Forschungsbericht 2013 - Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts
Licht zur Biosensorik nahe den Grenzen des Möglichen
Lichtausbreitung auf kleinstem Raum
Unser Forschungsansatz nutzt die Welleneigenschaften des Lichts, um dessen Wechselwirkung mit Biomolekülen extrem zu verstärken. Eine Mikrostruktur wird dabei benutzt, um die Ausbreitung der Lichtwelle auf einen möglichst kleinen Raum zu beschränken. Die fortlaufende Lichtwelle wird so zur wiederholten Interaktion mit den Biomolekülen gebracht, um damit die Wechselwirkung zu verstärken. Man kann sich dies so vorstellen, als ob man Licht zwischen zwei gegenübergestellten Spiegeln hin und her reflektiert. Nach jeder Reflektion kann das Licht erneut, in diesem Fall mit uns, in Wechselwirkung treten – dann erscheint ein fast endloser Tunnel an fortlaufenden Spiegelbildern. Mit einer photonischen Mikrostruktur wird ähnliches erreicht. Die wiederholte Interaktion des Lichts mit Biomolekülen führt zu einer Signalverstärkung, die Anwendung in der hochsensitiven Einzelmoleküldetektion findet [1,2].
Optische Mikrokavitäten

Abb. 1: Links: Interne Reflektion beschränkt die Lichtausbreitung auf das Innere einer Mikroglaskugel. Rechts: Zugehörendes Wellenbild.
Um die Lichtausbreitung innerhalb einer Mikrostruktur zu beschränken, wird die Lichtreflektion an einer Grenzfläche ausgenutzt. Totale interne Reflektion tritt z. B. an der Grenzfläche zwischen Glas und Wasser auf; ein Effekt der durch das Snell’sche Gesetz beschrieben wird. Durch die wiederholte Anwendung des Snell’schen Gesetzes ergibt sich dann eine erstaunlich einfache Möglichkeit, die Lichtausbreitung in Glas und auf kleinstem Raume einzuschränken: Durch Totalreflektion in einem Glaskügelchen kann die Lichtausbreitung auf wenige Mikrometer beschränkt werden (Abb. 1).
Die Lichtwelle zirkuliert innerhalb der Mikrokavität und kann nun viele Hunderdtausend Mal zur Interaktion mit einem Molekül gebracht werden, z. B. nachdem dieses außen an die Mikroglaskugel bindet. Für jeden Umlauf des Lichts ergibt sich dann eine weitere Interaktion; die dadurch auftretende Signalverstärkung wird zur Einzelmoleküldetektion genutzt.
Glasmikrokavitäten
Die Max Planck Forschungsgruppe „Labor für Nanophotonik und Biosensorik” hat eine sehr einfache Methode zur Herstellung der kugelförmigen Mikrokavitäten entwickelt. Die Absorption des Lichts eines 30 Watt Kohlendioxid-Lasers wird zur kontrollierten Schmelze des Glases einer herkömmlichen optischen Faser benutzt. Durch Schmelzen des Faserendes bei mehr als 1500°C formt sich ein fast perfektes Glaskügelchen. Eine Art optische „Mikroglasformerei” die es erlaubt, Mikroglaskugeln spezifischer Größe herzustellen und dabei verschiedene Glasmaterialien zu testen. Auch die Aufhängung der Mikrokugel an den Rest der Faser ist frei gestaltbar (Abb. 2).

Abb. 2: A) Eine Mikroglaskugel, mit einem Durchmesser von 60 μm, wurde an das Ende einer optischen Faser geschmolzen. B) Licht zirkuliert innerhalb der Mikroglaskugel durch Snell’sche Totalreflektion.
Das Faserende kann jedoch nicht direkt zur Einkopplung des Lichts in die Mikrokugel verwendet werden. Stattdessen wurde ein Glasprisma als Kopplungselement entwickelt. Nach einmaliger Reflektion am Prisma kann Licht evaneszierend in die Mikrokugel eingekoppelt werden. Dazu muss die Mikrokugel oberhalb der Prismenoberfläche positioniert werden, in einem Abstand von weniger als einem halben Millimeter. Für diese Positionierung werden momentan piezoelektrische Aktuatoren verwendet; diese lassen sich jedoch längerfristig durch eine einfache Polymerbeschichtung des Prismas ersetzen, die dann als Abstandshalter dient.
Flüstermoden
Die Experimente zur Einkopplung des Lichts in die Mikrokavität haben gezeigt, dass dies nur für ganz bestimmte Wellenlängen möglich ist. Der Grund hierfür liegt in der Wellennatur des Lichts: konstruktive Interferenzen müssen innerhalb der Mikroglaskugel auftreten um sogenannte Flüstermoden (Whispering Gallery Modes, WGMs) anzuregen. Die WGMs treten bei nur ganz bestimmten optischen Frequenzen auf, genau dann wenn eine ganze Zahl an Wellenlängen in den kreisförmigen optischen Pfad der Mikrokugel passt (Wellenbild in Abb. 1).
Eine präzise Messung dieser optischen WGM-Resonanzfrequenzen ist für die Biosensorik hochinteressant, da die Flüstermoden extrem empfindlich auf lokale Änderungen des Brechungsindex nahe der Kugeloberfläche reagieren [3−5]. Selbst die Bindung eines einzelnen Proteinmoleküls sollte nach unseren Berechnungen zu einer messbaren Frequenzverschiebung einer Flüstermode führen [6]! Um diese Frequenzänderungen spektral aufzulösen, ist eine extrem scharfe Linienbreite der WGM-Resonanz wünschenswert, oder anders ausgedrückt, der Gütefaktor Q der Mikrokavität, der sich aus der Resonanzwellenlänge geteilt durch die Linienbreite berechnet, Q=λ/Δλ, sollte möglichst hoch sein. Da unsere Mikroglaskugeln extrem hohe Gütefaktoren von mehr als Q=108 aufweisen können, sind diese ideal zur Einzelmoleküldetektion in der Biosensorik geeignet.
Der Flüstermoden-Biosensor

Zusammen mit Martin Baaske (Doktorand am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts) wurde ein hochsensitiver Versuchsaufbau zur Prismen-gestützen Anregung von Flüstermoden entwickelt (Abb. 3). Die WGM-Resonanz in den Mikroglaskugeln wird dabei innerhalb einer mikrofluidischen Kammer angeregt, sodass die Biomoleküle in wässriger Lösung detektiert werden können. Ein durchstimmbares Lasersystem wurde für die spektrale Auflösung der Flüstermoden installiert. Außerdem war der Umzug in ein Kellerlabor notwendig, um den Einfluss störender Gebäudevibrationen für das Experiment weiter zu reduzieren.
Trotz der Entwicklung und Optimierung dieses hochsensitiven Versuchsaufbaus ist uns der Nachweis einzelner Proteinmoleküle zunächst nicht gelungen. Hierzu war eine weitere Idee notwendig, die es ermöglichen sollte, die Frequenzverschiebungen der Flüstermoden weiter zu erhöhen.
Plasmon-gestützte Flüstermoden
Diese Idee entstand durch eine Kollaboration mit einer befreundeten Forschergruppe die sich mit Surface Enhanced Raman Spectroscopy (SERS) beschäftigt: Das Signal von einem einzelnen Protein ist in der Raman-Spektroskopie extrem schwach und muss zur Detektion weiter verstärkt werden. Zur Signalverstärkung wird die Überhöhung der Lichtintensität nach Anregung von plasmonischen Resonanzen in Nanopartikeln ausgenutzt. Die mehrere Größenordnungen überhöhten Feldstärken ermöglichen es dann mittels SERS selbst einzelne Moleküle im Raman-Spektrum nachzuweisen.
Die Idee einen ähnlichen Mechanismus zur Signalverstärkung auszunutzen, sollte auf den Flüstermoden-Biosensor übertragen werden [7,8]. Falls es gelingt, durch die Flüstermode gleichzeitig eine plasmonische Resonanz in einem Nanopartikel anzuregen, dann sollte die dabei erzielte Feldüberhöhung am Partikel zu einer extrem hohen Sensitivität führen. Beispielsweise sollte die Bindung eines einzelnen Proteins an das Nanopartikel zu einer etwa 1000-fach größeren Frequenzverschiebung der Flüstermoden führen, proportional zur Feldüberhöhung der Lichtintensität am Nanopartikel. Die genauen Berechnungen von Matthew Foreman (Postdoc am Institut) ergaben für einen Nanostab eine 103- bis 104-fache Feldüberhöhung – die Plasmon-gestützten Flüstermoden sollte die Detektion einzelner Proteinmoleküle ermöglichen [9,10]!
2013 – der Durchbruch

Eine nasschemische Methode wurde entwickelt, um plasmonische Nanostäbe stabil an die Mikrokavität zu binden. Ausgehend von Forman’s Berechnungen wurden die plasmonischen Resonanzfrequenzen des Nanostabs so gewählt, dass eine optimale Sensitivität zu erwarten ist. Die Gold-Oberfläche des Nanostabs wurde außerdem funktionalisiert, sodass eine spezifische Bindung von Proteinen möglich ist.
Der experimentelle Durchbruch gelang am Anfang des Jahres 2013. Es wurden bereits deutliche Signale für die Bindung einzelner Nanostäbe an die Mikrokavitäten registriert. Nach weiterer Zugabe einer Proteinlösung in die Messzelle traten dann tatsächlich weitere stufenweise Frequenzverschiebungen der Flüstermoden auf, die das Binden einzelner Proteinmoleküle an den Nanostab anzeigten (Abb. 4). Ein Plasmon-gestützter Einzelmolekül-Flüstermoden-Biosensor war geboren!
Fazit
Mit diesem Durchbruch ist der Traum vieler Biotechnologen und Technikbegeisterter in Erfüllung gegangen: die Einzelmoleküldetektion mit hoher Zeitauflösung in einem kleinen Flüstermoden-Biosensor kann weitläufige Anwendung finden. So ist die Detektion von einzelnen Molekülen und deren Interaktionen nicht nur die Grundlage für das Verständnis vieler biologischer Prozesse, sondern auch die Vorraussetzung für hochspezifische und hochsensitive Probenanalysen in der klinischen Diagnostik und Umweltanalyse. Solche und viele weiteren Analysen sind mit Flüstermoden in Zukunft auf kleinen Mikrochips realisierbar.