Forschungsbericht 2013 - Max-Planck-Institut für Astronomie
Seltenes Bild eines Super-Jupiters wirft neues Licht auf Planetenentstehung
Von den bislang bekannten knapp 1.100 Exoplaneten – also Planeten, die nicht die Sonne, sondern andere Sterne umkreisen – existieren nur von einem kleinen Teil astronomische Aufnahmen. Die allermeisten Nachweise gelangen durch indirekte Methoden. Grund dafür ist, dass Sterne ungleich heller sind als ihre Planeten (typische Faktoren: eine Milliarde oder mehr) und ihre Planeten schlicht überstrahlen.
Jetzt ist einem Team von Astronomen unter der Leitung von Joseph Carson (College of Charleston und Max-Planck-Institut für Astronomie) eine Aufnahme eines großen „Super-Jupiter” gelungen, der den massereichen Stern κ And (Kappa Andromedae) umkreist. Für die Entdeckung nutzten sie das Subaru-Teleskop, ein 8 Meter-Spiegelteleskop auf dem Gipfel des Mauna Kea auf Hawaii, das vom japanischen Nationalobservatorium betrieben wird.
Das Kappa-Andromedae-System
κ And steht im Sternbild Andromeda und ist rund 170 Lichtjahre (rund 52 Persec) von der Erde entfernt. Er ist ein sehr junger Stern, nur geschätzte 30 Millionen Jahre alt (Alter unserer Sonne: 5 Milliarden Jahre), der außerdem massereich und heiß ist (Spektraltyp B9; geschätzte Masse zwischen 2,4 und 2,5 Sonnenmassen; Effektivtemperatur um die 10.000 Kelvin; Abb. 1).
Junge Planeten sind als Folge ihrer Entstehungsphase vergleichsweise heiß. κ And b hat eine Oberflächentemperatur von ungefähr 1.700 K (rund 1.400 Grad Celsius). Dass der Planet damit im Infrarotbereich vergleichsweise hell strahlt, macht junge Sternsysteme zu geeigneten Kandidaten bei der Suche nach Planeten, die sich direkt abbilden lassen.
κ And b hat eine Masse von geschätzt 12,8 Jupitermassen. Aufgrund dieses Wertes könnte es sich entweder um einen massereichen Planeten oder um einen sehr leichten Braunen Zwerg handeln. Vergleichsmessungen der Helligkeit von κ And b bei vier verschiedenen Infrarotwellenlängen zeigen allerdings eine Infrarotfärbung ähnlich der einer Handvoll vergleichbarer Planeten um andere Sterne, von denen ebenfalls Aufnahmen gemacht werden konnten. Hinzu kommt, dass Modelle der Planetenentstehung vorhersagen, dass die Wahrscheinlichkeit für die Bildung größerer Gasriesen mit der Sternmasse zunimmt; da κ And eine Masse zwischen 2,4 und 2,5 Sonnenmassen besitzt, ist die große Planetenmasse des Super-Jupiter nicht überraschend.
Für die Modelle der Planetenentstehung ist zweitrangig, ob sich κ And b diesseits oder jenseits der Grenze zwischen Planeten und Braunen Zwergen befindet. Dementsprechend definieren Carson et al. [1] den Begriff „Super-Jupiter” so weit, dass er beide Arten von Objekten einschließen kann, solange das Objekt nur auf ähnliche Weise entsteht wie die Planeten des Sonnensystems.
κ And b scheint seinen Mutterstern in einer Entfernung von mindestens dem 55-fachen des Erde-Sonne-Abstands (55 astronomische Einheiten) zu umkreisen. Allerdings gilt: So wie Objekte je nach Blickwinkel verkürzt erscheinen können, wird auch der scheinbare Abstand eines Planeten von seinem Mutterstern in der Regel kleiner sein als der tatsächliche Abstand.
κ And dürfte ein Mitglied des Columba-Bewegungshaufens sein – einer Gruppe von Sternen, die sich vor rund 30 Millionen Jahren gemeinsam gebildet haben und sich seither auf ähnlichen Umlaufbahnen durch unsere Galaxis bewegen. Ein weiteres Mitglied der Gruppe ist der massereiche Stern HR 8799, dessen Planeten zu den ersten Exoplaneten gehören, von denen direkte Aufnahmen gelungen sind. Obwohl HR 8799 nicht annähernd soviel Masse besitzt wie κ And, kommen in diesem Planetensystem mehrere Gasriesen vor, deren Massen und Infrarotfärbung ähnlich der von κ And b sind.
κ And b abbilden – eine schwierige Aufgabe
Um die Aufnahme seines Begleiters κ And b überhaupt gewinnen zu können, mussten die Astronomen sowohl bei der Beobachtung als auch bei der Auswertung ausgefeilte Techniken und Methoden anwenden. Als besondere Herausforderung kam hinzu, dass das neu entdeckte Objekt von seinem Mutterstern kaum doppelt so weit entfernt ist wie Neptun von der Sonne – die meisten bisherigen Aufnahmen gelangen bei Exoplaneten mit noch deutlich größerem Abstand von ihrem Mutterstern (Abb. 2).
Die Beobachtungen wurden mit dem Subaru-Teleskop vorgenommen, dem Flaggschiff des Japanischen Nationalobservatoriums (National Astronomical Observatory of Japan, NAOJ): ein Spiegelteleskop mit 8,2 Metern Hauptspiegeldurchmesser. Subaru ist die japanische Bezeichnung für die Plejaden, den wohl bekanntesten offenen Sternhaufen.
Als astronomische Kameras kamen die Infrarotkamera IRCS und HiCIAO zum Einsatz. HiCIOA steht für „High-Contrast Coronagraphic Imager for Adaptive Optics” (wörtlich etwa: koronografische Hochkontrast-Kamera für Adaptive Optik). HiCIAO ist für die Beobachtung von schwach leuchtenden Objekten in der Nähe von Sternen optimiert, etwa von Exoplaneten und protoplanetaren Scheiben. In der Kamera kommt modernste Adaptive Optik zum Einsatz: eine Technik, die Störeinflüsse, die sich beim Durchgang des Lichts ferner Himmelsobjekte durch turbulente Gebiete der Erdatmosphäre ergeben („Sternfunkeln”), weitgehend ausgleicht. Außerdem kommt bei HiCIAO ein Mechanismus (Koronograf) zum Einsatz, der das Licht eines hellen Sterns weitgehend ausblendet, um Untersuchungen benachbarter schwächer leuchtender Objekte zu ermöglichen.
Auf einem einzelnen Infrarotbild würde der kleine Lichtpunkt von κ And b komplett vom Licht seines Muttersterns überstrahlt werden. Die Astronomen konnten das Licht des Planeten nur durch die raffinierte Kombination zeitlicher Sequenzen von Einzelbildern herausfiltern, das sogenannte „Angular Differential Imaging” (ADI). Dabei wird ausgenutzt, dass sich die Orientierung des Teleskops relativ zum beobachteten Himmelsabschnitt über längere Beobachtungszeiten hinweg ändert; so lassen sich Streulicht und Planetenschein trennen.
κ And b ist einer von nur knapp 30 Planeten, von denen Astronomen direkte Aufnahmen haben anfertigen können. Der Super-Jupiter wurde im Januar und Juli 2012 in voneinander unabhängigen Beobachtungen bei vier verschiedenen Wellenlängen nachgewiesen. Der Vergleich der relativen Positionen zu diesen beiden Zeitpunkten hat gezeigt, dass κ And und sein Begleiter ihren Ort am Fixsternhimmel in genau der gleichen (winzigen) Weise ändern (gemeinsame Eigenbewegung, in diesem Falle von rund zwei hunderttausendstel Grad pro Jahr). Das ist ein überzeugender Hinweis darauf, dass die Objekte in der Tat durch ihre Schwerkraft aneinander gebunden sind.
Auch massereiche Sterne können Planeten haben
Bei den vorhandenen Bildern von Planeten um Muttersterne, deren Massen auf noch höhere Werte geschätzt werden, handelt es sich zumeist um Sterne in späteren Entwicklungsstadien (jenseits der Hauptreihe), oder um Begleiter, die in deutlich größerem Abstand umlaufen als die Planeten unseres Sonnensystems. Beide Umstände deuten darauf hin, dass die betreffenden Planeten anders entstanden sind als in unserem Sonnensystem, also nicht aus einer protoplanetaren Scheibe um den jungen Stern.
Mit einer Masse von rund 13 Jupitermassen könnte das Objekt κ And b entweder ein Planet oder ein sehr leichter Brauner Zwerg sein, also eine Zwischenstufe zwischen Planeten und echten Sternen. Die verfügbaren Daten sprechen dafür, dass es sich um einen Planeten handelt. Interessant ist an der Entdeckung vor allem, dass sich das Objekt um einen jungen, massereichen Stern bewegt. Zusammen mit der Information über den Abstand des Planeten von seinem Stern kann man folgern, dass sich das Objekt sehr wahrscheinlich in vergleichbarer Weise wie normale Planeten niedrigerer Masse gebildet hat: in einer protoplanetaren Scheibe aus Gas und Staub, die den jungen Stern während seiner frühesten Entwicklungsphasen umgeben hat.
In den vergangenen Jahren haben Beobachter und Theoretiker argumentiert, dass massereiche Sterne wie dieser auch mit größerer Wahrscheinlichkeit massereiche Planeten haben sollten, als es z. B. bei unserer Sonne der Fall ist. Andererseits gab es Bedenken, dass bei besonders massereichen Sternen gar nicht die richtigen Voraussetzungen für herkömmliche Planetenentstehung vorliegen könnten: Solche Sterne senden enorme Mengen an hochenergetischer Strahlung aus, die große Teile einer in Entstehung befindlichen protoplanetaren Scheibe zerstören könnte. Damit würden die üblichen Prozesse der Planetenentstehung stark behindert, vielleicht sogar unmöglich gemacht.
Die Entdeckung des Super-Jupiters κ And b legt jetzt nahe, dass sich zumindest um Sterne bis zum zweieinhalbfachen der Sonnenmasse große Planeten in protoplanetaren Scheiben bilden können – eine Schlüsselinformation für Forscher, die an Modellen der Planetenentstehung arbeiten.
Ein entscheidender Vorteil des direkten Nachweises ist, dass der Exoplanet unmittelbar weiteren astronomischen Beobachtungstechniken zugänglich ist, etwa der genauen Analyse seines Lichts mithilfe der Spektroskopie. Entsprechende weitere Untersuchungen des von κ And b über einen breiten Wellenlängenbereich hinweg ausgesandten Lichts sollen jetzt Daten zur chemischen Zusammensetzung der Atmosphäre des Gasriesen liefern sowie helfen, seine Bahndaten genauer zu bestimmen und mögliche weitere Planeten in dem System nachzuweisen. Mit diesen zusätzlichen Informationen sollten sich sowohl die Einzelheiten der Entstehung des Jupiters nachvollziehen als auch allgemeinere Aussagen über die Planetenentstehung bei massereichen Sternen ableiten lassen.
in Zusammenarbeit mit:
SEEDS collaboration (PI: Tamura, Motohide; National Astronomical Observatory of Japan)