Genetischer Code 2.0
Neuartige künstliche Proteine für Industrie und Wissenschaft
Die Herstellung synthetischer Proteine spielt eine wichtige Rolle für Wirtschaft und Wissenschaft. Durch den Einbau künstlicher Aminosäuren in Proteine (genetisches Code Engineering) können deren vorhandene Eigenschaften gezielt verbessert werden. Sogar neue biologische Funktionen können entstehen. Jetzt ist Forschern am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried bei München ein weiterer wichtiger Schritt in diesem Bereich gelungen: Zum ersten Mal konnten sie in einem einzigen Experiment drei verschiedene synthetische Aminosäuren gleichzeitig in ein Protein einbauen. (Angewandte Chemie, 24. Juni 2010).
Proteine (Eiweiße) sind die Hauptakteure in unserem Körper: Sie transportieren Stoffe, übermitteln Botschaften oder führen als molekulare Maschinen lebenswichtige Prozesse aus. Die "Steuermänner der Zelle" werden aus Aminosäuren aufgebaut, deren Abfolge bereits in der Erbinformation festgelegt ist. Die Übersetzung dieser Information während der Bildung von Proteinen (Proteinbiosynthese) wird durch den genetischen Code bestimmt. 20 Aminosäuren bilden den Standardsatz, aus dem Proteine gebildet werden. In der Natur jedoch treten mehrere hundert verschiedene Aminosäuren auf und selbstverständlich können neue Aminosäuren auch im Labor hergestellt werden. Deren Eigenschaften unterscheiden sich von denen der 20 Standard-Aminosäuren, weshalb durch ihren Einbau in Proteine bestimmte strukturelle und biologische Charakteristika des Proteins gezielt verändert werden können. Bisher konnte im Rahmen eines Experiments lediglich ein Typ synthetische Aminosäure in das Protein eingesetzt und somit immer nur eine Eigenschaft modifiziert werden.
Jetzt ist Nediljko Budisa, Leiter der Forschungsgruppe Molekulare Biotechnologie am MPIB, ein wichtiger methodischer Fortschritt auf dem Gebiet des genetischen Code Engineerings gelungen. Die Wissenschaftler konnten in einem einzigen Experiment gleichzeitig drei verschiedene natürliche Aminosäuren durch künstliche ersetzen. "Das Gebiet des genetischen Code-Engineerings und der Code-Erweiterung erreicht damit eine neue Entwicklungsphase", freut sich der Biochemiker.
Vor allem für Industrie und Wirtschaft könnte Budisas Methode von großer Bedeutung sein, denn die Herstellung künstlicher Proteine durch genetisches Code Engineering stellt aus Sicht der Forscher eine solide Basis für die Entwicklung neuer Technologien dar. "Beim Einbau übertragen die synthetischen Aminosäuren ihre Eigenschaften auf die Proteine. Deshalb rückt die Erschließung völlig neuer Produktklassen, deren chemische Synthese bislang - durch konventionelles Protein Engineering unter Verwendung der 20 Standard-Aminosäuren - nicht möglich war, in greifbare Nähe", so Budisas Ausblick. "Dank unserer Methode könnten in Zukunft auch industriell relevante Proteine mit neuartigen Eigenschaften maßgeschneidert werden: etwa solche, die medizinische Wirkstoffe enthalten."