Dem verborgenen Liebesleben der Pflanzen auf der Spur
Kölner Forscher entdecken Signale zwischen dem pflanzlichen Embryo und seinem Nährgewebe
Pflanzensamen bestehen zu einem großen Teil aus dem Endosperm. Dieses hat die wichtige Aufgabe, den pflanzlichen Embryo in der ersten Zeit seiner Entwicklung zu ernähren. Es ist ein komplizierter Doppel-Befruchtungsmechanismus, aus dem bei den Bedecktsamern oder Blütenpflanzen der Embryo und das Endosperm hervorgehen. Sie entwickeln sich gemeinsam zum reifen Samen. Doch die genauen Prozesse und die Kommunikation zwischen beiden Samenteilen blieben der Wissenschaft bisher größtenteils verborgen. Forscher des Max-Planck-Instituts für Züchtungsforschung und der Universität zu Köln konnten jetzt eine Mutante isolieren, in der nur eine einfache Befruchtung stattfindet. In der neuesten Online-Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Genetics (28. November 2005) beschreiben sie, dass diese einfache Befruchtung, bei der ein Embryo entsteht, auch die Entwicklung des Endosperms auslöst, selbst wenn dieses nicht befruchtet wurde.
Bei den Bedecktsamern sind die Samenanlagen in ein Fruchtblatt-Gehäuse eingeschlossen. Der Pollen landet auf der Narbe der Blüte, bildet einen Pollenschlauch aus, und befruchtet danach mit jeweils einer seiner beiden Spermienzellen die Eizelle, aus der der Embryo hervorgeht, und die Zentralzelle, aus der das Nährgewebe erwächst. Diese doppelte Befruchtung ist das Markenzeichen aller Blütenpflanzen.
Kölner Wissenschaftler um Arp Schnittger haben eine Mutante der Modellpflanze Arabidopsis thaliana mit verändertem Pollen gefunden, cdc2-Mutante genannt. Durch eine fehlende Zellteilung bilden diese cdc2-Pflanzen Pollen mit nur einer einzigen anstelle von zwei Spermazellen. Die Forscher gingen nun der Frage nach, ob es durch den veränderten Pollen überhaupt zu einer Befruchtung kommen kann. Es stellte sich heraus, dass der mutante Pollen tatsächlich lebensfähig ist und sogar zum weiblichen Partner wachsen kann. Dort angelangt verschmilzt die einzige Spermazelle des cdc2-Pollen immer nur mit der Eizelle und nicht mit der Zentralzelle. Dies zeigt eine bisher noch nicht entdeckte Hierarchie beim Befruchtungsvorgang bei Arabidopsis.
Darüber hinaus konnten die Wissenschaftler eine weitere erstaunliche Beobachtung machen: Obwohl die Zentralzelle unbefruchtet blieb, begann sich das Nährgewebe zu entwickeln. Die Forscher schlussfolgerten, dass kurz nach der Befruchtung der Eizelle ein positives Signal an die Umgebung abgegeben wird, das für ein normales Wachstum des Endosperms notwendig zu sein scheint. Da durch die cdc2-Mutante der Vorgang der Doppelbefruchtung genetisch zerlegt werden kann, eröffnet diese Mutante bisher ungeahnte Möglichkeiten, um die Entwicklung des Endosperm und des Embryos im Samen zu untersuchen. In den nächsten Monaten wollen die Forscher vor allem herausfinden, wie das Signal genau funktioniert und welche chemische Substanz sich dahinter verbirgt.
"Die Aufklärung des Mechanismus der Doppelbefruchtung bei Blütenpflanzen und die frühe Samenentwicklung sind besonders auch im Kontext der Pflanzenzüchtung interessant", sagt Arp Schnittger. "Denn eine Vermehrung ohne Befruchtung wäre für viele Züchtungen vorteilhaft."