Forschungsbericht 2017 - Max-Planck-Institut für Chemie
Atmosphärische CO2-Veränderungen und quartäre Eiszeiten
Der heutige anthropogene Anstieg der atmosphärischen Konzentrationen von CO2 und anderen Treibhausgasen verändert das Klimasystem grundlegend. Um die Auswirkungen zu verstehen und mögliche künftige Klimaszenarien vorherzusagen, hat sich ein Schlüsselaspekt herausgestellt: die Suche nach einem besseren Verständnis der Muster und Ursachen des natürlichen Klimawandels. Sie stützt sich vor allem auf die Untersuchung vergangener Klimaschwankungen.
Während des Quartärs (die letzten 2,7 Mio. Jahre) fanden globale Umweltveränderungen statt [1]: Die Eisschilde wuchsen periodisch an und zogen sich wieder zurück. Die Ausdehnung der kontinentalen Eisschilde und Gebirgsgletscher während der quartären Glazialphasen wurde durch relativ kurze Zwischeneiszeiten unterbrochen, in denen die globalen Temperaturen so hoch waren wie vor der menschgemachten Erwärmung des Klimas (Abb. 1). Diese Glazial- und Interglazialzyklen (G/IG) waren mit großen Umweltveränderungen im Erdsystem verbunden, die sich auf den Meeresspiegel, die ozeanische und atmosphärische Zirkulation und Chemie, Verwitterungsraten sowie die Vegetation und die tierische und menschliche Evolution und deren räumliche Verteilung auswirkten. Es gilt als erwiesen, dass der Taktgeber für diese G/IG-Oszillationen astronomisch bedingte, periodische Veränderungen der Sonneneinstrahlung sind (Milankovic-Zyklen) (Abb. 1). Die Beziehung zwischen Sonneneinstrahlung und Klima ist aber durch das Zusammenspiel zahlreicher Rückkoppelungsmechanismen im Klimasystem stark moduliert..
In den letzten Jahren wurde immer deutlicher, dass die Geschwindigkeit der glazialen Terminationen (Übergänge von Eiszeiten zu Warmzeiten) durch eine komplexe Reorganisation des Systems Ozean-Atmosphäre und insbesondere durch die dramatischen Veränderungen der atmosphärischen Treibhausgaskonzentrationen zu erklären sind. So schwankte die CO2-Konzentration in der Atmosphäre im Laufe der G/IG der letzten 800 000 Jahre zwischen etwa 190 ppm in den Eiszeiten und 300 ppm in den Interglazialen (Abb. 1).
Ein Schwerpunkt der Forschung am MPI für Chemie war die Untersuchung einer Reihe biogeochemischer Prozesse in den polaren Ozeanen beider Hemisphären. Die Prozesse im Südozean um die Antarktis sind von besonderer Bedeutung bei der Steuerung atmosphärischer CO2-Veränderungen [1]. Trotz der hohen Konzentration der Hauptnährstoffe Nitrat und Phosphat begrenzt Eisenmangel das Wachstum von marinem Phytoplankton. Dies stellt eine wichtige Ineffizienz in der modernen globalen biologischen Kohlenstoffpumpe dar, da sie das Wachstum der Meeresalgen limitiert, die CO2 aus der Atmosphäre binden und in den tiefen Ozean transportieren. Eine erhöhte Effizienz der Kohlenstoffabscheidung (Sequestrierung) im Südozean um die Antarktis während der Eiszeiten könnte daher einen bedeutenden Anteil des Rückgangs der atmosphärischen CO2-Konzentration erklären. Diese Effizienzsteigerung war durch die Erhöhung der Versorgung mit dem Mikronährstoff Eisen gegeben.
Im Jahr 1990 stellte John Martin die These vor, dass während der Eiszeiten eine Zunahme an eisenhaltigem Staub den Südozean gedüngt haben könnte. Dadurch wurde die Phytoplankton-Produktivität des Meeres angeregt, das Absinken organischen Kohlenstoffs in die Tiefsee hatte sich verstärkt und so zur Reduzierung des atmosphärischen CO2 beigetragen. Dieser Mechanismus könnte nach Modellrechnungen etwa die Hälfte der G/IG Amplitude von 80-100 ppm CO2 bewirkt haben. Es blieb jedoch schwierig, den Einfluss der Eisenversorgung auf die Effizienz der biologischen Sequestrierung von Kohlenstoff während der Eiszeiten eindeutig zu zeigen.
Wir haben daher eine Kombination neuartiger geochemischer Techniken verwendet, um die Eisenhypothese zu überprüfen. So haben wir gemeinsam mit Daniel M. Sigman von der Princeton University erstmalig Stickstoffisotopenanalysen der organischen Materie durchgeführt, die innerhalb der Kalzitstruktur von planktischen Foraminiferen gebunden ist, um Veränderungen des Nährstoffverbrauchs (Nitrat) im Südlichen Ozean zu untersuchen. Wir konnten nachweisen, dass im subantarktischen Atlantik die glazialen Maxima und etwa tausendjährigen Kälteereignisse während der Eiszeit durch eine Zunahme des Staub- und Eisenflusses, der Phytoplanktonproduktivität und den gestiegenen Nitratverbrauch gekennzeichnet sind (Abb. 2). Diese Kombination ist eindeutig konsistent mit der subantarktischen Eisendüngung und belegt die Eisenhypothese [3]. Damit einher geht eine Stärkung der biologischen Kohlenstoffpumpe des Südlichen Ozeans. Unsere Daten können also die Senkung des CO2-Gehalts um rund 40 ppm beim Übergang von den gemäßigten Klimazuständen zu den Bedingungen einer vollen Eiszeit sowie die CO2-Schwankungen im Millennium-Maßstab während der Eiszeiten erklären [3].Neuere Messungen unserer Gruppe von Staub- und Ozeanproduktivitäts-Proxys und Stickstoffisotopenanalysen an Foraminiferen aus dem subantarktischen Pazifik weisen auch darauf hin, dass die eiszeitliche Eisendüngung nicht auf den subantarktischen Atlantik beschränkt war. Darüber hinaus unterstützt die Analyse der Stickstoffisotopen-Zusammensetzung von Tiefseekorallen diese Befunde, was auf einen effizienteren Nährstoffverbrauch in weiteren Regionen der subantarktischen Zone des Südozeans während der letzten Eiszeit schließen lässt [5].
Außerdem haben wir Sedimentkerne und Korallen aus Gebieten in der antarktischen Zone des Südozeans untersucht. Die Messungen deuten darauf hin, dass der Nährstoffverbrauch auch südlich der Polarfront zugenommen hat, wenngleich die Produktivität dort während der Eiszeit abnahm [4] [5] (Abb. 1).
Diese Beobachtungen legen nahe, dass die antarktische Zone des Südozeans während der Eiszeiten stärker physikalisch geschichtet war und damit weniger Nährstoffe und CO2-reiches Tiefenwasser an der Wasseroberfläche exponiert wurden. Durch diese Effizienzsteigerung der biologischen Pumpe nahm das Ausgasen von CO2 aus dem tiefen Ozean in die Atmosphäre dramatisch ab. Dieser Mechanismus reduzierte die CO2-Konzentration im Übergang von Warmzeiten hin zu den Eiszeiten erstmalig um etwa 40-50 ppm [2], gefolgt von der Eisendüngung, die in die glazialen Maxima führte.
Die Kombination aus verminderter Tiefseezirkulation durch eine erhöhte Schichtung in der antarktischen Zone des Südozeans einerseits und ein verstärkter organischer Kohlenstoffexport durch Eisendüngung in der subantarktischen Zone des Südozeans andererseits können demnach den größten Teil der atmosphärischen CO2-Veränderungen der G/IG der letzten 800 000 Jahre und wohl des gesamten Quartärs erklären.