Quantenrechnung im Diamanten
In einem Quantenregister aus Kernspins des Edelsteins sind eine logische Operation und eine Fehlerkorrektur gelungen
Computer müssen nicht fehlerfrei rechnen, um fehlerlose Ergebnisse zu liefern – sie müssen ihre Irrtümer nur zuverlässig korrigieren. Und das wird künftig noch wichtiger, wenn Quantencomputer mit sehr effizienten, aber auch recht störanfälligen Rechenprozessen manche Aufgaben um ein Vielfaches schneller lösen sollen als herkömmliche PCs. Ein internationales Team um Physiker der Universität Stuttgart und des Stuttgarter Max-Planck-Instituts für Festkörperforschung hat nun einen Weg gefunden, das Quantensystem eines Diamanten mit wenigen Stickstoffverunreinigungen besonders gut zu kontrollieren. So können die Forscher Quantenbits, also die kleinsten Recheneinheiten eines Quantencomputers, in dem Diamanten gezielt ansprechen und mehrere Bits zu einem Rechenregister zusammenfassen. Den neuen Grad an Kontrolle nutzen sie für eine logische Operation, die für einen Quantencomputer essentiell ist, und für eine Fehlerkorrektur.
Wo die Stärken eines Quantencomputers lägen, wissen Physiker schon recht genau: vor allem die Suche in großen Datenbanken, Ver- und Entschlüsselungen oder die Forschungsaufgaben der Quantenphysik könnte er viel schneller erledigen als jeder heute denkbare klassische Computer. Wie der Bauplan eines Quantenrechners aussehen soll, ist dagegen noch ziemlich unklar. So gibt es derzeit auch noch keinen echten Favoriten unter den Materialien, aus denen Quantenprozessoren gemacht sein könnten. In Betracht kommen dafür etwa mit elektrischen Feldern gefangene Ionen, Atome in optischen Gittern, Bauelemente aus Supraleitern oder Diamanten, die durch winzige Mengen an Stickstoff verunreinigt sind.
Die sporadisch mit Stickstoff durchsetzten Diamanten erforschen die Physiker um Jörg Wrachtrup, Professor an der Universität Stuttgart und Fellow des Max-Planck-Instituts für Festkörperforschung, bereits seit längerem. Nun haben sie den Edelsteinen auf dem Weg zum Quantenrechner gleich über mehrere Hürden geholfen. Denn die Stuttgarter Forscher haben in einem Diamanten nicht nur ein Quantenregister und damit das Pendant zu einem klassischen Prozessor erzeugt. Sie können das Register auch zuverlässig steuern, eine logische Operation damit vornehmen und Fehler darin korrigieren. „Weil wir die Quantenmechanik unseres Systems inzwischen gut verstehen, können wir Quantenregister in einem ziemlich einfachen Ansatz schaffen, der im Gegensatz zu anderen Techniken ohne aufwendige Tieftemperaturtechnik oder Lasersysteme auskommt“, sagt Jörg Wrachtrup.
Ein Quantenregister befindet sich im Überlagerungszustand mehrerer Qubits
Ein Quantenregister umfasst immer einzelne Qubits (kurz für Quantenbits), die wie klassische Bits zwei Zustände einnehmen können, um eine Null oder Eins zu codieren. Anders als klassische Bits lassen sich mehrere Qubits jedoch in Überlagerungszustände bringen, in denen jedes einzelne quasi zwischen der „Null“ und der „Eins“ schwebt. So ergeben sich verschiedene Ausprägungen für jeden Überlagerungszustand, die im Quantenregister als Möglichkeiten enthalten sind. Diese Möglichkeiten lassen sich für manche parallele Rechnungen nutzen wie die Bits eines klassischen Computers.
Je mehr Quantenbits in einem Register zusammengespannt werden, desto leistungsfähiger, aber auch empfindlicher ist der Prozessor. Denn äußere Störungen stoßen ein Qubit nur zu leicht aus dem Schwebezustand zwischen „Eins“ und „Null“ hin zu einer der beiden Optionen. So zerstören unerwünschte Einflüsse von außen schlimmstenfalls die filigrane Überlagerung und machen sie somit unbrauchbar für parallele Rechnungen. Dagegen haben die Stuttgarter Forscher nun ein Mittel gefunden.
Drei Kernspins werden über einen Defekt zum Register vereint
Als Quantenbits nutzen sie zwei Kohlenstoffatome des Schweren Isotops 13C und ein Stickstoffatom. Diese Atome weisen jeweils einen Kernspin auf, der in einem Magnetfeld zwei Orientierungen annehmen kann und sich mit Radiofrequenzpulsen manipulieren lässt. Die Ausrichtung der Kernspins ermöglicht im Magnetresonanztomografen Einblicke in den menschlichen Köper, wird im Qubit jedoch verwendet, um die „Null“ oder „Eins“ eines Bits abzulegen. Fehlt noch eine Steuereinheit, mit denen die Stuttgarter Forscher die Quantenbits kontrollieren und zu einem Register vereinen können. Da kommt die Unregelmäßigkeit im Atomgitter des Diamanten ins Spiel, für die ein Stickstoffatom sorgt.
Der Stickstoffdefekt – die Physiker sprechen von einem NV-Zentrum (NV: nitrogen-vacancy, englisch für Stickstoff-Leerstelle) – kann zur Falle für ein einzelnes Elektron werden. Ein Elektron besitzt ebenfalls einen Spin, dessen Orientierung sich auf die Ausrichtung der Kernspins auswirkt. Der Elektronenspin lässt sich schneller schalten als die Kernspins, ist aber störanfälliger. Er dient den Forschern Sprachrohr für Steuerbefehle an die Kernspins, die sich mit Radiofrequenzpulsen nicht rüberbringen lassen. Das Elektron im Defekt vermittelt so die Kommunikation zwischen den Kernspins im Quantenregister. Schließlich dient es den Physikern als Lesehilfe für die Kernspins.
Ein Quantenregister mit schnellem Schalter und robustem Speicher
„Bisher hat man das Elektron des NV-Zentrums auch als Speicher herangezogen, um das Quantenregister zu vergrößern“, sagt Gerald Waldherr, der an den Experimenten maßgeblich beteiligt war. „Wir verwenden das Elektron ausschließlich zur Kontrolle der Kernspins, auf denen die Quanteninformation gespeichert ist.“ So können die Forscher die Vorteile beider Systeme voll nutzen: Über einen Elektronenspin lässt sich ein Quantenregister schnell schalten. Die Kernspins speichern Information dagegen relativ zuverlässig, weil sie recht robust gegenüber Störungen sind.
Mit einer geschickten Kombination aus Licht- und Radiofrequenzpulsen bugsieren die Physiker die drei Kernspins, vermittelt durch den Elektronenspin, also zunächst in einen Überlagerungszustand: Sie verschränken die Kernspins. Die quantenmechanische Verschränkung schafft eine Art virtueller Verbindung zwischen Quantenteilchen, sodass diese von einander wissen. Nur verschränkte Systeme taugen als Quantenregister, weil nur sie die parallele Arbeitsweise des Quantenrechners erlauben.