Kohlendioxid könnte Ernteerträge verringern
Ertragreiche Zwergsorten verlieren durch steigende Kohlendioxid-Konzentration ihren Vorteil
Der Gehalt an Kohlendioxid in der Atmosphäre steigt unaufhörlich und heizt das Klima an. Für Pflanzen ist das Gas jedoch unverzichtbar, denn sie benutzen den Kohlenstoff zum Aufbau von Zucker und anderen wichtigen Stoffen. Je mehr Kohlendioxid also, desto besser? Ganz so einfach ist es leider nicht. Die Pflanzen, die heute unsere Ernährungsgrundlage sichern, sind nicht auf Wachstum, sondern auf kurze Halme und hohen Kornertrag gezüchtet worden. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für molekulare Pflanzenphysiologie und der Universität Potsdam haben nun entdeckt, dass ein Anstieg der Kohlendioxid-Werte den Erfolg der Zwergsorten zunichtemachen könnte.
In den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts gab es viel Aufsehen um eine Reissorte namens IR8, die heute fast gänzlich vom Markt verschwunden ist. Damals brachte der kleinwüchsige Reis unglaubliche Erträge und wendete die prophezeite Nahrungsmittelknappheit von der Menschheit ab. Seine kurzen, starken Halme konnten die hohen Kornerträge ohne Probleme stemmen, während die meisten anderen Hochleistungssorten unter dem Gewicht ihrer Körner einknickten. Sein geringeres Höhenwachstum sparte der Pflanze außerdem Nährstoffe und Energie und machte sie noch ertragreicher. Alles, was nicht mehr zum Aufbau langer Halme gebraucht wurde, verfrachtete der Reis in die Körner. Pflanzen wie IR8 schafften es, die Menschheit vor einer globalen Hungersnot zu bewahren, man spricht von der „Grünen Revolution“ in der Landwirtschaft.
Inzwischen sind die Erträge von IR8 wieder um etwa 15 Prozent eingebrochen, ein Anbau der einst so vielversprechenden Pflanze lohnt sich nicht mehr. Um das zu verstehen, muss man wissen, welcher Mechanismus hinter der Zwergwüchsigkeit steckt. Dem kleinwüchsigen Reis fehlt ein Enzym, das er zur Herstellung des pflanzlichen Wachstumshormons Gibberellinsäure benötigt. Ohne die Gibberellinsäure bleibt der Reis klein, aber kräftig und ertragreich. Obwohl sich in den vergangenen 50 Jahren nichts an der genetischen Ausstattung der Reispflanze IR8 verändert hat, sind die Erträge stetig gesunken. Die Forscher um Bernd Müller-Röber vom Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie und der Universität Potsdam wollten herausfinden, ob es nicht einen Zusammenhang mit dem globalen Anstieg des Kohlendioxids in der Atmosphäre geben könnte. Die heutige Konzentration des Treibhausgases ist immerhin um 25 Prozent höher, als noch in den sechziger Jahren.
An der Modellpflanze Arabidopsis thaliana (umgangssprachlich Ackerschmalwand genannt) konnten die Forscher beobachten, dass ein erhöhter Kohlendioxid-Gehalt tatsächlich dazu führt, dass kleinwüchsige Pflanzen, deren Fähigkeit zur Bildung der Gibberellinsäure geblockt war, wieder in die Höhe schießen. Das Kohlendioxid scheint den gleichen wachstumsstimulierenden Effekt zu haben, den sonst die Gibberellinsäure ausübt. Den Zwergpflanzen geht also nach und nach ihr Vorteil verloren, sie gleichen sich immer weiter den Kontrollpflanzen an.
„Züchter stehen damit vor der Herausforderung, neue Pflanzen entwickeln zu müssen, die unter den veränderten klimatischen Bedingungen weiterhin gute Erträge bringen“, so Jos Schippers, einer der Autoren der Publikation. Denn nicht nur beim Reis haben sich Zwergvarianten durchgesetzt, auch beim Weizen setzen Landwirte gern auf die kurzstieligen Sorten und diese beiden Getreide sind Grundnahrungsmittel für einen Großteil der globalen Bevölkerung. Jetzt sind die Forscher auf der Suche nach dem Mechanismus, durch den das gasförmige Kohlendioxid das Wachstum der Pflanzen beeinflusst.
CS/HR