Neue Schimpansenpopulation entdeckt
Im Norden der Demokratischen Republik Kongo leben mehrere Tausend Schimpansen in einem unzugänglichen Waldgebiet
Die Anzahl der großen Menschenaffen in Afrika nimmt stetig ab. Daher ist es wichtig, Daten hinsichtlich ihrer Verbreitung und Populationsgröße zu erheben, um Schutzmaßnahmen gezielt dort einsetzen zu können, wo sie am dringendsten benötigt werden. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und der Universität Amsterdam in den Niederlanden haben über mehrere Hundert Kilometer Datenerhebungen zu Schimpansen in der Region Uele im Norden der Demokratischen Republik Kongo durchgeführt. Dabei entdeckten sie eine große Population von Östlichen Schimpansen (Pan troglodytes schweinfurthii), einer Unterart des Schimpansen. Die 2005 und 2012 erhobenen Daten deuten darauf hin, dass die Populationsgröße der Tiere im entlegenen Bili-Gangu Wald innerhalb dieses Zeitraums stabil geblieben ist. Insgesamt erschlossen die Forscher ein Gebiet von etwa 50.000 Quadratkilometern, in dem mehrere Tausend Schimpansen beheimatet sind. Den Forschern zufolge sollte dieses Gebiet Priorität für den Schutz der Östlichen Schimpansen erhalten.
In den vergangenen zwanzig Jahren nahm die Zahl der in Afrika lebenden Menschenaffen stark ab, in manchen Regionen um bis zu 90 Prozent. Gründe für den Populationsrückgang sind der Ausbau der Landwirtschaft in vielen afrikanischen Ländern, Abholzungsaktivitäten und der unkontrollierte Abbau von Rohstoffen. Darüber hinaus fallen die Tiere Wilderern oder vom Menschen übertragenen Krankheiten zum Opfer. „Um die Populationstrends bei Schimpansen zu verfolgen und zu entscheiden, wo die Mittel zum Schutz der Tiere eingesetzt werden sollen, müssen wir die Verbreitung und das Vorkommen der Tiere genauestens dokumentieren“, sagt Hjalmar Kühl vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie.
Für eine Erfassung der Populationsgröße durchqueren Forscher ein zu untersuchendes Gebiet in regelmäßigen Abständen und laufen es auf parallelen Wegen ab. Anhand der dabei aufgespürten Schimpansen-Schlafnester können sie dann die wahrscheinliche Gesamtzahl der Schimpansen in dem Gebiet hochrechnen.
In den Jahren von 2004 bis 2012 hat ein Forscherteam des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie und der Universität Amsterdam Datenerhebungen im Norden der Demokratischen Republik Kongo durchgeführt, in einer Region, deren Schimpansenbestand nie zuvor systematisch erfasst wurde. Die Forscher sind insgesamt 1800 Kilometer nördlich und 500 Kilometer südlich des Uele-Flusses abgelaufen. Darüber hinaus haben sie im Bili-Gangu Wald, mehrere Streckenabschnitte von insgesamt 160 Kilometern abgeschritten und dabei eine Population von mehreren Tausend Schimpansen entdeckt. Die Forscher fanden Hinweise darauf, dass die Nord- und Südgruppen dieser Population kulturelle Besonderheiten teilen. „In den Wäldern und Savannen im Norden der Demokratischen Republik Kongo ist, von Forschern bis vor kurzem unbemerkt, eine große Schimpansenpopulation beheimatet”, sagt Thurston C. Hicks vom Leipziger Max-Planck-Institut. „Es könnte sich dabei um die wohl größte Population von Östlichen Schimpansen handeln. Leider unterstehen die Tiere momentan keinerlei Schutz.“ Die Zahl der Schimpansen-Schlafnester ist in den letzten Jahren offenbar nicht zurückgegangen, denn die Forscher stießen bei einer stichprobenartigen Zählung 2012 auf ähnlich viele Nester wie bei der der ersten Zählung im Jahr 2005.
Obwohl diese Schimpansenpopulation in den vergangenen zehn Jahren stabil geblieben ist, fanden die Forscher kürzlich Hinweise darauf, dass sie verstärkt vom Buschfleisch-Handel bedroht ist. „In Bili und Umgebung wurden häufiger als zuvor Wildtierkadaver und Schimpansenwaisen gesichtet“, sagt Christophe Boesch, Direktor der Abteilung Primatologie am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. „Ohne einen angemessenen Schutz könnten diese Schimpansen denselben Umständen zum Opfer fallen wie ihre Artgenossen in anderen Teilen Afrikas.“ Den Forschern zufolge sind weitere Datenerhebungen vor Ort in Afrika notwendig, um künftige Artenschutzbemühungen gezielt dorthin zu leiten, wo sie am dringendsten benötigt werden – bevor es zu spät ist. Um eine Eskalation der Wilderei zu verhindern empfehlen die Forscher, in der Region Wildhüter einzusetzen.
“Das Bili-Gangu-Gebiet ist ein Mosaik von dichten Waldgebieten, bewaldeten Savannen und offenen Graslandschaften, in denen Schimpansen, Elefanten, Leoparden und andere große Säugetiere leben, die anderswo bereits ausgerottet sind”, sagt John Hart von der Lukuru Wildlife Research Foundation. “Für den Kongo ist dies eine bedeutende Möglichkeit, um eine neue Artenschutzinitiative im Bili-Uéré-Komplex ins Leben zu rufen.“
Die Feldsaison 2012 wurde gemeinsam mit der Lukuru Wildlife Research Foundation, dem US Fish and Wildlife Service und dem Institut Congolais pour la Conservation de la Nature durchgeführt. Darüber hinaus wurde das Projekt von der Lucie Burgers Foundation for Comparative Behaviour Research (Arnhem, Niederlande), der Wasmoeth Wildlife Foundation, der African Wildlife Foundation und von Karl Ammann unterstützt.
SJ, CH/HR