Keine Kommunikation ohne Sauerstoff
Kölner Max-Planck-Forscher entdecken Zusammenhang zwischen Sauerstoffkonzentration und der Entwicklung höherer Lebensformen
Zwischen dem Anteil an Sauerstoff in der Atmosphäre und der Entwicklung höherer, durch Kompartimente strukturierte Zellen und Organismen besteht ein direkter Zusammenhang. Über diese Entdeckung berichten Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln und der Berliner Charité in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Nature". Speziell an den für die Kommunikation der Zellen mit ihrer Umgebung unerlässlichen Transmembranproteinen konnten die Forscher nachweisen, dass deren Anzahl, Komplexität und Funktionalität im Laufe der Evolution erst dann angestiegen ist, als sich der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre nachhaltig erhöht hat (Nature online-Ausgabe, 20. Dezember 2006).
Der Anteil an atmosphärischem Sauerstoff war bis vor ungefähr 3.000 Mio. Jahren auf der Erde sehr niedrig. Später kam durch die Photosynthese in einer vergleichsweise kurzen Zeit viel Sauerstoff in die Atmosphäre, dessen Anteil in den vergangenen 1.000 Mio. Jahren etwa 15 bis 25 Prozent betrug. Die Wissenschaftler um Claudia Acquisti und Sinead Collins haben nun den Sauerstoffanteil von Proteinen der Zellmembran von Pro- und Eukaryoten verglichen. Dabei stellten sie fest, dass die Membranproteine von Eukaroyten, also Lebewesen mit Zellkern und Zellmembran, mehr Sauerstoff enthalten als die der einfachen Prokaryoten.
In der Evolution der Zellen - vom prokaryotischen Einzeller zum Eukaryoten - war die Entstehung von Zellunterteilungen oder Zellkompartimenten der wichtigste Schritt. Er machte es aber auch erforderlich, dass die Zellen durch die Membran hindurch kommunizieren können. Diese Funktion erfüllen die so genannten Transmembranproteine.
Transmembranproteine bestehen aus drei verschiedenen Regionen: die innere Region, die nur Kontakt zum geschützten Milieu des Zellplasmas hat, die mittlere Region, die sich in der Zellmembran befindet, und die äußere Region, die als Rezeptor fungiert und Signale von außen empfangen kann.
Bei Prokaryoten ist diese äußere Region der Membranmoleküle sehr klein. Die Wissenschaftler begründen das mit der Sauerstoff reduzierenden Umgebung, die sofort den außerhalb der Zelle gelegenen Teil der Membranproteinstruktur zerstören würde. Also lebten die Prokaryoten damit, nur begrenzt mit ihrer Umwelt kommunizieren zu können.
Demgegenüber haben Organismen, die sich erst dann entwickelten als das Luftsauerstoffniveau höher war, Transmembranproteine mit großen extrazellularen Proteindomänen, die außerdem auch mehr Sauerstoff enthalten. Die Kölner Max-Planck-Wissenschaftler kommen daher zu der These, dass der Prozentsatz an Luftsauerstoff ein limitierender Faktor für bestimmte Evolutionsereignisse gewesen sein muss, wie etwa die Kompartimentierung von Zellen.
In ihren wissenschaftlichen Untersuchungen setzten die Forscher den Sauerstoffgehalt der Transmembranproteine, die Größe der Proteindomänen und das atmosphärische Sauerstoffniveau zu verschiedenen Zeiten der Erdgeschichte sowie das evolutionäre Alter von Organismen miteinander in Korrelation. Ihre Berechnungen zeigen, dass die Sauerstoffbeschränkung auch den Zeitpunkt bestimmte, zu dem eukaryotische Zellen entstanden sind.
"Die natürliche Selektion hätte sich gegen die Entwicklung großer extrazellulärer Proteinstrukturen entschieden, die unter den damaligen Bedingungen nicht stabil gewesen wären", erläutert Sinead Collins. Fasziniert ist die junge Wissenschaftlerin von dem Fakt, dass dieses Forschungsprojekt ohne die Zusammenarbeit von Experten verschiedener Fachrichtungen -in diesem Fall von Mathematikern, Bioinformatikern und Evolutionsbiologen - überhaupt nicht möglich gewesen wäre.