Max-Planck-Gesellschaft erinnert an die Gründung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft
100 Jahre Geschichte: Brüche und Kontinuitäten
Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) erinnert am 11. Januar 2011 mit einem Festakt in der Akademie der Künste in Berlin an die Gründung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG). Die Festvorträge halten Altbundeskanzler Helmut Schmidt und Prof. Dr. Rogers Hollingsworth von der University of Wisconsin. Am selben Tag und selben Ort fand vor genau 100 Jahren die konstituierende Sitzung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft statt, der Vorgängerorganisation der Max-Planck-Gesellschaft. "Mit dem Festakt wollen wir an die von Brüchen und Kontinuitäten geprägte Geschichte beider Gesellschaften erinnern", so Max-Planck-Präsident Prof. Dr. Peter Gruss. "Wir möchten dabei - ausgehend von 100 Jahren erfolgreicher Grundlagenforschung - den Blick in die Zukunft richten."
Die Max-Planck-Gesellschaft wurde 1948 in Göttingen bewusst neu gegründet, um die Einbettung der Organisation in die demokratische Struktur der Bundesrepublik sicherzustellen. Gleichzeitig wurzelte die junge Max-Planck-Gesellschaft in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, die sich seit 1911 zur Eliteorganisation der Forschung entwickelt hatte. Mit 15 Nobelpreisen schrieb diese Wissenschaftsgeschichte. Während des Nationalsozialismus überschritten einige ihrer Forscher jedoch ethische Grenzen. Das Jubiläumsjahr steht deshalb auch im Zeichen der reflektierenden Erinnerung mit Blick auf zukünftige Aufgaben der Grundlagenforschung. Dazu gibt die MPG den Essay-Foto-Band "DenkOrte" heraus. Er zieht ein historisches Resümee der Verbindung zwischen KWG und MPG. Ab März wird während einer bundesweiten Veranstaltungsreihe die aktuelle Frage gesellschaftlicher Verantwortung von Wissenschaft diskutiert.
Die MPG trat das Erbe der KWG sowohl in materieller wie auch in personeller und struktureller Hinsicht an. Die Kooperation von Wissenschaftlern der KWG mit dem NS-Regime veranlasste die Alliierten 1945, die KWG aufzulösen. Als Auffangorganisation entstand ab 1946 die Max-Planck-Gesellschaft mit dem Namen gebenden Nobelpreisträger und Physiker an der Spitze. Der damals bereits 87-jährige Max Planck genoss weltweit hohe Anerkennung und verkörperte den aus dem Nationalsozialismus unbescholten herausgegangenen deutschen Wissenschaftler. Unter seinem Namen gelang es mithilfe der Alliierten eine neue Gesellschaft auf den Trümmern der alten zu bauen und auf ein demokratisches Fundament zu stellen.
Auf dieser stabilen Basis entwickelte die MPG vor allem durch die Gründung neuer Institute und Strukturreformen im Inneren seit den 1960er Jahren ein eigenständiges Profil. Der Generationenwechsel in den 1980er Jahren machte schließlich auch den Weg frei für eine umfangreiche Aufarbeitung der Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus. Diese wurde durch eine vom Präsidenten der MPG eingesetzte unabhängige Historikerkommission abgeschlossen.
Heute, vor dem Hintergrund der neuen Erkenntnisse der Historiker, ist das Verhältnis der Max-Planck-Gesellschaft zur Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft durch ebenso große Kontinuitäten wie Diskontinuitäten gekennzeichnet. Internationalität, die Förderung hochkarätiger Spitzenforscher, ihre Befreiung von der Lehrpflicht, die interdisziplinäre Zusammenarbeit und das Überschreiten klassischer Disziplingrenzen gehören seit den Zeiten des ersten KWG-Präsidenten, Adolph von Harnack, zu den tragenden Prinzipien der modernen MPG.
In vieler Hinsicht hat sich die MPG jedoch weit von ihrer Vorgängerin entfernt. Die Max-Planck- Gesellschaft steht auf einer anderen finanziellen Grundlage als die KWG, die zum großen Teil Industrie- und Banken finanziert war. So sichert das Königsteiner Abkommen der MPG seit 1949 die volle finanzielle Unterstützung durch den Bund und die Länder und damit Grundlagenforschung unabhängig von Forderungen industrieller oder staatlicher Auftragsforschung. Im Sinne des Harnack-Prinzips sucht die MPG nach wie vor die besten ihres Faches, um sie als Direktoren an die Institute zu berufen. Allerdings gibt es seit den 1960er- Jahren in der Regel kollegial geleitete Institute. Inzwischen haben nur noch rund ein Viertel der 80 Max-Planck-Institute historische Wurzeln. Der Baubestand der MPG verzeichnet nur noch acht Prozent Altbauten aus der Vorkriegszeit.
Die Erkenntnisse der Historikerkommission über die oft bereitwillige Kooperation von Wissenschaftlern mit dem NS-Regime in vielen Bereichen der Forschung hat die Sensibilität der MPG für ethische Fragen geprägt und die Distanz zur KWG weiter wachsen lassen. Die MPG übernimmt als Nachfolgeorganisation die Verantwortung für die Verfehlungen ihrer Vorgängerin. Seit 2007 existiert in der MPG eine Ethikkommission.
Zum Jubiläum erscheint im Sandstein Verlag der Jubiläumsband "DenkOrte. Max-Planck-Gesellschaft und Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Kontinuitäten und Brüche 1911-2011. Hrsg. von Peter Gruss und Reinhard Rürup".