Frühmenschen bei Raubtieren auf dem Speiseplan

Zahnspuren auf einem 500.000 Jahre alten Oberschenkelknochen aus Marokko deuten darauf hin, dass große Raubtiere einst Menschen jagten oder deren Aas verspeisten

27. April 2016

Ein internationales Forscherteam um Camille Daujeard vom Muséum National D'Histoire Naturelle in Paris und Jean-Jacques Hublin vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig hat Zahnspuren auf dem 500.000 Jahre alten Oberschenkelknochen eines Homininen aus einer Höhle in Marokko analysiert. Dabei fanden die Forscher heraus, dass dieser von großen Fleischfressern, wahrscheinlich von Hyänen, verspeist worden war.

Während des Mittleren Pleistozäns konkurrierten frühe Menschen mit großen Fleischfressern um Raum und Nahrungsressourcen. Doch es gibt für diese Epoche bisher nur wenige Belege dafür, dass Fleischfresser Homininen als Nahrungsquelle genutzt haben. Ein internationales Forscherteam hat jetzt den Oberschenkelschaft des Skeletts eines 500.000 Jahre alten Homininen aus einer Höhle nahe Casablanca in Marokko untersucht und herausgefunden, dass dieser Frühmensch einst von großen Raubtieren verspeist worden war.

Die Analyse des Knochenfragments zeigte verschiedene Frakturtypen, die auf Bissspuren von Fleischfressern zurückgeführt werden können, darunter durch Zähne verursachte Löcher sowie Rillen und Einkerbungen. Diese befanden sich vor allem an den beiden Enden des Oberschenkelknochens. Sie waren mit Sediment bedeckt, was auf ihr hohes Alter hindeutet, und wenigstens einige der Spuren scheinen kurz nach dem Tod des Homininen entstanden zu sein. Dem Erscheinungsbild nach zu urteilen, wurden die Spuren von großen Fleischfressern verursacht, sehr wahrscheinlich von Hyänen. Ob der Knochen aber im Anschluss einer Jagd auf den Homininen abgenagt oder dieser von Fleischfressern als Aas verspeist wurde, konnten die Forscher nicht eindeutig bestimmen.

Frühmenschen waren Jäger und Beute

Dieser erste Beleg für den Verzehr menschlicher Überreste durch Raubtiere hebt sich von anderen Belegen aus nahe gelegenen Fundstätten ab, denen zufolge Menschen selbst Fleischfresser gejagt und verspeist haben. „Obwohl Begegnungen und Konfrontationen zwischen archaischen Menschen und großen Raubtieren während dieser Zeitperiode in Nordafrika nicht ungewöhnlich gewesen sein dürften, ist der „Thomas Quarry“-Oberschenkel einer der wenigen Belege dafür, dass Homininen Fleischfressern manchmal als Nahrung gedient haben“, sagt Camille Daujeard vom Muséum National D'Histoire Naturelle, die die Fossilien untersucht hat.

Abhängig von den Umständen waren die Homininen jener Zeit Jäger und Aasfresser, aber auch selbst Beute oder Aas für Raubtiere. „Die Steinbrüche der Casablanca-Region sind Brennpunkte für die Forschung an Homininen aus dem Pleistozän in Afrika und nach wie vor eine Fundgrube für Fossilien und Artefakte. Sie beleuchten nicht nur das Leben unserer entfernten Vorfahren, sondern auch, welchen Gefahren diese ausgesetzt waren“, sagt Jean-Jacques Hublin, Direktor am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, der die fossilen Homininen dieser Fundstätte erforscht.

SJ/HR

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