Lichtlineal im Glasring
Max-Planck-Wissenschaftler erzeugen einen Frequenzkamm mit einem Mikroresonator
Lichtfrequenzen könnten sich bald extrem präzise auf einem Mikrochip bestimmen lassen. Den Frequenzkamm, der solche Messungen erlaubt, haben Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching und von Ludwig-Maximilian-Universität München nun in einem 75 Mikrometer großen Resonator erzeugt. Für die Entwicklung des Frequenzkamms hat Theodor Hänsch vom Garchinger Max-Planck-Institut 2005 den Nobelpreis erhalten. Da er nun deutlich handlicher wird, ermöglicht er auch neue Techniken der Zeitmessung und Datenübertragung. (Nature, 20. Dezember 2007)
Ein Frequenzkamm ist eine Art Lineal, mit dem sich optische Frequenzen von Licht sehr präzise bestimmen lassen. Er wird in einem Laser, der sehr kurze Pulse aussendet, erzeugt, indem dessen Moden gekoppelt werden. Dabei entsteht Laserlicht, das rund 100 000 sehr dicht benachbarte Spektrallinien enthält, deren Frequenzabstand immer gleich und extrem genau bekannt ist - daher die Bezeichnung Kamm. Wenn man diesen Frequenzkamm mit einem anderen Laserstrahl überlagert, entsteht eine Schwebung wie bei zwei Tönen fast gleicher Tonhöhe. Aus dieser Schwebung lässt sich die unbekannte Frequenz mit bis dato unerreichter Genauigkeit bestimmen. Das Gerät, das einen Frequenzkamm dieser Art produziert, besteht bislang aus vielen einzelnen Bauteilen und ist größer als ein Desktop-Computer.
Nun haben die Max-Planck-Nachwuchsgruppe von Tobias Kippenberg und Ronald Holzwarth von der Firma Menlo Systems, die die Frequenztechnik weltweit vertreibt, einen Frequenzkamm mit Hilfe einer winzigen Mikrostruktur erzeugt. Die Wissenschaftler verwenden in ihrem Experiment einen ringförmigen Glas-Resonator mit nur 75 Mikrometer Durchmesser, der auf einem Silizium-Chip sitzt. Solche Resonatoren stellen Jürgen Kotthaus und seine Mitarbeiter am Lehrstuhl für Festkörperphysik der Ludwig-Maximilians-Universität München in Form in Form von Monolithen her. Indem sie einen Laserstrahl in einer Nano-Faser aus Glas dicht daran vorbeiführen, koppeln sie Licht in den Resonator ein.
Diese torusförmigen optischen Resonatoren können Licht relativ lange speichern. Das kann zu extrem hohen Lichtintensitäten - sprich Photonendichten - führen. Dabei tritt der Kerr-Effekt auf, der den Frequenzkamm ermöglicht: Zwei Photonen - Lichtteilchen oder -quanten - gleicher Energie werden in zwei Photonen umgewandelt, von denen eines eine höhere, das andere eine niedrigere als die ursprüngliche Energie hat. Die neu erzeugten Photonen können nun ihrerseits mit den ursprünglichen Lichtquanten interagieren und dabei wiederum neue Frequenzen erzeugen. Aus dieser Kaskade entsteht ein breites Spektrum von Frequenzen - ganz ohne die Verstärkung durch ein aktives Lasermedium, die bei der herkömmlichen Methode notwendig ist. "Interessanterweise fand sich in der Literatur kein Hinweis darauf, dass Frequenzkämme auf diese Weise erzeugt werken können", stallt Pascal Del’Haye, Doktorand am Projekt, fest. "Es handelt sich dabei um einen völlig neuen Entstehungsprozess, auf den wir fast zufällig gestoßen sind", bekräftigt Tobias Kippenberg.
Das neue Verfahren ist aber nur dann tauglich, wenn der Abstand zwischen allen Frequenzen exakt gleich ist, so dass ein perfekter Kamm entsteht. Das haben Pascal Del’Haye und Albert Schließer zusammen mit Ronald Holzwarth in langwierigen Präzisionsmessungen nun nachgewiesen, indem sie das Spektrum des im monolithischen Mikroresonator erzeugten Frequenzkamms mit dem eines kommerziellen Kamms verglichen. Demnach schließen sie Abweichungen bis zum Milliardstel eines Milliardstel Bruchteils der Lichtfrequenzen aus.
Mit dem neuartigen Frequenzkamm könnten sich künftig optische Frequenzen bestimmen und damit auch extrem genaue Uhren konstruieren lassen. Ein weiteres Anwendungsfeld liegt in der optischen Telekommunikation: Während beim herkömmlichen Frequenzkamm die Linien extrem dicht liegen und recht lichtschwach sind, haben die etwa 130 Spektrallinien des monolithischen Frequenzkamms einen Abstand von ungefähr 400 Gigahertz und Leistungen in der Größenordnung von einem Milliwatt. Dies entspricht ziemlich genau den typischen Anforderungen für die Träger der Datenkanäle in der optischen Telekommunikation über Glasfasern. Bisher ist für jeden Frequenzkanal ein eigener Generator mit eigenem Laser erforderlich. Dagegen würde es ein Frequenzkamm auf einem Mikrochip ermöglichen, mit einem einzigen Bauelement eine Vielzahl von Datenkanälen zu definieren.
Bevor der Frequenzkamm jedoch in der Praxis zum Einsatz kommen kann, müssen die Wissenschaftler den Entstehungsprozess noch im Detail verstehen und an der Technik noch weiter feilen. Im Hinblick auf das hohe Potenzial für Anwendungen haben die Wissenschaftler ihre Entdeckung dennoch bereits weltweit zum Patent angemeldet. Die in der Zeitschrift Nature vorgestellte Arbeit entstand im Rahmen des Exzellenz-Clusters Nanosystems Initiative Munich, dessen Ziel es ist, funktionale Nanostrukturen für Anwendungen in der Medizin und in der Informationsverarbeitung zu entwickeln, zu erforschen und zum Einsatz zu bringen.