Forschungsbericht 2010 - Max-Planck-Institut für Chemie
Globale Überwachung von Vulkanemissionen mit Satelliteninstrumenten
Global monitoring of volcanic emissions with satellite instruments
Max-Planck-Institut für Chemie, Mainz
Auf verschiedensten Zeitskalen üben Vulkane einen großen Einfluss auf das Leben auf der Erde aus. Über geologische Zeiträume stellen vulkanische CO2-Emissionen einen potentiellen Klima-Rückkopplungsmechanismus dar, der die Erde wahrscheinlich vor einer dauerhaften globalen Vereisung bewahrt hat. Im Bereich von Jahren kann die Emission von Spurenstoffen und Asche hingegen zu einer stark verminderten solaren Einstrahlung und damit Abkühlung am Erdboden führen. So wurde in den Jahren nach der Eruption des philippinischen Vulkans Pinatubo (1991) eine Abnahme der atmosphärischen Temperaturen um etwa 0,5 Grad gemessen [1]. Ein weiteres Beispiel für die verheerende Wirkung von Vulkanausbrüchen auf das Klima stellt das sogenannte Jahr ohne Sommer dar (1816), in dem es in Nordamerika und Europa zu teilweise katastrophalen Missernten und Hungersnöten kam. Auch in Eisbohrkernen lassen sich Ascheschichten großer Vulkanausbrüche nachweisen, die mit verminderten Temperaturen verbunden waren.
Neben den Klimawirkungen sind vor allem die direkten Auswirkungen und Gefahren von Vulkanen (wie z. B. auf den Flugverkehr im April und Mai 2010) für den Menschen von Bedeutung. Auch gibt es Anzeichen dafür, dass die von Vulkanen emittierten Spurenstoffe die atmosphärische Chemie auf regionaler, womöglich sogar globaler Skala, signifikant beeinflussen. Moderne satellitengestützte Verfahren bieten die Möglichkeit, vulkanische Emissionen global zu überwachen. In diesem Artikel soll ein kurzer Überblick über Satellitenmessungen im sichtbaren und UV-Spektralbereich gegeben werden.
Fernerkundungsmethoden im sichtbaren und UV-Spektralbereich
Von Vulkanen emittierte Spurenstoffe (Gase und Aerosole) werden vor allem mit Fernerkundungsmethoden im sichtbaren und UV-Spektralbereich nachgewiesen. Hierbei wird meist gestreutes Sonnenlicht spektroskopisch zerlegt und in den Messspektren die verschiedenen Absorptionsstrukturen atmosphärischer Spurenstoffe identifiziert. Solche Messungen werden erfolgreich seit mehreren Jahrzehnten mit bodengebundenen Instrumenten durchgeführt [2]. Streulichtmessungen erfordern relativ geringen technischen Aufwand, da dafür keine Sonnennachführung benötigt wird. Auch ist die Messgeometrie frei wählbar, um zum Beispiel eine sukzessive Abtastung einer Vulkanfahne zur Ermittlung der Gesamtemission zu erreichen. Ein Großteil unseres Wissens über Vulkanemissionen wurde mit solchen Verfahren gewonnen [2].
In den vergangenen Jahren wurden die Verfahren zur Quantifizierung von Vulkanemissionen enorm verbessert. Zum einen konnten die spektroskopischen Instrumente verfeinert und die Auswerteverfahren weiterentwickelt und standardisiert werden. So war es zum Beispiel vor wenigen Jahren erstmals möglich, auch Halogenverbindungen wie das Brommonoxid BrO in Vulkanfahnen nachzuweisen [3]. Auch konnten die bodengebundenen Verfahren auf Satelliteninstrumente übertragen werden [4]. Seit dem Start des Global Ozone Monitoring Experiments (GOME) im Jahr 1995 haben sich durch die verbesserte spektrale Abtastung die Nachweisgrenzen deutlich verringert. Weitere Instrumente mit ähnlichen Eigenschaften (SCIAMACHY, OMI, GOME-2) sind seither hinzugekommen.
Neben starken Eruptionen lassen sich nun auch die Emissionen schwächerer Eruptionen oder kontinuierlicher Ausgasungen nachweisen und quantifizieren [5]. Auch Effekte absorbierender oder streuender Aerosole [6] sowie schwache Spurenstoffabsorptionen wie beispielsweise von Brommonoxid konnten mittlerweile in den vom Satelliten gemessenen Spektren nachgewiesen werden [7]. Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass Vulkanemissionen mittlerweile auch von Satelliteninstrumenten in anderen Spektralbereichen wie z. B. dem IR nachgewiesen werden können [8].
Spurenstoff- und Aerosolmessungen vom Satelliten
Ähnlich den bodengebundenen Fernerkundungsverfahren messen Satelliteninstrumente das in der Atmosphäre gestreute (und von der Erdoberfläche reflektierte) Sonnenlicht. Die gewonnenen Spektren enthalten Signaturen der verschiedenen Streu- und Absorptionsprozesse in der Erdatmosphäre sowie der Reflektion an der Erdoberfläche. Streuprozesse an Molekülen (hauptsächlich O2 und N2) zeigen eine sehr breitbandige aber dennoch starke Wellenlängenabhängigkeit und sorgen in der wolkenfreien Atmosphäre für die blaue Himmelsfarbe. Im Gegensatz hierzu ist die Lichtstreuung an Wolkenpartikeln weitgehend wellenlängenunabhängig (weiße Farbe von Wolken) und an Aerosolpartikeln schwach wellenlängenabhängig. Anhand ihrer "Farbe" lassen sich Aerosole daher in den gemessenen Spektren von Molekülen und Wolkenpartikeln prinzipiell unterscheiden. Dies gelingt vor allem im UV-Spektralbereich, da sich hier im Gegensatz zu anderen Spektralbereichen die Reflektivität der Erdoberfläche kaum mit der Wellenlänge ändert. Andernfalls wäre die Aerosolstreuung nur schwer vom Einfluss der Bodenreflektivität zu unterscheiden. Streuende Aerosole können nach Vulkanausbrüchen aus dem emittierten Schwefeldioxid (SO2) gebildet werden. Auch die von Vulkanen emittierten Aschepartikel streuen einen großen Teil der auf sie treffenden Strahlung. Zusätzlich wirken sie aber auch absorbierend, wodurch solche Aerosole anhand ihrer spektralen Signatur von streuenden Aerosolen unterschieden werden können.
Während Streuung an Molekülen, Wolken und Aerosolen zu breitbandigen Strukturen in den gemessenen Spektren führt, zeichnet sich die Absorption von Spurengasen durch charakteristische, schmalbandige spektrale Signaturen aus (typischerweise wenige Nanometer breit). Starke Spurenstoffabsorptionen (z. B. die von Ozon) können direkt in den Messspektren identifiziert werden. Zur Quantifizierung schwacher Spurenstoffabsorptionen (Abschwächung des Lichts <0,001) müssen hingegen aufwendigere numerische Verfahren, wie z. B. die Differentielle Optische Absorptionsspektroskopie (DOAS) angewandt werden [9]. Mit DOAS konnte neben Schwefeldioxid (SO2) kürzlich auch erstmals Brommonoxid in Satellitenspektren über Vulkanfahnen nachgewiesen werden [7]. Gerade Halogenverbindungen haben aufgrund ihrer hohen Reaktivität bereits in sehr geringen Konzentrationen einen großen Einfluss auf die atmosphärische Chemie.
Typischerweise wird aus den Spektren die entlang des atmosphärischen Lichtwegs integrierte Spurenstoffkonzentration, die sogenannte schräge Säulendichte bestimmt (so benannt nach den meist "schrägen" Lichtwegen durch die Atmosphäre). Die schräge Säulendichte wird üblicherweise in die vom Lichtweg unabhängige, sogenannte vertikale Säulendichte umgerechnet (die vertikal integrierte Spurenstoffkonzentration). Für die hier gezeigten Ergebnisse wurden für diese Umrechnung rein geometrische Lichtwege durch die Atmosphäre angenommen. Gerade für starke Vulkaneruptionen mit hoch in die Atmosphäre aufsteigenden Eruptionen stellt diese Annahme eine gute Näherung dar, wohingegen für bodennahe Spurenstoffe oft Strahlungstransportsimulationen durchgeführt werden müssen.
Durch ihre stark verbesserte Nachweisgrenze und die überlegene räumliche Abdeckung eröffnen moderne Satelliteninstrumente einen völlig neuen Zugang zur globalen Überwachung der Vulkanaktivität und Quantifizierung ihrer Emissionen. So kann insbesondere der atmosphärische Transport von Vulkanemissionen oft über mehrere Tage hinweg anhand von Satellitenbeobachtungen verfolgt werden (in Einzelfällen über Zeiträume bis über einen Monat). Dadurch lassen sich Einflüsse von Vulkanen von regionaler bis globaler Skala untersuchen. Nicht zuletzt konnten Vulkane in entlegenen Regionen durch Satellitenbeobachtung überhaupt zum ersten Mal vermessen werden.
Die mittlere globale SO2-Verteilung
Satelliteninstrumente zur Erdbeobachtung befinden sich typischerweise in polaren, sonnensynchronen Umlaufbahnen. Die in unserer Gruppe verwendeten Sensoren bieten räumliche Auflösungen im Bereich von 10-100 km und eine vollständige globale Abtastung alle 1 bis 6 Tage. Je nach Zeitunterschied zwischen Vulkanausbruch und Satellitenüberflug werden die Emissionsfahnen in verschiedenen Stadien ihrer Entwicklung beobachtet. Beispiele für Einzelmessungen werden im nächsten Abschnitt gezeigt. In manchen Fällen erfolgen diese "Schnappschüsse" direkt nach einer bedeutenden Eruption, in ungünstigen Fällen erst ein paar Tage später.
Einen interessanten Überblick über die Stärke verschiedener Vulkanemissionen gibt auch eine über einen längeren Zeitraum gemittelte globale Spurenstoffverteilung. Hierzu eignet sich insbesondere die Auswertung des Spurenstoffs SO2 (Abb. 1), da SO2-Emissionen typische Begleiter vulkanischer Ausgasungen und Eruptionen sind und dessen Absorptionen sehr gut in den Satellitenspektren nachgewiesen werden können. In Abbildung 1 sind erhöhte SO2-Säulendichten in den meisten Fällen auch direkt den nächstgelegenen Vulkanen zuzuordnen. Interessant ist hierbei, dass auch schwache Emissionen (z. B. die des Stromboli, nördlich des Ätna, siehe Ausschnitt A) in den Langzeitmitteln deutlich zu erkennen sind. In einigen Regionen, z. B. in Nord-Sibirien, China, Südafrika oder dem mittleren Osten, sind erhöhte SO2-Werte auch auf nichtvulkanische Quellen, meist industrielle Aktivitäten, zurückzuführen. Über Mexiko (siehe Ausschnitt B) überlappt eine schwächere "SO2-Wolke", die auf die Emissionen von Mexiko-Stadt und Industrie zurückgeht, mit einer größeren SO2-Wolke des nahen Vulkans Popocatepetl.
Fallstudie Sarychev
Im Juni 2009 erfolgte am Vulkan Sarychev auf der Kurileninsel Matua (Abb. 2) eine Folge von zum Teil gewaltigen Eruptionen. Viele davon erreichten große Höhen, zum Teil gelangten die Emissionen sogar in die Stratosphäre [10]. Die emittierten Aerosolpartikel und Spurenstoffe konnten über mehrere Tage in Satellitendaten nachgewiesen werden, zum Teil über Distanzen von vielen Tausend Kilometern. Abbildung 3 zeigt exemplarisch Messungen des Satelliteninstruments GOME-2 vom 15. Juni 2009. Die Emissionsfahne ist deutlich in den Ergebnissen für SO2, BrO und absorbierende Aerosole zu erkennen. Sie erstreckt sich weitgehend in Ost-West-Richtung über eine Distanz von fast 2000 km.
Allerdings unterscheiden sich die Muster der einzelnen Messungen deutlich: Während erhöhte SO2-Werte sowohl westlich als auch östlich vom Vulkan auftreten, finden sich erhöhte BrO-Werte und Aerosolsignaturen hauptsächlich im westlichen Teil der Fahne. Diese auf den ersten Blick überraschende Beobachtung kann zumindest zum Teil durch die Höhenverteilung der vorherrschenden Winde erklärt werden. Hierzu wurden in Abbildung 3B die Endpunkte von Trajektorien (Wege von Luftpaketen) zum Zeitpunkt des Satellitenüberfluges aufgetragen, die zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen Höhen vom Vulkan ausgehen (NOAA Air Resources Laboratory, http://www.arl.noaa.gov/HYSPLIT_info.php). Als Startzeitpunkte der Trajektorien wurden die größeren Eruptionen zwischen dem 13. Juni und dem Ende des 15. Juni 2009 gewählt [10]. Anhand der dargestellten Trajektorien wird deutlich, dass ein Transport nach Osten nur für Emissionshöhen größer 12 km möglich ist, während Emissionen in niedrigere Höhen nach Westen transportiert werden. Insgesamt kann die gemessene SO2-Emissionsfahne sehr gut durch die Trajektorienendpunkte beschrieben werden. Gleichzeitig erhält man durch diesen Vergleich wichtige Information über die Höhe der einzelnen Emissionsfahnen. So findet der nach Osten gerichtete Transport ausschließlich in der Stratosphäre statt. Vulkanische Emissionen in die Stratosphäre werden von dort nur sehr langsam wieder entfernt (typische Halbwertszeit 1-2 Jahre).
Offen bleibt allerdings die Frage nach dem Grund für die unterschiedliche Zusammensetzung der beobachteten Teilfahnen. Zukünftige Untersuchungen müssen klären, ob dies auf die spezielle Komposition der unterschiedlichen Teileruptionen oder auf die unterschiedliche Prozessierung in den verschiedenen Höhenschichten zurückzuführen ist.