Körperwahrnehmung beeinflusst Konzept von „Gut" und "Böse“
Max-Planck-Forscher machen aus Linkshändern kurzzeitig Rechtshänder – mit einem verblüffenden Ergebnis: Ihre moralischen Zuordnungen ändern sich
Unbewusst verknüpfen Rechtshänder positive Eigenschaften mit der rechten Raumseite und negative mit der linken Raumseite. Diese Assoziation lässt sich allerdings leicht verändern, wie eine Studie von Daniel Casasanto vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Nijmegen, Niederlande, und Evangelia Chrysikou von der Universität Pennsylvania zeigt. Selbst wenn die linke Hand nur wenige Minuten lang flüssiger bewegt wird als die rechte, können sich die Urteile eines Rechtshänders über „Gut“ und „Böse“ umkehren, d. h. wird die linke Seite für die „richtige Seite” gehalten. Konzepte über Gut und Böse ändern sich also, wenn sich die Körpererfahrung verändert.
In der Sprache sind positive Vorstellungen oft mit der rechten räumlichen Seite und negative Vorstellungen mit der linken Seite verknüpft. Beispiele sind in der englischen Sprache der gemeinsame Begriff „right“ für rechts und richtig oder im Deutschen die Redewendung „jemanden links liegen lassen“. Im Unbewussten sind räumliche Seite und Positiv-/Negativbewertungen ebenfalls miteinander assoziiert, aber nicht immer in derselben Weise wie in der Sprache: Für Rechtshänder ist rechts gut, aber für Linkshänder ist links gut.
In Experimenten des Psychologen Daniel Casasanto, bei denen die Teilnehmer danach gefragt wurden, welches von zwei Produkten sie kaufen würden, welchem von zwei Stellenbewerbern sie den Vorzug geben würden oder welche von zwei fremdartigen Alien-Kreaturen intelligenter aussieht, tendierten Rechtshänder dazu, das Produkt, die Person oder die Kreatur auf der rechten Seite zu wählen, während sich die meisten Linkshänder für das Angebot auf der linken Seite entschieden.
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Warum denken Rechts- und Linkshänder unterschiedlich? Casasanto schlug die Erklärung vor, dass die Konzepte der Menschen über Gut und Schlecht zum Teil davon abhängen, wie sie ihre Hände benutzen. „Menschen können mit ihrer dominierenden Hand flüssiger agieren und assoziieren dann positive Dinge unbewusst mit ihrer fließenden Körperseite.“
Um diese Theorie zu überprüfen, haben Casasanto und Kollegen untersucht, wie natürliche Rechtshänder über gut und schlecht denken, wenn ihre rechte Hand beeinträchtigt ist - etwa in Folge einer Hirnverletzung oder durch eine weniger extreme Form der Einschränkung: das Tragen eines Skihandschuhs. Schlaganfall-Patienten absolvierten eine Aufgabe, bei der implizite Assoziationen zwischen Raumseite und Gut/Böse-Bewertung bei gesunden Patienten deutlich wurde. Patienten, die unter einem Funktionsverlust der linken Hand litten, zeigten das übliche „Rechts ist Gut“-Muster. Dagegen assoziierten Patienten, die aufgrund einer Schädigung der linken Hemisphäre einen Funktionsverlust der rechten Hand erlitten hatten, positive Eigenschaften mit der linken Seite - wie natürliche Linkshänder.
Dasselbe Muster bestätigte sich bei gesunden Hochschulstudenten, die eine motorische Flüssigkeitsübung mit einem klobigen Handschuh an der linken Hand (der ihre Rechtsseitigkeit betonten sollte) oder an ihrer rechten Hand, der sie vorübergehend zu Linkshändern machen sollte, durchführten. Nach rund zwölf Minuten dieser einseitigen motorischen Erfahrung wurde bei den Urteilen der rechtsbehandschuhten Teilnehmer in einer nicht auf das Thema bezogenen Aufgabe eine „Links ist gut“-Tendenz wie bei natürlichen Linkshändern festgestellt.
Formbarer Verstand
„Die Menschen sind im Allgemeinen der Ansicht, ihre Urteile seien rational und ihre Konzepte stabil”, so Casasanto. „Aber schon nach wenigen Minuten mit einem Handschuh an der Hand kann die übliche Vorstellung eines Menschen darüber, was gut und was schlecht ist, auf den Kopf gestellt werden. Vielleicht ist der Verstand wesentlich formbarer, als wir dachten.“
DC/HR