Das Alter wird jünger
Heute 75-Jährige sind geistig fitter und glücklicher als Gleichaltrige vor 20 Jahren
Geistige Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden bleiben im Alter länger erhalten als noch vor 20 Jahren. Das zeigt eine gemeinsame Studie mehrerer Berliner Forschungseinrichtungen, darunter die Humboldt-Universität zu Berlin, die Charité Universitätsmedizin Berlin, das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Die Ergebnisse der Studie werden in der Fachzeitschrift Psychology and Aging veröffentlicht.
Es gibt eine gute Nachricht für alle, die sich über ihr Älterwerden Gedanken machen: Das Alter wird jünger. Die heute 75-Jährigen sind im Durchschnitt geistig erheblich fitter als die 75-Jährigen vor 20 Jahren. Zugleich zeichnet sich die Generation der heute 75-Jährigen durch höheres Wohlbefinden aus und ist insgesamt zufriedener mit ihrem Leben. „Die Zugewinne, die wir an kognitiver Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden in Berlin gemessen haben, sind beträchtlich und von großer Bedeutung für die Lebensqualität im Alter“, kommentiert Ulman Lindenberger, Direktor am Forschungsbereich „Entwicklungspsychologie“ des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung (MPIB). Die Wissenschaftler bringen die Gewinne mit soziokulturellen Faktoren wie dem Bildungsniveau in Verbindung. Zum gesteigerten Wohlbefinden tragen zudem, so vermuten die Forscher, auch die bessere körperliche Fitness und die damit verbundene höhere Selbstständigkeit im Alter bei.
Trotzdem sind natürlich ältere Menschen nicht vor der Abnahme ihres geistigen Vermögens gefeit. „Wir gehen davon aus, dass die beobachteten positiven Effekte auf die geistige Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden am Lebensende deutlich geringer werden“, ergänzt Denis Gerstorf, Professor für Entwicklungspsychologie am Institut für Psychologie der Humboldt-Universität zu Berlin. Nach einem Zuwachs an guten Lebensjahren sei nach wie vor mit einem schnellen und deutlichen Nachlassen der Leistungsfähigkeit und des Wohlbefindens am Lebensende zu rechnen. Für dieses Bild sprechen aktuelle Studien von Gerstorf und Kollegen, die die letzten Lebensjahre älterer Menschen in den Blick nehmen.
An der groß angelegten Studie in Berlin beteiligten sich Wissenschaftler der Humboldt-Universität zu Berlin, des MPIB, der Multi-Kohortenstudie „Sozio-oekonomisches Panel“ im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) sowie der Charité Universitätsmedizin Berlin. Die Veröffentlichung basiert auf den Daten der Berliner Altersstudien (BASE und BASE-II), die mit den für Deutschland repräsentativen SOEP-Daten abgeglichen wurden. „Die Kombination von Daten für eine große Stadt, wie hier Berlin, mit repräsentativen Daten für ganz Deutschland (SOEP) ist eine wichtige Besonderheit von BASE und BASE-II“, betont Gert G. Wagner, Vorstandsmitglied des DIW Berlin und Max Planck Fellow am MPIB.
Die Forscher nutzten die Daten von 708 über 60-jährigen Berlinern, die im Rahmen der Berliner Altersstudie II auf ihre geistige Leistungsfähigkeit getestet und nach ihrem Wohlbefinden befragt wurden. Diese verglichen sie mit den Daten der Vorgängerstudie aus den frühen 1990er-Jahren und identifizierten 161 „statistische Zwillingspaare“, weitestgehend bestehend aus jeweils einer Person desselben Geschlechts aus jeder der beiden Studien, die einander in Alter und Bildung möglichst ähnlich sind. Zusätzlich sind Faktoren wie medizinisch-diagnostizierte Krankheiten bei der Auswertung berücksichtigt worden. Das Durchschnittsalter dieser Vergleichspaare lag bei 75 Jahren (die jüngste Person war 65 Jahre und die älteste 89 Jahre alt). Zur Kontrolle der Vergleichbarkeit berücksichtigen die Forscher zudem Informationen aus der SOEP-Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), das seit über 30 Jahren repräsentative Daten über die Bevölkerung in Deutschland erhebt.
KS/SB