine hohe Homogenität auf, sie sind vielseitig funktionalisierbar und können zusätzlich einen pharmakologischen Wirkstoff enthalten.
Die Marker derart in einer Miniemulsion zu verpacken, bietet die Chance, die Teilchen als magnetische Sonden für unterschiedliche Gewebearten und Tumore in den Körper zu schicken. Hier werden dann die Nanopartikel mit Antikörpern ausgerüstet, die zugleich wie Adressschildchen, Anker und Türöffner für bestimmte Körperzellen wirken.
Die Verkapselung von hydrophilen Komponenten erfolgt dagegen in einem inversen Miniemulsionsprozess. Polybutylcyanacrylat-, Polyharnstoff-, Polythioharnstoff-, Polyurethan- und vernetzte Stärkekapseln werden durch eine Grenzflächenpolymerisation erhalten. Eingekapselt werden können unterschiedliche Substanzen und Wirkstoffe wie Katalysatoren, Farbstoffe, Vitamine, Chemotherapeutika, DNA, Peptide und vieles mehr. Auch hier ist eine Funktionalisierung der Nanokapseloberfläche durch rezeptorspezifische Antikörper für die Tumorzellanbindung möglich.
Freisetzung aus den Nanokapseln
Während bei toxischen Substanzen durchaus eine dauerhafte Verkapselung erwünscht ist, so wird doch in vielen Fällen eine definierte Freisetzung angestrebt. Dabei können die verkapselten Substanzen entweder langsam und punktuell durch Diffusionsprozesse oder einen langsamen Abbau der Hülle freigesetzt werden oder definiert schnell durch eine gezielte Kapselöffnung, die pH-, licht-, temperatur- oder enzyminduziert sein kann. Hierbei werden entweder in die Schalen oder in den Kern „Schalter“-Moleküle eingebaut, die auf einen externen Reiz reagieren. Befinden sich die Sollbruchstellen in Polymeren in der Schale, entstehen Polymerbruchstücke, die zum Aufbruch der Kapsel führen. Wenn im Kern stickstoffhaltige Komponenten, sogenannte Azokomponenten, eingebaut werden, so zersetzen sich diese z. B. temperaturinduziert, wodurch als Gas Stickstoff entsteht, der einen Überdruck in den Kapseln aufbaut und diese zur Nanoexplosion bringen kann [7]. Kürzlich ist es am MPI für Polymerforschung ebenfalls gelungen, Nanopartikel und -kapseln herzustellen, die eine enzymspaltbare Schale aufwiesen (siehe Abb. 4) [8, 9]. Das Öffnen der Kapseln konnte sowohl durch einen Bruch der Ketten, durch den eine Fluoreszenz entstand, als auch durch eine Freisetzung eines Farbstoffes aus dem Kern gezeigt werden.