Steuersünder befördern institutionelle Bestrafung

Der Aufbau einer zentralen, kostspieligen Autorität kann helfen, ein stabiles Zusammenleben zu ermöglichen

4. Juli 2012

Egoistisches Verhalten ist eine Gefahr für ein erfolgreiches Zusammenleben und gegenseitige Kooperation. In vielen Fällen basiert diese menschliche Kooperation auf Bestrafung derer, die nicht kooperieren. Dabei kann man zwei Bestrafungsformen unterscheiden: die unmittelbare Bestrafung durch Mitmenschen und die institutionalisierte Bestrafung durch Einrichtungen wie Polizeibehörden. Welche Form der Bestrafung Menschen unter welchen Bedingungen bevorzugen, haben Arne Traulsen, Torsten Röhl und Manfred Milinski vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön in einem Verhaltensexperiment untersucht. Sie zeigen, dass Menschen nur dann auf die kostenaufwendige bestrafende Institutionen setzen, wenn diejenigen, die zwar selbst kooperieren, aber andere nicht bestrafen wollen, ihrerseits bestraft werden.

In allen menschlichen Gesellschaften gibt es neben kooperationswilligen Menschen auch solche, die nicht kooperieren. Im Deutschen nennt man Menschen Trittbrettfahrer, die sich an einem öffentlichen Gut bereichern ohne selbst dazu beizutragen. In Verhaltensexperimenten bestrafen viele Menschen ein solches Verhalten. In allen modernen Gesellschaften gibt es aber Institutionen, die es dem Einzelnen abnehmen, andere für Fehlverhalten zu bestrafen. Der Mensch bestraft also nicht selbst und unmittelbar, er lässt bestrafen. Dabei ist die Errichtung einer solchen Instanz teuer und die Kosten bleiben selbst dann bestehen, wenn gar keine Verbrechen verübt werden. Eigentlich sollte man institutionalisierte Bestrafung nur dann einzusetzen, wenn viele Verbrechen verübt werden, und der Nutzen somit die Kosten übersteigt.

Die Wahl der Bestrafungsform hängt aber auch davon ab, wie die Gesellschaft mit Trittbrettfahrern zweiter Ordnung  umgeht. Das sind Individuen, die zwar kooperieren, aber nicht bestrafen und dadurch die Kosten für Bestrafungen sparen. Denn wer andere bestrafen will, muss dafür Aufwand betreiben und unter Umständen sogar damit rechnen, dass diese sich wehren. Daher sollten solche Trittbrettfahrer zweiter Ordnung im Vorteil sein, sofern sie nicht ihrerseits bestraft werden.

Ohne Trittbrettfahrer erster Ordnung fallen die Trittbrettfahrer zweiter Ordnung nicht auf. Eine Gesellschaft mit Trittbrettfahrern erster und zweiter Ordnung gerät jedoch aus dem kooperativen Gleichgewicht, da das egoistische Verhalten einzelner nicht bestraft und deren Erfolg innerhalb der Gesellschaft ermöglicht wird. „Damit das System nicht unterwandert und dauerhaft destabilisiert wird, ist der Umgang mit den Trittbrettfahrern zweiter Ordnung entscheidend für die Etablierung von Kooperation innerhalb der Gesellschaft“, sagt Traulsen.

In einem Gemeinschaftsgüter-Spiel, einem klassischen Modell der experimentellen Ökonomie, haben die Wissenschaftler den Einfluss der beiden Bestrafungsformen untersucht. Wenn Trittbrettfahrer zweiter Ordnung nicht bestraft werden können, dann entscheiden sich nur wenige Spieler dazu, das institutionelle Bestrafen zu unterstützen. Stattdessen wird individuell bestraft. Die Bestrafung folgt als Reaktion auf ein Ereignis und bestraft den Täter schnell und direkt. Sie braucht keine Planung und ist billig, da sie nur kostet, wenn es auch Täter gibt. Wenn Trittbrettfahrer zweiter Ordnung jedoch bestraft werden, dann wählen die Menschen überwiegend die Bestrafung durch die Polizei – auf diese Weise zwingen sie sich gegenseitig, das institutionelle Bestrafen zu unterstützen.

Sie bevorzugen also die kostenaufwendigere Methode, die Polizei,  obwohl sie ineffizienter ist. Denn die institutionalisierte Bestrafung verringert die Anzahl der Verbrechen so stark, dass  sich das Kosten-Nutzen-Verhältnis zu ihren Ungunsten verschiebt: viel Polizeisteuer, um wenige Verbrecher zu bestrafen. Dennoch schwenken nur wenige Spieler auf die kostengünstigere unmittelbare Bestrafung um, denn sie würden dafür sofort bestraft. „In unserem Experiment wird also Stabilität der Effizienz vorgezogen“, sagt Milinski. Diese Ergebnisse bestätigen ein 2010 von Karl Sigmund von der Universität Wien und seinen Koautoren entwickeltes spieltheoretisches Modell zur Frage, wie Polizei-ähnliche Institutionen entstehen könnten.

RWI/HR

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