Gene unter Kontrolle
Max-Planck-Forscher entwickeln Gen-Schalter für Chloroplasten in Pflanzenzellen
In Pflanzenzellen werden Gene nicht nur im Zellkern und in den Mitochondrien abgelesen und in Proteine übersetzt. Auch die Organellen der Fotosynthese - die Chloroplasten - besitzen eigene DNA, Boten-RNA und Ribosomen zur Bildung von Proteinen. Max-Planck-Wissenschaftler haben nun herausgefunden, wie sie die Bildung von Proteinen in den Chloroplasten regulieren können. Mit Hilfe so genannter Riboschalter können sie Gene in den Chloroplasten von Tabakpflanzen an- und abschalten. Solche Riboschalter könnten künftig dabei helfen, Pflanzen als Lieferanten für Medikamente oder Rohstoffe zu nutzen und die biologische Sicherheit gentechnisch veränderter Pflanzen zu verbessern. (PNAS, 22. März 2010, online vorab veröffentlicht)
Damit aus einem Gen ein Protein gebildet werden kann, muss die DNA zunächst in so genannte Boten-RNA umgeschrieben werden. Diese RNA-Moleküle sind die Bauanleitung, aus der die Proteinfabriken der Zelle (Ribosomen) den Aufbau eines Proteins ableiten. Vor wenigen Jahren wurden in Bakterienzellen Abschnitte auf einigen Boten-RNAs entdeckt, an die Stoffwechselprodukte - so genannte Metabolite - binden können. Dadurch ändert das RNA-Molekül seine räumliche Struktur und die Proteinproduktion kann auf diese Weise entweder an- oder abgeschaltet werden. Für die Bakterien sind diese als Riboschalter bezeichneten Abschnitte ein schneller und effizienter Weg, die Proteinsynthese zu kontrollieren. In Chloroplasten von Pflanzenzellen konnten allerdings bisher natürlicherweise keine Riboschalter nachgewiesen werden.
Max-Planck-Wissenschaftler aus Golm bei Potsdam haben nun erstmals Riboschalter so verändert und in das Erbgut von Chloroplasten eingebaut, dass sie die Bildung einzelner Chloroplasten-Proteine steuern können. Die Forscher schleusten ein Gen in die Chloroplasten-DNA ein und versahen es mit einem Riboschalter. Theophyllin, ein Inhaltsstoff der Teepflanze, diente dabei als "Schalter": Es kann sich an den Riboschalter auf der Boten-RNA anlagern und so dafür sorgen, dass die Chloroplasten-Ribosomen die RNA ablesen können. "Wenn wir die Tabakpflanzen mit Theophyllin besprühen, bilden die Chloroplasten das entsprechende Protein. Fehlt Theophyllin dagegen, unterbleibt die Proteinproduktion. Mit dem Theophyllin-Riboschalter können wir ein Gen also beliebig an- und abschalten und beobachten, welche Auswirkungen dies hat", erklärt Ralph Bock vom Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenpyhsiologie. Bislang war dies schwierig, denn das Chloroplasten-Erbgut enthält viele Gene, die für das Überleben unverzichtbar sind. Wird ein solches Gen dauerhaft abgeschaltet, stirbt die Zelle und kann nicht weiter untersucht werden.
Mit dem Theophyllin-Riboschalter lässt sich künftig jedoch nicht nur die Funktionsweise der Chloroplasten gezielter untersuchen. Auch in der Biotechnologie könnten Riboschalter in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Denn Chloroplasten eignen sich gut zur Produktion von Wirkstoffen. Denn jede Tabakzelle besitzt bis zu 100 Chlorplasten. Das Chloroplasten-Erbgut kommt daher in vielfacher Ausführung vor und kann dementsprechend mehr Protein bilden als die DNA im Zellkern. Die Potsdamer Wissenschaftler haben Tabakpflanzen beispielsweise genetisch so verändert, dass sie große Mengen eines Antibiotikums in ihren Blättern herstellen.
Chloroplasten verbreiten sich selten durch Pollen
Proteine könnten also in genetisch veränderten Chloroplasten in viel größerer Menge hergestellt werden. In vielen Fällen schädigen diese Fremdproteine allerdings den Zellstoffwechsel oder die Fotosynthese, wenn die Zellen sie dauerhaft produzieren. Deshalb wachsen diese Pflanzen oft deformiert oder besonders langsam. Riboschalter könnten dies verhindern. Denn mit ihrer Hilfe können die entsprechenden Gene erst dann angeschaltet werden, wenn die Pflanze herangewachsen ist und die Ernte unmittelbar bevorsteht. Zudem haben Fremdgene in den Chloroplasten einen weiteren Vorteil: Sie werden fast ausschließlich durch die weibliche Eizelle vererbt. Fremdgene werden deshalb nur äußerst selten über die Pollen der Tabakpflanzen verbreitet.