Tödliche Gewalt trifft meist Schimpansen-Männchen

Auseinandersetzungen mit Todesfolge unter Schimpansen und Bonobos sind Anpassungen an die Umwelt und nicht Folge menschlicher Einflüsse

17. September 2014

Ein internationales Forscherteam vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, der University of Minnesota, der Harvard University und weiteren Institutionen hat untersucht, weshalb Schimpansen und Bonobos manchmal Artgenossen in Auseinandersetzungen töten. Dafür verglichen sie Daten von 18 Schimpansen- und vier Bonobo-Gesellschaften. Die Forscher ermittelten, dass Tötungen bei Schimpansen häufiger vorkommen als bei Bonobos. Dabei geht die Aggression stärker von den Männchen aus und richtet sich gegen andere nicht verwandte Männchen. Meist sind die Angreifer den Tötungsopfern zahlenmäßig überlegen. Überraschenderweise kommen die Tötungen in Gebieten, in denen der Mensch in den Lebensraum der Tiere stärker eingegriffen hat, nicht häufiger vor. Die Forscher folgern daraus, dass die Tötung eines Artgenossen dem Angreifer möglicherweise Vorteile durch den Zugewinn von Territorium, Nahrung und potenziellen Paarungspartnern verschafft.

Wie häufig Schimpansen andere Schimpansen töten, unterscheidet sich zwischen den Populationen. Einerseits könnte die verstärkte Einflussnahme des Menschen auf den Lebensraum der Schimpansen (Abholzung des Regenwalds, Jagd und Krankheiten) zu höheren Aggressionsraten und somit zu häufigeren Tötungen von Artgenossen führen. Andererseits ließen sich die Auseinandersetzungen als Resultat von Anpassungsstrategien erklären, mit deren Hilfe sich Angreifer den Zugang zu Nahrung und Sexualpartnern sichern.

Um herauszufinden, welche der Erklärungen zutrifft, kombinierte ein internationales Team von Feldforschern jetzt ihre Daten, die sie in den vergangenen 50 Jahren gesammelt hatten. Die Wissenschaftler bestätigen, dass Bonobos weniger gewalttätig als Schimpansen sind. In diesem Zeitraum hatten sie nur eine tödliche Auseinandersetzung beobachtet. Bei Schimpansen hingegen wurden bei 15 von 18 Schimpansen-Gesellschaften Tötungen dokumentiert. Die Forscher fanden heraus, dass ostafrikanische Schimpansen Artgenossen häufiger töten als die westafrikanische Unterart.

Mithilfe von statistischen Analysen verglichen die Forscher Variablen wie die Fläche und den Grad der Zerstörung des Lebensraums durch den Menschen, die Anzahl erwachsener Männchen in einer Gruppe oder die Populationsdichte im jeweiligen Feldforschungsgebiet. Sie betrachteten 16 verschiedene Modelle und kamen zu dem Ergebnis, dass die Anzahl der Männchen und die Populationsdichte maßgeblich zu einer Häufung von Tötungen von Artgenossen beitragen.

„Wir fanden heraus, dass Männchen häufiger als Weibchen Artgenossen töten und auch häufiger getötet werden”, sagt Roman Wittig vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. „Die meisten Opfer waren mit den Angreifern nicht verwandt und Angehörige einer zahlenmäßig unterlegenen Gruppe.“ Die Zerstörung des Lebensraums der Tiere durch den Menschen hatte hingegen keine messbaren Auswirkungen auf die Häufigkeit der tödlichen Auseinandersetzungen unter Artgenossen.

„Wir schließen daraus, dass die Tötungen eine Strategie darstellen, mit der sich die Tiere an ihre Umwelt anpassen“, sagt Roman Wittig. „Indem sie Artgenossen töten, beseitigen die Tiere Rivalen, wenn das Risiko für sich selbst dabei gering ist.”

SJ, RW/HR

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