Grundbausteine des Lebens
Leben besteht aus toter Materie. Dass dies kein Paradox sein muss, wollen Wissenschaftler der Max-Planck-Gesellschaft und der Universität Bristol künftig in einem gemeinsamen Zentrum erforschen. Am Max Planck-Bristol Centre in Minimal Biology werden die Forscher künstliche Zellskelette aufbauen, molekulare Maschinen im Nano-Maßstab entwickeln und so die notwendigen Bausteine für das Leben untersuchen.
Die Synthetische Biologie und mit ihr die Minimalbiologie beschäftigen sich mit dem Übergang von unbelebter zu belebter Materie. Wissenschaftler versprechen sich von dem rasant wachsenden Forschungsgebiet nicht nur Erkenntnisse darüber, wie das Leben auf der Erde entstanden ist.
Erkenntnisse aus der Synthetischen Biologie haben auch hohes wirtschaftliches Potenzial, zum Beispiel in der Medizin oder Materialentwicklung. Biotech- und Pharmafirmen werden davon künftig genauso profitieren wie Unternehmen, die neue Materialien entwickeln. Im Vergleich zu Ländern wie den USA oder Japan investiert Europa jedoch deutlich weniger in das neue Forschungsfeld. Das Bristol Max Planck Centre soll diese Lücke schließen.
Die beteiligten Wissenschaftler der Max-Planck-Gesellschaft und der Universität Bristol bringen dabei ideale Voraussetzungen dafür mit, zu einer der weltweit führenden Forschungseinrichtungen auf dem Gebiet der Synthetischen Biologie zu werden: Sie nutzen hoch moderne Forschungsmethoden und ergänzen sich in ihrer jeweiligen fachlichen Expertise. Außerdem arbeiten sie intensiv mit anderen Instituten und forschenden Unternehmen zusammen, so dass sie ihre Erkenntnisse schnell auf ihre Praxistauglichkeit testen können.
Vereinfachung als Ziel
Tote und lebende Materie beruht grundsätzlich auf den gleichen physikalischen und chemischen Vorgängen. Lebende Zellen zeichnen sich jedoch dadurch aus, dass sie sich vermehren und Informationen weitergeben sowie Energie umwandeln können. Die Wissenschaftler des neuen Zentrums wollen deshalb herausfinden, wie unbelebte Materie solche Eigenschaften erlangen kann. Dazu wollen sie einfache, sich selbst erhaltende Einheiten erschaffen. Das langfristige Ziel der Forscher ist die Entwicklung von Vorläuferzellen – sogenannten Protozellen, die mit den zum Leben unmittelbar erforderlichen Eigenschaften ausgestattet sind.
Lebensfähige Zellen benötigen beispielsweise ein Stützskelett, damit sie ihre Form beibehalten und sich beispielsweise fortbewegen können. Am Bristol Max Planck Centre sollen solche Zellskelette völlig neu entwickelt werden und eines Tages künstlichen Zellen Form verleihen. Anstatt die in der Natur vorkommenden Biomoleküle zu optimieren, werden die Forscher völlig neue Proteine verwenden, die sich leichter in die korrekte räumliche Form bringen lassen und stabiler sind.
Darüber hinaus wollen die Wissenschaftler am neuen Zentrum das Erbgut von Zellen so optimieren, dass es nur die Gene enthält, die für das Überleben absolut notwendig sind. Eine solche „Minimal-Zelle“ kann ihnen eine Fülle von Erkenntnissen darüber liefern, wozu eine funktionstüchtige Zelle in der Lage sein muss. Außerdem haben die Wissenschaftler sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, aus einem Tier- oder Pflanzenvirus eine künstliche, leicht zu programmierende Genfähre zu machen, mit der Wissenschaftler Zellen, Gewebe und Organismen mit neuen Eigenschaften ausstatten können.
Bild: MPI-CBG/ Drobot, Tang