Wie Kugelsternhaufen Kollisionen überleben
Simulationen zeigen die turbulente Geburt der Objekte vor 13 Milliarden Jahren in neuem Licht
Um unsere Milchstraße schwirren etwa 200 kompakte Gebilde, die in kleinen Teleskopen wie Schneebälle aussehen. Mit einem Alter von 13 Milliarden Jahren sind diese Kugelsternhaufen fast so alt wie das Universum. Astronomen aus Deutschland und den Niederlanden haben nun ihre Geburt am Computer simuliert – mit überraschendem Resultat: Danach sind diese riesigen Sternhaufen aus jeweils bis zu einer Million Sonnen die einzigen Überlebenden eines Massakers, bei dem ihre kleineren Geschwister zerstört wurden.
Kugelsternhaufen haben eine bemerkenswerte Eigenschaft: Die Anzahl ihrer Sterne scheint bei allen etwa gleich zu sein. Das steht im Gegensatz zu den viel jüngeren offenen Sternhaufen, die nahezu beliebig viele Sonnen enthalten können, von weniger als 100 bis zu mehreren Tausend. Die Gruppe um Diederik Kruijssen vom Garchinger Max-Planck-Institut für Astrophysik erklärt diesen Unterschied nun durch die Bedingungen, unter denen sich Kugelsternhaufen früh in der Entwicklung ihrer Galaxien gebildet haben.
Am Computer simulierten die Forscher isolierte und kollidierende Galaxien; die Programme enthielten auch Modelle für die Entstehung und Zerstörung von Sternhaufen. Stoßen zwei Milchstraßensysteme zusammen, kommt es unter den Sternen oft zu einem wahren Babyboom („Starburst“) – helle, junge Sternhaufen in vielen verschiedenen Größen entstehen. Deshalb dachte man, dass sich die Gesamtzahl der Sternhaufen in den Galaxien während eines solchen etwa zwei Milliarden Jahre andauernden Starbursts erhöht. Doch die Simulationen zeigen genau das Gegenteil.
Tatsächlich überstehen nur die hellsten und größten Haufen eine kosmische Kollision, weil sie die Anziehungskraft ihrer Sterne zusammenhält. Die kleineren Haufen dagegen werden durch die sich rasch ändernden Gravitationskräfte während der Starbursts im lebensfeindlichen Umfeld der jungen Galaxie zerstört, und zwar schon kurz nach ihrer Geburt. Die Eigenschaften der Überlebenden entsprachen in den Simulationen außerdem exakt jenen, die man für Kugelsternhaufen vor etwa elf Milliarden Jahren erwarten würde.
„Es ist wirklich eine Ironie des Schicksals, dass Starbursts zum einen viele junge Sternhaufen entstehen lassen, die Mehrheit von ihnen aber gleichzeitig auch wieder zerstören“, sagt Diederik Kruijssen. Da im frühen Universum kosmische Unfälle – und damit Starbursts – an der Tagesordnung gewesen seien, erscheine es plausibel, dass alle Kugelsternhaufen in etwa die gleiche große Anzahl von Sonnen haben. „Ihre kleineren Geschwister, die nicht so viele Sterne enthielten, waren dazu verdammt zerstört zu werden“, so Kruijssen.
Um ihre Ideen zu testen, schlagen die Forscher neue Beobachtungen vor. So gibt es in unserer kosmischen Nachbarschaft mehrere Galaxien, die erst vor kurzem heftige Ausbrüche von Sterngeburten durchgemacht haben. Es müsste daher möglich sein, die schnelle Zerstörung der kleineren Sternhaufen direkt zu sehen. „Sollte man das bei den neuen Beobachtungen tatsächlich finden, so wäre unsere Theorie bestätigt“, sagt Diederik Kruijssen.
Die neuen Simulationen deuten darauf hin, dass die meisten Eigenschaften der Kugelsternhaufen durch die (sehr ähnlichen Bedingungen) bei ihrer Geburt in unterschiedlichen Galaxien festgelegt wurden. So gleichen sie fossilen Überresten, die einiges über das Werden der ersten Sterne und Milchstraßensysteme verraten.
HAE / HOR