Synapsen – Beständigkeit im Wandel
Synapsen bleiben stabil, wenn ihre Komponenten koordiniert wachsen
Synapsen sind die Kontaktstellen für die Informationsübertragung zwischen Nervenzellen. Ohne sie können wir keine Gedanken formen oder uns an etwas erinnern. Für bleibende Erinnerungen müssen Synapsen zum Teil über sehr lange Zeiträume stabil bleiben. Doch wie kann eine Synapse die Zeit überdauern, wenn ihre Bausteine regelmäßig erneuert werden müssen? Einer Antwort auf diese Frage sind Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie in Martinsried bei München nun näher gekommen. Sie konnten zeigen, dass beim Aufbau einer Synapse alle Bausteine im "richtigen" Verhältnis zueinander wachsen müssen. Nur so entsteht eine langfristig funktionstüchtige Synapse, Grundvoraussetzung für Lernen und Gedächtnis. In solch einem interaktiven System sollte der Austausch einzelner Moleküle möglich sein, während die übrigen Komponenten die Synapse stabilisieren.
Alles ist vergänglich. Das gilt auch für die Proteine, die Bausteine, aus denen die Kontaktstellen zwischen unseren Nervenzellen bestehen. Dank dieser Proteine können an einer Synapse ankommende Informationen verpackt und von der nächsten Nervenzelle auch aufgenommen werden. Lernen wir etwas Neues, dann werden neue Synapsen aufgebaut oder bestehende verstärkt. Für dauerhafte Erinnerungen müssen Synapsen über längere Zeiträume, bis hin zu einem ganzen Leben, stabil bleiben. Wie eine Synapse durchgehend stabil bleiben kann, obwohl ihre Proteine regelmäßig erneuert werden müssen, darauf haben Forscher des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie in Martinsried bei München nun einen Hinweis gefunden.
„Uns hat zunächst einmal interessiert, was mit den verschiedenen Komponenten einer Synapse passiert, wenn sie während des Lernens wächst”, berichtet Volker Scheuss, der Leiter der Studie. Ein Verständnis des Komponentenwachstums könnte auch Auskunft über die langfristige Stabilität von Synapsen geben. So untersuchten die Forscher in Kulturschalen das Wachstum von Synapsen nach einem (Lern)Reiz. Dazu aktivierten sie einzelne Synapsen gezielt mit dem Botenstoff Glutamat. Schon seit längerem ist bekannt, dass Glutamat bei Lernvorgängen eine wichtige Rolle spielt und das Wachstum von Synapsen anregt. In den folgenden Stunden beobachteten die Forscher die stimulierten und Kontroll-Synapsen unter dem Zwei-Photonen-Mikroskop. Zur Bestätigung der beobachteten Effekte untersuchten sie im Anschluss einzelne Synapsen noch mit Hilfe des Elektronenmikroskops. „Das war eine ziemliche Sisyphus-Arbeit, wenn man bedenkt, dass eine einzelne Synapse gerade mal einen 1000stel Millimeter groß ist”, erzählt Tobias Bonhoeffer, in dessen Abteilung die Untersuchungen stattfanden.
Die Wissenschaftler fanden heraus, dass beim Synapsenwachstum die verschiedenen Proteinstrukturen immer im passenden Verhältnis zueinander wuchsen. Wuchs oder vermehrte sich nur eine Strukturkomponente allein, oder im falschen Verhältnis zu den anderen, so kollabierten diese Veränderung bald darauf wieder. Mit solch unvollständigen Änderungen können Synapsen keine langfristigen Erinnerungen speichern.
Die Ergebnisse zeigen, dass es eine fein aufeinander abgestimmte Ordnung und Interaktion der Synapsenkomponenten gibt. „In solch einem System sollte es gut möglich sein, individuelle Proteine auszutauschen, während der Rest der Struktur die Stellung hält”, so Scheuss. Bricht jedoch eine ganze Komponentengruppe weg, so wird die ganze Synapse destabilisiert. Auch das ist ein wichtiger Vorgang, denn ohne die Möglichkeit zu vergessen könnte das Gehirn nicht richtig funktionieren. Die Ergebnisse liefern somit nicht nur einen wichtigen Einblick in die Funktion und den Aufbau von Synapsen. Sie dienen auch als Grundlage um Gedächtnisverlust zum Beispiel bei degenerativen Erkrankungen besser zu verstehen.
SM/HR