Mit Röntgenlasern gegen die Schlafkrankheit
Strukturanalyse des Proteins Cathepsin B von Trypanosomen gehört zu den wissenschaftlichen Durchbrüchen 2012
Ein internationales Forscherteam, darunter Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für medizinische Forschung in Heidelberg, hat durch Einsatz des weltweit stärksten Röntgenlasers neue Einblicke in die Struktur eines medizinisch wichtigen Proteins bekommen. Dadurch haben sie möglicherweise eine Blaupause für die Entwicklung neuer Medikamente gegen die Schlafkrankheit erhalten. Die bahnbrechenden experimentellen Entwicklungen sind vom Fachmagazin Science zu einer der zehn wichtigsten wissenschaftlichen Veröffentlichungen dieses Jahres gekürt worden.
Die Schlafkrankheit, an der jedes Jahr rund 30.000 Menschen sterben, wird durch den Einzeller Trypanosoma brucei ausgelöst, der von Tsetse-Fliegen übertragen wird. Die derzeit verfügbaren Medikamente gegen die Erkrankung wirken jedoch nur eingeschränkt und haben zum Teil starke Nebenwirkungen. Zudem treten immer mehr Resistenzen auf. Ein vielversprechender Ansatzpunkt für neue Medikamente ist das Protein Cathepsin B, das für den Erreger lebensnotwendig ist. Wird das Protein ausgeschaltet, kann Trypanosoma nicht überleben. Mäuse konnten so bereits von der Schlafkrankheit geheilt werden.
Hemmstoffe für Cathepsin B müssen jedoch hochspezifisch für die Variante aus Trypanosoma sein, da diese der menschlichen sehr ähnelt. Die nun ausgezeichnete Arbeit bietet einen sehr detaillierten Einblick in Raumstruktur von Trypanosoma Cathepsin B in einer natürlich vorkommenden gehemmten Form, die als Blaupause für die gezielte Entwicklung künstlich hergestellter Inhibitoren dienen kann. Der Trick, diese biologisch wichtige Form des Proteins einschließlich seiner natürlichen Modifikationen darzustellen, bestand darin, die zur Strukturbestimmung notwendige Kristallisation des Proteins nicht im Reagenzglas durchzuführen. Stattdessen züchteten die Forscher Cathepsinkristalle direkt in vivo in den Zellen, die zur Herstellung des Proteins verwendet werden.
Ein Nachteil der Methode ist allerdings, dass die erhaltenen Kristalle winzig klein sind. Entscheidend für die Forschungsarbeit war deshalb die Benutzung eines Röntgen Freien-Elektronenlasers. Proteinstrukturen werden vorwiegend mit einem Verfahren bestimmt, bei dem Kristalle des Proteins mit Röntgenstrahlung untersucht werden. Von vielen der interessantesten Proteine ist es allerdings schwierig, Kristalle ausreichender Größe zu züchten. Dank der extrem intensiven Röntgenstrahlung von Freien-Elektronen-Lasern sind Messungen an sehr kleinen Kristallen nun möglich, wobei wichtig ist, dass der Röntgenstreuprozess beendet ist, bevor Strahlenschäden einsetzen. Genau dies ermöglichen die ultrakurzen Röntgenblitze eines Freien-Elektronen-Lasers, und somit konnten die Forscher die Struktur von Cathepsin B aus Trypanosoma anhand der winzigen in-vivo gewonnen Kristalle bestimmen.
Zuvor hatten die Heidelberger Wissenschaftler zusammen mit anderen Forschern die erste hochaufgelöste Struktur eines Modell Proteins mit einem Freien-Elektronen-Laser bestimmt und damit Freie-Elektronen-Laser als Werkzeug für die Proteinstrukturanalyse validiert. Dieser wichtige Schritt in der Entwicklung der neuen Methodik wurde im Februar 2012 in Science veröffentlicht. Mit der jetzt ausgezeichneten Arbeit wurde zum ersten Mal mittels Freier-Elektronen-Laserstrahlung neue Information über ein wichtiges, medizinisch relevantes Protein erhalten. Das internationale Forscherteam zeigt detailliert, wie sich Cathepsin B zwischen Parasit und Mensch unterscheiden und wie der natürliche Hemmstoff bindet, was einen neuen Ansatzpunkt zur Medikamentenentwicklung zur Heilung der Schlafkrankheit liefern könnte.
Dem Forscherteam gehörten neben den Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für medizinische Forschung Forscher vom Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY, der Arizona State University, den Universitäten Hamburg, Lübeck, Tübingen, Uppsala und Göteborg, dem US-Beschleunigerzentrum SLAC, dem Lawrence Livermore National Laboratory (USA) und der Max Planck Advanced Study Group am Hamburger Center for Free-Electron Laser Science (CFEL) an.
HR